Название | America´s next Magician |
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Автор произведения | Isabel Kritzer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959919081 |
Es war Magie.
Reine Macht.
Sie erfüllte glitzernd die Luft – so wunderschön und tödlich.
Goldene Flecke färbten meine Netzhaut, verglimmten schwarz an den Rändern meiner Wahrnehmung und machten diese kurzzeitig unbrauchbar, als das Licht für meine Sehnerven zu viel wurde. Ich kniff die Augen reflexartig zusammen, nur um sie im nächsten Augenblick angstvoll aufzureißen und überrascht zu keuchen.
Die Helligkeit war gebündelt worden. Über Lanahaa schwebten vier unterschiedlich farbige Lichtkugeln: blau wie die Gulets. Weiß wie die Mensay. Gelb wie die Veritas. Grün wie die Cuiny.
Ich erkannte es sofort. Jeder wusste, welche Farben die vier magischen Gilden unseres Reiches repräsentierten, die zusammen mit dem Kaiser herrschten, seitdem sich der Rat der Magicians vor etwas mehr als fünfzig Jahren erhoben hatte. Gegen die Politik, die damals nichts auszurichten vermocht hatte und zum angeblichen Wohl der Menschen, die vor dem größten Feind von allen beschützt werden sollten: der Natur, die sich immer mehr von unserem Lebensraum einverleibte. Durch Stürme, Fluten und Dürren – durch Katastrophen, die auch heute noch keiner vollständig verhindern konnte. Magie dämmte immerhin manches ein. Doch den meisten Menschen, die jetzt auf dem großen Platz vor der Bühne standen, ging es wohl wie mir. Sie waren eingeschüchtert, ängstlich und ratlos, was die Kugeln über Lanahaas Kopf zu bedeuten hatten, abgesehen vom Offensichtlichen: Gefahr! Und sicher auch ratlos, ob meine Mutter damit alle vier Richtungen der Magie beherrschte oder deren Färbung nur eine Illusion war, die sie geschaffen hatte, um den Gedanken in unseren Köpfen zu platzieren. Um Furcht zu säen. Trugbild oder Realität, ganz egal. Manipulation war eine fast so mächtige Waffe wie Magie selbst. Zumindest das wusste ich, seit Ivan mich bei der Wahl gecoacht hatte.
Plötzlich glimmten die Kugeln gefährlich auf.
Mein Herzschlag vervielfältigte sich sofort. Ich hätte gern begriffen, was sich vor meinen schockgeweiteten Pupillen ereignete. Hätte gern behauptet, dass ich stark war – bereit, alle zu retten. Dass meine Seele nicht aufgrund der Offenbarungen meiner Mutter in den letzten Minuten in Splitter zerbrochen war, die sich nun mit der Präzision von frisch geschliffenen Messern in meine Organe und die Lunge zu bohren schienen und mich immer mehr am Atmen hinderten. Hätte gern behauptet, dass das Ende der Wahl nicht alles zerstört hatte, wofür ich glaubte zu stehen, zu kämpfen. Woran ich mich in den dunklen Stunden festgehalten hatte.
Die Kugeln glimmten heller.
Keiner regte sich.
Tränen rannen mir aus den Augenwinkeln, zogen ihre Spur über meine dreckigen erhitzten Wangen hinunter bis zu meinem Kinn, von dem sie auf mein Schlüsselbein tropften. Ich wollte nicht schwach sein, doch war ich es.
Tausende Menschen verfolgten das Spektakel hier auf dem Platz, Abertausend auf ihren Bildschirmen zu Hause. Und sie alle sahen, wie die Eiskönigin, meine einzige und doch zum Schluss so wenig effektive Maske, dahinschmolz. Sahen, wie die Farce unserer heilen Welt aufgedeckt wurde, wie die Missstände in California das Zuckerbrot und die Peitsche überwogen, wie die Regeln des Rates, der Gilden und damit das Kaiserreich seit fünfzig Jahren das erste Mal ins Wanken geriet.
Ich zog die Nase hoch.
Meine Tränen hinterließen einen Film auf beiden Wangen, der sich wie ein unsichtbares Tattoo anfühlte. So, als sei ich gezeichnet worden – von mir selbst. Schlussendlich war ich das auch ein Stück weit, weil alles hier aufgezeichnet wurde. Für die Ewigkeit. Damit konservierten meine Taten ein unsterbliches Bild von mir. Auch wenn uns, der Spezies Mensch, ob nun magisch veranlagt oder nicht, diese von der Natur vermutlich gar nicht geschenkt werden würde. Kaiserreich Eterny – Eternity ausgeschlossen.
Wegen Sinessa – meinem Vater – und seinem widerwärtigen Streben nach Macht, das genau wie das des Kaisers alle ins Verderben gestürzt hatte. Und wegen meiner Mutter – der Inkarnation der Rebellion, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ihre Show mit einer Rebellion gemein haben sollte. Bislang sah ich keine Auflehnung einer Gruppe, sondern eine Zurschaustellung ihrer selbst, die für keinen hier gut ausgehen konnte.
Wie hatte nur alles so aus dem Ruder laufen können?
Immer intensiver, regelrecht unangenehm glimmten die Kugeln über uns.
Alle starrten inzwischen – gefangen in der Unwirklichkeit dessen, was sich vor ihren Augen abspielte. Genau wie ich. Nicht einmal die kleine Robobotarmee, die die Umgrenzung der Bühne zum Publikum hin sicherte, regte sich.
Mit zitternder Hand wischte ich mir die Nässe vom Kinn – zog Spuren durch den Sand der Arena, der noch immer daran haftete.
Kalt, so kalt waren meine Finger im Gegensatz zur Haut.
Ich hätte gern behauptet, dass ich noch die Gleiche war wie Stunden zuvor. Doch manche Worte und Taten lassen sich nicht zurücknehmen. Die meiner Mutter gehörten unwiderruflich dazu. Sie betrafen mein Wesen auf eine elementare Weise, dass mir nicht klar war, wie ich mit ihnen umgehen sollte. Ich wusste nicht mehr, wer ich war, wer sie war und was in den letzten einundzwanzig Jahren wirklich echt gewesen war. Mein Herz und meine Seele trugen tiefe Wunden. Mein Körper war nicht gleichermaßen verwundet, doch schien es mir, als hatte ich plötzlich verlernt, ihn zu steuern.
Die Stille und die seltsame Reglosigkeit um mich waren so surreal wie die Situation. Keiner konnte wegschauen, keiner floh, obwohl alle genau wussten, dass im Bruchteil einer Sekunde etwas Schreckliches passieren würde; wir waren dazu verdammt, hinzuschauen, würden das Geschehen durch die Neugier der menschlichen Natur bis zum bitteren Ende verfolgen.
Wir alle gaben meiner Mutter damit die Bühne, die sie sich ausgewählt hatte. Und obwohl ich inzwischen wieder Schmerzen von meinem Kampf in der Arena in allen Gliedern spürte, verankerte sich mit jeder weiteren Sekunde, die ereignislos verstrich, die unterschwellige Vermutung in meinem Bewusstsein, dass dies – ihr Auftreten – der Anfang von etwas Großem war.
Was nicht hieß, dass es sich dabei um etwas Gutes handelte.
Gewiss war ich mir hier und jetzt nur einer Sache: Ich war nicht bereit, das Ende dieser Entwicklung zu erleben, wenn es aus den Menschen, die ich liebte, Monster machte. Oder vielmehr die Monster in ihnen enthüllte, sie ans Tageslicht brachte und vor aller Augen sichtbar werden ließ.
Die Frau auf ihrem Wolkenthron, sie war mir fremd. So fremd. Alle auf der Bühne, die sie wie in Stein gemeißelt verharrten – inklusive meiner selbst –, waren mir auf einen Schlag fremd. Ich blickte auf ein Geschehen, das die Menschen, die ich zu kennen geglaubt hatte, mitgestalteten. Doch erkannte ich sie nicht wieder; erkannte mich nicht wieder. Da war nur noch Leere – in mir, um mich.
Wo war mein Kampfgeist?
Wo war die starke Josi, die ich jetzt doch so sehr brauchte?
Ich konnte die innere Anspannung, die Zerrissenheit, die unzähligen Fragen und die Angst nicht länger ertragen. Nicht, nachdem ich gerade erst Phillipe getötet hatte, um zu überleben. Nicht, nachdem ich die Schrecken der Arena gerade erst gegen diese Bühne eingetauscht hatte. Und nicht in Anbetracht der Tatsache, dass Ivan noch immer so weit entfernt von mir, neben dem Kaiser stand.
Psychischer Schmerz verdrängte einen Schlag lang das Chaos in meinem Kopf. Wandelte es von schwarz-grauem Nichts in rote Glut. Dann war es wieder vorbei. Die Verwundung ließ nach und hinterließ nichts als die Qualen der physischen Wunden beim Ausatmen. Meine Kraftreserven waren erschöpft. Die letzte Aufgabe der Wahl hatte mich fast allem beraubt.
Ich setzte trotzdem ein gezwungenes Lächeln auf – für die Kameras.
Da flackerten die Kugeln hoch oben noch heller.
Meine Mutter hob wieder die Hände, dieses Mal ging es unglaublich schnell. Ihre Fingerspitzen berührten sich und eine hellgrüne Lichtkugel entstand, als sie sie wieder auseinanderzog.
Unsere Blicke verschmolzen,