Projektdiagnose. Gero Lomnitz

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Название Projektdiagnose
Автор произведения Gero Lomnitz
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия Projektmanagement neu denken
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783739801438



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und Verhalten bezieht. Für die inhaltliche Analyse oder eine präventive Risikoanalyse ist Fachwissen zwingend erforderlich. Hier dürften die Diagnostiker:innen in aller Regel überfordert sein. Erstaunlicherweise wird der Nutzen eines fundierten Projekt Previews zu wenig gesehen oder unterschätzt. Ich bin davon überzeugt, dass manche Projektdiagnose überflüssig wäre, wenn man mehr in die Prävention investieren würde.

      Abb. 1:

      Anlässe für Diagnosen und Reviews

      2.4.3 Wann sollte eine Diagnose nicht durchgeführt bzw. vorzeitig beendet werden?

      Eine Projektdiagnose sollte nicht durchgeführt bzw. vorzeitig beendet werden, wenn folgende Situationen auftreten:

       ZeitmangelNotwendige Interviews können nicht durchgeführt werden, weil die Beteiligten zu wenig Zeit haben oder sich die Zeit einfach nicht nehmen. Das ist nicht immer einfach zu unterscheiden. Die Diagnostiker:innen müssen dieses Thema mit dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin der Diagnose besprechen, denn sie haben die Verantwortung, die Situation zu ändern.

       Es gibt keinen AuftraggeberAuch nach intensivem Bemühen lässt sich nicht klären, wer eigentlich Auftraggeber der Projektdiagnose ist. Wie bei Projekten, so gilt auch hier: Keine Diagnose ohne eine klare Auftraggeber:in. Wenn der Auftraggeber des Projektes eine neue Aufgabe übernommen hat, muss geprüft werden, ob die nachfolgende Person weiterhin an der Diagnose interessiert ist. Besteht kein Interesse, so ist ein Abbruch empfehlenswert.

       Mangelndes Interesse, fehlender LeidensdruckDie Aussage, es gibt keine Diagnose, ohne die Absicht die erkannten Schwachstellen zu beseitigen, erscheint mir so generell formuliert, nicht haltbar, denn sie entspricht nicht immer der Realität. Diagnostiker:innen sollten nicht davon ausgehen, dass die Beauftragung einer Diagnose automatisch mit dem notwendigen Interesse an den Ergebnissen bzw. den sich daraus ergebenden Maßnahmen verbunden ist. Leidensdruck bei den Entscheider:innen ist insofern positiv, weil damit die Wahrscheinlichkeit, Veränderungsmaßnahmen durchzuführen, steigt. Auch darf man nicht davon ausgehen, dass der Leidensdruck konstant bleibt; mag sein, dass er in der Anfangsphase der Diagnose hoch war, doch im weiteren Verlauf deutlich gesunken ist. Sprechen Sie solche Veränderungen an. Klären Sie, ob genügend Bereitschaft vorhanden ist, sich mit den Ergebnissen der Diagnose ernsthaft auseinanderzusetzen.

       Das Projekt ist sehr weit fortgeschrittenEine Projektdiagnose ist nicht ratsam, wenn sich ein Projekt trotz großer Probleme und Konflikte in der Endphase befindet und die Beteiligten sich entschieden haben, die Angelegenheit endlich zum Abschluss zu bringen. Durch eine Diagnose können mühsam gelöste Probleme oder unterdrückte Konflikte wieder auftauchen und erreichte Kompromisse zwischen Organisationseinheiten und Personen wieder zerbröckeln. In solchen Fällen sollte man sich bis zum Projektende gedulden um anschließend eine fundierte Lessons Learned-Maßnahme durchzuführen.

       Frühzeitiger ErkenntnisfortschrittWenn sich nach einer Reihe von Interviews zeigt, dass immer wieder ähnliche oder gleiche Antworten auf die verschiedenen Fragen gegeben werden, sollte überlegt werden, ob der weitere zeitliche und finanzielle Aufwand gerechtfertigt ist. Es ist nicht vertretbar an einem einmal geplanten Vorgehen festzuhalten, wenn eine weitere Datensammlung für die Diagnose keinen Zusatznutzen bringt.

      2.5 Der Diagnoseprozess von der Auftragsklärung bis zur Präsentation der Diagnoseergebnisse – Überblick

      Eine Projektdiagnose kann in sechs aufeinander aufbauende Phasen unterteilt werden. Beginnend mit der Initiierungsphase und der Auftragsklärung geht es über die Datensammlung und -aufbereitung bis zur Präsentation der Ergebnisse. Hier endet die Projektdiagnose, weil die Entscheidung über die Folgemaßnahmen und deren Realisierung nicht Bestandteil der Projektdiagnose sind. Mit anderen Worten, die Verantwortung der Diagnostikerin endet mit der Präsentation der Ergebnisse und sie geht dann auf den Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin über. Dieser Wechsel in der Verantwortung muss im Rahmen der Auftragsklärung unbedingt besprochen werden.

      Phasen der ProjektdiagnoseProjektdiagnosePhasen – ein Überblick

Phase Ziel
Initiierungsphase Die Entstehungsgeschichte mit dem Kontext verstehen.
Auftragsklärung Alle relevanten Punkte für die Diagnose klären.
Datensammlung Die richtigen Fragen stellen und die Fragen gekonnt stellen.
Datenanalyse und Bewertung Die Ergebnisse der Befragung zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammenfügen und bewerten.
Bericht ausarbeiten Die Ergebnisse mit konkreten Empfehlungen klar, nachvollziehbar und verdaubar formulieren.
Datenfeedback Die Ergebnisse klar vermitteln. Mit dem Datenfeedback endet die Diagnose.

      3 Auftragsklärung

      3.1 Initiierung – Vorgeschichte der Diagnose verstehen

      Die Arbeit der Diagnostiker:innen beginnt normalerweise vor dem offiziellen Start der Diagnose. Schon im Vorfeld können wichtige Informationen über die Hintergründe der Diagnose, die Erwartungen und Interessen der Beteiligten gesammelt werden. Versuchen Sie sich ein möglichst genaues Bild über den Entstehungsprozess zu machen. Warum soll eine Diagnose durchgeführt werden, wer verspricht sich was davon? Wer ist am Diskussionsprozess beteiligt? Kontextklärung spielt eine große Rolle, dazu gehört auch zu erfahren, warum das Management gerade Sie als mögliche Diagnostiker:in ausgewählt hat. Ist es Ihr guter Ruf? Schätzt man Sie, weil Sie die Probleme gründlich erfassen und deutlich kommunizieren? Traut man es Ihnen vor allem deshalb zu, weil Sie ein Projektmanagement Zertifikat erworben haben? Sind sie empfohlen worden, wenn ja, von wem? Nutzen Sie, falls möglich, Gespräche mit der Projektleitung, den Projektmitarbeiter:innen, dem Sponsor bzw. der Sponsorin des Projektes und mit Linienmanager:innen, um sich einen ersten Eindruck über die Situation des Projektes und die Erwartungen an die Diagnose zu verschaffen. Der Kontakt mit dem Linienmanagement darf nicht unterschätzt werden, denn sie können in unterschiedlicher Weise in das Projekt involviert sein, sei es als Ressourcenmanager:in, als interne Lieferant:innen für das Projekt oder weil ihre Organisationseinheiten vom Projektverlauf oder den Projektergebnissen betroffen sind. Das gilt vor allem bei Restrukturierungs- oder Prozessoptimierungsprojekten. Wie auch immer, Führungskräfte können die Diagnose fördern, aber auch blockieren.

      Es gibt unterschiedliche Anlässe und Initiator:innen für Projektdiagnosen. Je besser Sie den Anlass und die Akteure kennen, desto besser kann die Auftragsklärung gelingen. Nach meiner Erfahrung gibt es drei typische Gründe, warum eine Diagnose durchgeführt werden soll:

       Die Auftraggeber:innen des Projektes sind mit den Zwischenergebnissen nicht zufrieden, weil die geplanten Meilensteine nicht erreicht werden. Wiederholt hören sie Klagen über die schlechte Zusammenarbeit im Projektteam, über unklare Zuständigkeiten oder über die mangelnde Unterstützung von Linienmanager:innen. Sie versprechen sich von der Diagnose zuverlässige Informationen über die Ursachen der Probleme mit konkreten Empfehlungen.

       Im Steering Committee bestehen seit geraumer Zeit unterschiedliche Meinungen über die Ergebnisse und den Verlauf des Projektes. Die Bereichsleiterin R&D (Research & Development)