Название | Drei Romane |
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Автор произведения | Pola |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946289128 |
Pola Polanski, Mein Alter Ego, Die schwarzen Engel, Das Wolfsbaby
© 2021 der vorliegenden Ausgabe: Verlagshaus underDog
© 2021 Annette Haug
Pola Polanski
Mein Alter Ego
Die schwarzen Engel
Das Wolfsbaby
Coverillustration: © Annette Haug
Umschlaggestaltung: © Daniel Brabec, www.contactdesign.de
Lektorat: Dr. Lotte Husung, www.buchstaeblich-lektorat.de
Satz und Layout: © Daniel Brabec, www.contactdesign.de
Druck: CPI, www.cpibooks.com
Inhaltsverzeichnis
Mein Alter Ego
Teil 1
1. Tag, Abflug ab Frankfurt und Einschiffung in Luxor
Meine Gedanken rasen, aber wie können sie rennen, wenn der Rasen draußen vor meinem Fenster still, festgewachsen steht? Zwischen den jungfräulichen Gräsern steht etwas Unkraut. Ich denke über das Wort „Unkraut“ nach. Das ist also kein Kraut, aber was ist ein Kraut? Sauerkraut? Rotkraut? Unkraut, also kein Kraut, das man essen kann? Deswegen zu nichts nutze? Die Insekten hatten sich gefreut, als der Rasen noch nicht neu gesät war. Die Nachbarn haben die Nase gerümpft über meinen Unkraut-Rasen, mein Insektenhotel.
Ich weiß, ich sollte nicht zu viel reflektieren, meiner Kopfhaltung tut es nicht gut, aber ich sehe schon, das Gespinst rollt an und droht, mich zu verschlingen.
Mein Partner Paul und ich stiegen um fünf Uhr morgens in den Aufzug im Hilton am Frankfurter Flughafen. Ein Traumrest trieb noch sein Unwesen in meinen Gedankenspiralen. Paul und ich waren im Bett gelegen, aber zwischen uns in der Bettritze schlief eine fremde Frau, die mir den Rücken zukehrte. Wahrscheinlich roch ich nach Rauch, denn wir hatten entgegen unseren Plänen doch noch ein Raucherzimmer gebucht. Im Hilton gab es nämlich keine Raucherlounge, man musste einen langen Weg gehen, um nach draußen zu gelangen. Ich hatte in dem kleinen Hotelzimmer mit Paul etwas gestritten, weil man in dem Hotel kein Fenster öffnen konnte. Dabei war er ja so nett gewesen, wegen mir das Raucherzimmer zu buchen.
Die beiden Herren, mit denen wir am nächsten Morgen im Aufzug fuhren, waren, wie ich sofort bemerkte, schwul, denn beide trugen den gleichen Schal, aber jeweils in anderen Farben, dazu rosafarbene Hemden. Die Glatzen der beiden glänzten von der morgendlichen Creme. Obendrein rochen sie penetrant nach Rasierwasser. Einer der Herren fragte uns, wohin wir flögen. Mein Partner sagte „Ägypten“ und ich gleich darauf „Luxor“. Der Herr lächelte unverbindlich und meinte darauf:
„We Americans wouldn‘t go to Egypt.“
Wir waren unten angelangt und die zwei Amerikaner bogen in eine andere Richtung ab. Wir stoppten kurz an der Kaffeetheke. Seitdem Paul keinen Alkohol mehr trank, konnte er Massen von Zeug essen. Ich wunderte mich, warum er nicht dick wie ein Kloß wurde. Er aß drei süße Stückchen, während ich nur Kaffee trank. Ich dachte, das geht nicht, der Darm ist voll. Wer konnte schon morgens um fünf Uhr aufs Klo? Und dann noch etwas essen? Aber innerlich lachte ich über mich, denn seit jeher war es so auf Reisen, bei denen man so früh aufstehen musste. Aufs Klo gehen ging nicht. Als ob man einen Pfropf im Hintern hätte. Und der ging erst entweder abends in Sicherheit in irgendeinem Hotelzimmer oder am nächsten Morgen nach einem Kaffee auf. Die Sorge, nicht aufs Klo zu können, stammte aus meiner Familie. Mein Vater aß morgens löffelweise Weizenkleie zusammen mit lauwarmem Wasser, während meine Mutter abends Backpflaumen in sich hineinmampfte.
Der Gartenschlauch windet sich wie eine Schlange auf der Terrasse, eine Schlange, die sich nur erhebt, wenn ich den Wasserhahn öffne. Dann spritzt sie ihr Wassergift nach allen Seiten und ich bin schon nass, bevor ich mit dem Gießen des Rasens, der ja stillsteht, beginne. Mittlerweile finde ich es sehr meditativ abends, mit dreckigen Turnschuhen und Leggins bekleidet, den langsam rasenden Rasen zu gießen. Die ganze Nachbarschaft sieht mir zu, wie ich den Rasen gieße. Den Rasen, der nicht wegläuft, da er ja festgewachsen ist. Der Gärtner hat gesagt, „Da dürfen Sie ruhig reintreten“, also trete ich mit meinen ausgelatschten Turnschuhen auf die armen Rasenkeime. Die können sich ja nicht wehren. Bis jetzt haben sie noch nicht demonstriert. Das wäre doch was, wenn plötzlich Tausende Grashalme vor meinem Fenster stünden mit Plakaten, auf denen zu lesen ist: „Rasen betreten verboten!“ So wie in Corona-Zeiten alle Spielplätze abgesperrt waren mit Schildern „Betreten verboten“.
Später im Flugzeug hatte ich seltsame Nachbarn. Die Frau direkt neben mir trug das Gewand der Ägypter, eine Galabija, in einer Farbe, die ich zum Kotzen fand. Beige … so wie die Rheuma-Unterhosen von alten Leuten. Nach dem Start zog sie sich ein Tuch über den Kopf. In derselben Farbe! Ihren „Mann“ neben sich behandelte sie wie einen Bediensteten. Ob die in einer Sekte waren? Das Mittagessen hatten sie sich vorbestellt, Gemüse-Curry, sie tranken keinen Alkohol, stattdessen aßen sie Unmengen von Gummibärchen und lasen in Astrologiebüchern und Romanen über den Orient. Paul schlief fast die ganze Zeit. Man musste ihn nur irgendwo hinsetzen und er schlief ein, während ich wie immer, Bing!, wach war, obwohl ich mir einen Weißwein genehmigt hatte.
Nach den unendlichen Passkontrollen kam unser Gepäck an und kurz darauf saßen wir in einem komfortablen Bus. Die Busse wurden im Laufe der Reise immer kleiner und unbequemer, diametral zu den Tempeln, die von innen her gebaut immer größer wurden. Wir fuhren an einem Flussarm des Nils entlang. Sofort war man in eine andere Welt versetzt. Ein Europäer wünscht sich bestimmt nicht, so zu leben. Die Ägypter lassen sich noch von Eselskarren ziehen. Und wenn sie Autos haben, dann sind sie uralt.
Auf meiner Terrasse steht ein Tisch, den mir ehemals ein Freund gebaut hat. Auf dem Gestell des berühmten Bauhaus-Architekten Eiermann ruht eine Holz-Tischplatte, die ehemals eine Tür war. Die Tür hat zwei Löcher in der Tiefe. In einem der zwei Löcher haben sich jetzt Bienen eingenistet. Jedes Mal, wenn ich die Tischdecke über die zwei Löcher ausbreite, suchen die Bienen ihr Loch. Wenn Paul und ich grillen, sitzt er immer vor dem Loch, das durch die Tischdecke verdeckt ist. Die Bienen fliegen an und finden enttäuscht ihr Loch nicht. Und Paul sitzt da und scheucht die Bienen weg, die ja traurig darüber sind, dass sie jetzt nicht ihre Königin umhegen können. Mein Kopf wird ganz rot vor Hitze, während ich schreibe, denn gleich begegne ich Toni zum ersten Mal. Ich weiß noch gar nicht, wie ich dieses Treffen beschreiben soll. Es bereitet mir Bauchschmerzen.
Ich sehe aus dem Fenster auf meinen langsam festwachsenden Rasen, der nicht rast, und schreibe. Ich schreibe rasend, immer zu schnell, wie eine Rasende, die jetzt in ihren Garten mit Gedankenrasen auf ihren Rasen schaut.
Ich setze mich auf meinen knallroten Sessel, öffne die Terrassentür, zünde mir eine der ägyptischen Zigaretten an und schaue auf die Packung. Die Ägypter haben nicht ganz so schlimme Ekelbilder auf ihren Packungen. Es gibt nur zwei Bilder: eine Ägypterin, die