Null. Gine Cornelia Pedersen

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Название Null
Автор произведения Gine Cornelia Pedersen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903081918



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hinunterkommen soll, damit wir Dessert essen und die Geschenke aufmachen können

      Ich schreie, dass ich ihre beschissenen Geschenke nicht haben will

      Dass sie die in ein rumänisches Kinderheim bringen sollen

      Ich meine es nicht so

      Klar will ich meine Geschenke

      Ich gehe hinunter

      Opa entschuldigt sich

      Ich sage, ich will kein Dessert, weil ich zu fett dafür bin

      Dann lachen wir alle, und ich esse eine doppelte Portion Milchreis

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      Die Leute starren mich an

      Auf der Straße

      Überall

      Ich beschimpfe eine Frau in der Straßenbahn

      Sage, dass sie ein schlechter Mensch ist und dass Leute wie sie die Welt kaputtmachen

      Sie schaut weg

      Ich sage, ja, das soll sie ruhig machen

      Sie kann einfach wegschauen, aber das macht alles nur schlimmer

      Ich frage, ob irgendetwas Abnormales an mir ist

      Sie schüttelt den Kopf

      Ich sage, sie ist diejenige, die abnormal ist

      Dass sie hässliche Kleider hat und Falten im Gesicht

      Ich sage, ihr Geld wird sie nicht vor dem Untergang retten

      Dass man so einen Pelzmantel nicht mitnehmen kann in die Hölle

      Dass sie den Verputz in ihrem Gesicht wohl nicht mal mit einer Hacke abbekommt

      Ich sage, sie und alle, die sie liebt, werden eines Tages sterben, und es gibt nichts, was sie dagegen tun kann

      Sie hat eine Tüte aus einem Designerladen in der Hand

      Ich reiße die Tüte an mich und kippe den Inhalt auf den Boden

      Heraus fallen ein Seidenkleid, ein Schal und ein Blazer

      Ich trample darauf herum

      Reibe das Zeug in den versifften Boden

      Dann springe ich aus der Straßenbahn und renne

      Ich gehe in ein Café

      Alle starren

      Ich gehe nach Hause

      Schließe die Tür ab

      Mache das Handy aus

      Ich zittere

      Verhänge alle Spiegel in der Wohnung

      Schalte den Fernseher an

      Zünde mir eine Zigarette an

      Schalte den Fernseher aus

      Lege mich unter die Decke

      Ich mache die Augen zu

      Mache sie auf

      Mache sie zu

      Schalte den Fernseher wieder an

      Es läuft eine Dokumentation über die Mayas

      Sie sagen, dass der Maya-Kalender mit dem Jahr 2012 endet

      Ich drehe die Lautstärke so hoch wie möglich

      Sie reden über die Zahl 23

      Allmählich zähle ich eins und eins zusammen

      23 verfolgt mich

      23 ist überall

      Ich fange an, alles zusammenzuzählen

      Alles ergibt 23

      Ich sehe immer deutlicher, wie alles miteinander verbunden ist

      Gehe am 23. nicht mehr aus dem Haus

      Ich habe Angst, aber gleichzeitig bin ich froh, etwas so Wichtiges erkannt zu haben

      Ich rede mit Mama

      Ich sage, dass ich ihr ein Geheimnis anvertrauen muss

      Dass sie sich vor der Zahl 23 in Acht nehmen soll

      Sie sagt, das ist völliger Quatsch

      Ich werde wütend

      Sage ihr, sie soll aufpassen, und dass die Dinge nicht so sind, wie sie glaubt

      Sie fragt, was ich damit meine

      Ich sage, dass ich das am Telefon nicht erklären kann und dass ich auflegen muss

      Ich bin nachts wach und lese im Internet über die Zahl 23

      Es gibt mehrere Leute, denen etwas dazu aufgefallen ist

      Mama fragt mich, ob ich genug schlafe

      Ich lüge und sage ja

      Sie findet, dass ich krank aussehe

      Ich sage, Kranksein ist relativ, und dass ich erst jetzt wirklich gesund bin

      Ich sage ihr, wenn eine von uns krank aussieht, dann sie

      Ich gehe nicht aus dem Haus, außer, um Essen von McDonald’s zu holen oder zum Zigarettenkaufen

      Meine Freundin sagt, dass sie sich Sorgen macht und dass es für sie so nicht weitergehen kann

      Ich sage, dann muss sie sich eben eine neue Freundin suchen

      Ich weine nicht mehr

      Nichts ist traurig

      Nur seltsam

      Wie ein Déjà-vu

      Es klopft an der Tür

      Ich mache nicht auf

      Das Klopfen wird lauter

      Sie sagen, sie sind von der Polizei, und ich soll die Tür aufmachen

      Sie sagen, ich brauche keine Angst zu haben

      Sie wollen mir helfen

      Ich klettere aus dem Badezimmerfenster

      Springe auf einen Fassadenvorsprung und gleite dann an einer Regenrinne hinunter

      Ich laufe

      Es ist kalt

      Bestimmt minus zwanzig Grad

      Meine Füße bluten

      Ich laufe am Haus des Premierministers vorbei

      Springe über den Zaun

      Es gibt keine Sicherheitsleute

      Ich lache

      Klingle an der Tür

      Der Premierminister öffnet

      Ich stelle mich vor

      Sage ihm, dass ich weiß, dass er weiß

      Er wirkt verwirrt, sieht sich um

      „23“, sage ich

      Er wirkt, als hätte er Angst

      Ich knalle ihm eine

      „Aufwachen, Mann! Die Zeit läuft, wir müssen hier zusammenarbeiten.“

      Er möchte die Tür zumachen

      Ich lasse ihn nicht

      Ich schreie, vor dieser Sache kann er seine Tür nicht einfach zumachen

      Dass es keinen Sinn hat, die Tür jetzt zuzumachen, und dass es bald zu spät sein wird

      Er knallt die Tür zu und schließt ab

      Die Polizei hat mich inzwischen gefunden

      Sie sagen, ich muss mitkommen, und dass ich nicht ins Gefängnis komme