Null. Gine Cornelia Pedersen

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Название Null
Автор произведения Gine Cornelia Pedersen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783903081918



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werde die ganze Zeit wütend

      Ich verstehe absolut gar nichts

      Ich verstehe nicht, was los ist oder wie irgendetwas jemals anders werden kann

      Es kribbelt

      Ich langweile mich so

      Es kribbelt, und alles, was ich vor meinem Fenster sehe, ist ein Feld

      Alles, was ich höre, ist eine Fliege, die versucht, durch das geschlossene Fenster nach draußen zu gelangen

      Alles, worauf ich warte, ist Abendessen, und Schule

      S C H U L E

      Ich bin mir selbst überlassen worden

      Ich sehne mich nach Papa

      Ich weiß noch, wie meine Schwester und ich einmal auf Papas Rücken sitzen durften und Papa Pferd gespielt hat

      Er ist auf den Knien gekrabbelt und hat gewiehert

      Es war unglaublich

      Ich werde es nie vergessen

      Ich habe ihm aus einer Wasserschale zu trinken gegeben und ihn mit Äpfeln und Karotten gefüttert

      Papa wird immer ein Held sein

      Papa hat eine Jeansjacke, er raucht Lucky Strikes und fährt ein gammliges rotes Auto

      Er kommt an den Wochenenden

      Jedes zweite Wochenende

      Wir schauen fern und essen Pizza

      Ich will mit nach Oslo

      Ich will heim nach Oslo

      Oslo ist das Paradies

      Oslo ist der Ort, wo alles blüht und nichts langweilig ist und es keine Felder gibt

      Nur Rasen, Parks und Asphalt

      Ich liebe Oslo

      Dort ist das Leben

      Ich kriege keine Luft hier

      Ich brauche Geräusche oder irgendeinen aufregenden Geruch

      Den Geruch eines Straßencafés

      Den Geruch von Asphalt, wenn die Sonne draufbrennt

      Den Geruch von Salzwasser

      Den Klang einer Straßenbahn

      Den Klang einer Sirene

      Den Klang eines seltsamen Mannes, der betrunken auf der Straße herumgrölt

      Hier grölt niemand

      Niemand ist seltsam

      W A R U MB I NI C HH I E R

      Ich langweile mich so sehr, dass ich anfange, Wodka zu trinken

      Ich trinke Wodka gemischt mit diversen Limonaden

      Ich rauche eine Bong, die ich mir aus einer Flasche gebaut habe

      Ich ritze mir die Arme auf

      Ich bin jetzt das klassische Beispiel eines frustrierten, unterdrückten Teenagers

      Ich weine, wenn ich dicht bin

      Die ganze Zeit

      Kotze

      Und weine

      Und mache mit allen rum, die Lust haben

      Ich habe Titten bekommen

      Die sind größer als die von allen anderen

      Ich tape sie mit Klebeband flach

      Ich will ganz flach und dünn sein

      Ich will einfach richtig dünn sein, ohne ein einziges Gramm überflüssiges Fett

      Ich will, dass alles cool ist

      Ich gerate immer zwischen zwei Stühle, wenn es um Freunde geht

      Die Auswahl ist zu schlecht

      Oder ich bin zu schlecht, das schließe ich gar nicht aus

      Im Gegenteil, der Gedanke lässt mich nicht los

      Der Gedanke erfüllt mich mehr oder weniger die ganze Zeit

      Wenn ich irgendwann die Chance kriege, aus diesem Drecksloch rauszukommen, dann fackle ich das ganze Scheißdorf gleich mit ab

      Mit allen drin

      Außer Oma und Opa und meinen Cousins und Cousinen

      Also die Familie generell bleibt verschont, aber alle anderen können einfach sterben

      Ich habe keine Lust, mich auf den Kram zu Hause einzu lassen

      Mama kann mich mal

      Ihr bescheuerter neuer Freund, den sie angeschleppt hat, der mit dem hässlichen Dialekt, kann mich mal

      Mein bescheuerter Bruder, der nicht reden kann und nur gurgelt und gefüttert werden muss, kann mich mal

      Meine bescheuerte Schwester, die ihr Zimmer aufräumt und ihr ganzes Geld spart, kann mich mal

      Sie hat sicher über tausend Kronen in einem Glas

      Ich leihe mir was für Zigaretten

      Ich habe keine Lust, mich um irgendwas zu kümmern

      Mir ist tatsächlich

      Alles egal

      Auch wenn ich ständig ein schlechtes Gewissen habe, ist es offenbar nicht schlecht genug

      Ich hasse mich deshalb nur noch mehr

      Und deshalb verdränge ich das bisschen Gewissen, das noch da ist

      Was wiederum dazu führt, dass ich wieder etwas tue, das mir ein schlechtes Gewissen macht, das ich dann wieder verdränge, und so weiter und so weiter

      Ich habe eine Art Mauer gebaut

      Ich habe so was wie eine Entscheidung getroffen

      Ich habe eine Hoffnung

      Oslo ist Hoffnung

      Wenn ich nach Oslo komme, wird es mir besser gehen, und ich werde alles rauslassen, was in mir konstruktiv und gut ist

      Dann werde ich mir einen Job besorgen und meiner Schwester das Geld für die Zigaretten zurückzahlen

      Ich werde all meinen Träumen folgen Ich werde es wagen, ich selbst zu sein, werde schräg sein und wieder glücklich werden

      Bis ich es nach Oslo schaffe, bleibt erst mal alles, wie es ist

image

      Ich bin sechzehn Jahre alt

      Ich habe Mama dazu überredet, dass ich von zu Hause ausziehen und auf ein Gymnasium gehen darf

      Ich bin glücklich und frei und habe keinen Wesenskern

      Habe mir einen Sommerjob in einem Freibad besorgt

      Meine Arbeitskleidung sieht absolut lächerlich aus und ist gelb und blau, und man muss ein Baseballcap tragen

      Ich verweigere das Cap

      Der Chef sagt, entweder das Cap oder der Job

      Ich verdiene sechzig Kronen die Stunde

      Verkaufe Softeis und muss Pädos in Speedos beobachten

      Kleinen Scheißern zuhören, die ihre Mütter nerven, ob sie ein Softeis oder einen Hotdog kriegen

      Als Ausgleich für die ungerechten Arbeitsbedingungen stehle ich aus der Kasse

      Ich stehle im großen Stil

      Fühle mich wie Robin Hood

      Stecke mir Scheine in den BH und in die Schuhe

      Zu Tausenden

      Mit