Название | Fallout |
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Автор произведения | Fred Pearce |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956143779 |
Für den Fall, dass eine der Konstruktionen nicht funktionierte, entschied die US-Regierung vorsorglich, aufs Ganze zu gehen und sowohl eine Uran- als auch eine Plutoniumbombe bauen zu lassen. Unter strenger Geheimhaltung wurde Ende 1942 Uranerz aus der praktisch einzigen Quelle erworben, der Shinkolobwe-Mine tief im Süden von Belgisch-Kongo, und die Gewinnung von Uran-235 lief an.6 In der Zwischenzeit war in einem Reaktor in Chicago eine nukleare Kettenreaktion geglückt und Plutonium-239 gewonnen worden.
Mit ihrem Plutonium verband die Wissenschaftler des Manhattan-Projekts eine eigenartige Hassliebe. Zwar konnte es Welten zerstören, doch es hatte auch verführerische Eigenschaften. Dank seiner Strahlung fühlte es sich »warm an, wie ein lebendiges Kaninchen«, sagte Leona Marshall Libby, eine der wenigen beteiligten Wissenschaftlerinnen.7 Andere berichteten von einem metallischen Geschmack.
Mitte 1943 war ein großes Halbwüstengebiet am Columbia River im US-Staat Washington requiriert worden, um dort das Isotop Plutonium-239 herzustellen, das so leicht spaltbar ist, dass man sich von wenigen Kilogramm eine Explosion mit der Sprengkraft von 20.000 Tonnen TNT versprach.
In einem gigantischen Unternehmen mit Tausenden Arbeitern wurden für die Anlage von Hanford neun riesige Atomreaktoren errichtet, in denen durch Neutronenbeschuss aus Uran kleine Mengen Plutonium gewonnen wurden. In einem chemischen Prozess, der sogenannten Wiederaufbereitung, wurde anschließend das entnommene »verbrauchte« Uran in Salpetersäure gelöst, um so das Plutonium für die Bomben zu extrahieren.
Das intellektuelle Zentrum des Manhattan-Projekts jedoch war das viel weiter südlich gelegene Los Alamos in der Wüste von New Mexico. Hunderte Wissenschaftler arbeiteten hier in einem ehemaligen Internat an den Plänen für die Bomben und versuchten, ihre Wirkung zu maximieren. Ihr Durchschnittsalter betrug fünfundzwanzig Jahre. Nahezu alle britischen Forscher, die an dem Bericht der MAUD-Kommission beteiligt gewesen waren, stießen hier zu der Gruppe junger US-amerikanischer Koryphäen um Robert Oppenheimer, so auch Peierls und Frisch sowie einer ihrer engen Mitarbeiter, der in Deutschland geborene Mathematiker Klaus Fuchs. Neben seiner täglichen Arbeit behielt Fuchs stets auch das Gesamtprojekt im Auge. Er hatte ein fotografisches Gedächtnis und leitete, wie später ans Licht kommen sollte, alle Geheimnisse, von denen er Kenntnis bekam, an Igor Kurtschatow weiter, den leitenden Atomwissenschaftler Josef Stalins.8 Während er ein Jahrzehnt lang in britischen und amerikanischen Atomforschungseinrichtungen ein und aus ging, trug der zurückhaltende, aber umgängliche und aufgeschlossene Auswanderer eine Unmenge Informationen zusammen.
Bald wusste Kurtschatow, dass in Los Alamos sowohl eine Uranals auch eine Plutoniumbombe gebaut wurde. Quelle der Neutronen, die in beiden Bauprinzipien die Kettenreaktion in Gang setzen sollten, war ein eingebauter »Initiator« aus Polonium- und Beryllium-Isotopen. Davon abgesehen aber war der Aufbau völlig unterschiedlich. In der Uranbombe wurden zwei relativ kleine Uran-235-Pakete durch konventionellen Sprengstoff ineinandergeschossen, sodass die für eine Kettenreaktion nötige kritische Masse entstand. Im Fall der Plutoniumbombe entschieden sich Oppenheimer und seine Kollegen für die kompliziertere »Implosionsmethode«. Das Plutonium hatte die Form einer Kugel, etwa so groß wie ein Tennisball. Eine sie umgebende Sprengstoffhülle sollte zur Explosion gebracht werden, wodurch die Kugel komprimiert und so die kritische Masse erreicht würde. Es fiel in Fuchs’ Spezialgebiet, die physikalischen Voraussetzungen für diese Implosion zu berechnen und die ideale Konfiguration der Sprengstoffhülle festzulegen.
Die Uranbombe wurde vor dem Abwurf auf Hiroshima nie getestet. Da aber bei der Plutoniumbombe mehr schiefgehen konnte, fand im Juli 1945 in der Wüste bei Los Alamos eine Testzündung statt. Mit einem Vierfachen der erwarteten Sprengkraft erwies sich der Test als großer Erfolg. Nur drei Wochen später wurde auf Nagasaki eine identische Bombe abgeworfen. Wenige Tage darauf erklärte der japanische Kaiser Hirohito die Kapitulation. Die Aufgabe war erledigt. Ein gespenstisches Detail: Nach offiziellen Angaben arbeiteten im Rahmen des Manhattan-Projekts 175.000 Menschen – das entspricht fast genau der Zahl der Toten durch die beiden Bomben.
Viele Wissenschaftler des Manhattan-Projekts erschraken vor dem, was sie geschaffen hatten. Ihr Leiter, Robert Oppenheimer, sagte in den Worten der Hindugottheit Krishna: »Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.« Daneben herrschte große Verärgerung, vor allem über die Entscheidung des Militärs, die beiden japanischen Städte zu bombardieren. Szilárd, der Entwickler der Grundidee, hatte sich für eine Demonstration der mächtigen neuen Waffe an einem entlegenen Ort ausgesprochen. Er wurde jedoch von Politikern und Generälen überstimmt, die wissen wollten, was beim Abwurf auf eine echte Stadt passieren würde.9
Da das Vorhaben gelungen war, wussten die Wissenschaftler, dass andere es ihnen gleichtun konnten. Manche riefen öffentlich dazu auf, Atomwaffen internationaler Kontrolle zu unterwerfen, um ein atomares Wettrüsten zu verhindern. Auch von dieser Idee hielten die Generäle nicht viel. Der Gedanke, »Welten zerstören« zu können, gefiel ihnen besser. Eine Zeit lang hoffte Amerika, die Technologie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für sich behalten zu können. Daher wurden sogar die britischen Forschungspartner aus Kriegszeiten nach Hause geschickt – nicht ohne die absurde Anweisung, ihr erworbenes Wissen nicht anzuwenden, sollte sich Großbritannien selbst zum Bau einer Bombe entschließen.
An Fuchs jedoch dachte niemand. Über Jahre hatte er sich bewusst über die Arbeit jedes Einzelnen auf dem Laufenden gehalten. Sein Wissen teilte er mit seinen britischen Kollegen in Harwell, Oxfordshire, das sich schon bald zu einem britischen Los Alamos entwickelte, und leitete kontinuierlich wissenschaftliche Artikel und Konstruktionspläne an Kurtschatow weiter. Angespornt von dem Wissen, dass die Technologie ganz offensichtlich funktionierte, war die Sowjetunion schließlich in der Lage, ein eigenes Waffenprogramm ins Leben zu rufen. Bereits Ende 1948 lief in einem Nachbau der Anlage von Hanford – in der eilig hochgezogenen geschlossenen Atomstadt im Schatten des Urals, die heute Osjorsk heißt – die Plutoniumproduktion auf Hochtouren. Im August 1949 wurde die erste sowjetische Plutoniumbombe in der kasachischen Steppe getestet.
Ein Wettrüsten hatte begonnen. Während jedoch Russland, Großbritannien und später auch Frankreich und andere in aller Eile ihre eigenen Kernspaltungsbomben entwickelten, hatten die Beteiligten des Manhattan-Projekts weit explosivere Pläne – für einen Apparat, der anfangs »Super-Gadget« genannt wurde. Dahinter stand mit Edward Teller ein weiterer ungarischer Physiker sowie der polnische Mathematiker Stanisław Ulam. Physikalisch gesehen war das »Super-Gadget« fast das Gegenteil einer Kernspaltungs- oder Fissionsbombe. In Fissionsbomben werden schwere Elemente wie Uran oder Plutonium gespalten. Die neue Waffe aber war eine »Fusionsbombe«, in der Atomkerne der beiden leichten Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zur Fusion gezwungen werden sollten, daher der populäre Name »Wasserstoffbombe«. Wenn Tellers und Ulams Überlegungen stimmten, sollte sie ein Vielfaches der Energie einer Fissionsbombe freisetzen.
Um eine Fusionskettenreaktion in Gang zu setzen, bedurfte es jedoch einer Menge Energie – einer so großen Menge, wie sie nach Tellers und Ulams Berechnungen nur eine Fissionsbombe liefern konnte. Im Inneren einer Wasserstoffbombe befand sich also immer auch eine Kernspaltungsbombe. So schrecklich die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Kernwaffen auch gewesen waren, im Vergleich zu den neuen Wasserstoffbomben waren sie nichts. Entsprechend war die Wüste New Mexicos für ihre Sprengkraft und ihren Fallout nicht groß genug. Daher wurde die erste echte Wasserstoffbombe im März 1954 auf dem Bikini-Atoll gezündet, in einer entlegenen Region des Pazifischen Ozeans. Sie hatte die tausendfache Stärke der Bombe von Nagasaki. Für die Größe einer Wasserstoffbombe gab es offenbar keine Grenzen.
Bereits vor dem Abwurf der ersten Kernspaltungsbombe war in Los Alamos an der Konstruktion einer Wasserstoffbombe geforscht worden.