Название | Ius Publicum Europaeum |
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Автор произведения | Robert Thomas |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447523 |
cc) Fortsetzungsfeststellungsklage
151
In bestimmten Konstellationen hat der Einzelne ein Interesse an einer gleichsam nachträglichen Klärung, ob die Verwaltung so hätte handeln dürfen, wie sie es getan hat, auch wenn sich die fragliche Maßnahme inzwischen erledigt hat. Für diese Konstellationen, die im Ausgangspunkt wieder den Verwaltungsakt in den Blick nehmen,[223] besteht die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (je nach Erledigungszeitpunkt – vor oder nach Klageerhebung – und ursprünglich statthafter Klageart – Anfechtungsklage oder eine andere Klageart – in direkter, analoger oder doppelt-analoger Anwendung).
dd) Allgemeine Leistungsklage
152
Anfechtungsklage und Verpflichtungsklage gehen ins Leere, wenn es gar nicht um einen Verwaltungsakt geht, sondern stattdessen ein schlichtes hoheitliches Handeln (Realakt) oder Unterlassen begehrt wird. Dafür findet sich in der VwGO keine ausdrückliche Regelung. Die Verpflichtungsklage der VwGO[224] ist eine spezielle, auf den Erlass eines Verwaltungsaktes begrenzte Leistungsklage. Die Lücke im Rechtsschutzsystem schließt die allgemeine Leistungsklage, die letztlich als ungeschriebene Klageart auf Gewohnheitsrecht beruht. Die Zulässigkeit einer solchen Rechtsfortbildung wird mit Blick auf die §§ 43 Abs. 2 Satz 1, 111, 113 Abs. 4, 169 Abs. 2 und 170 VwGO bejaht, weil in diesen Bestimmungen das Bestehen einer Leistungsklage vorausgesetzt wird.
ee) Feststellungsklage
153
Wenn es dem Bürger darum geht, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zu klären oder er die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes festgestellt wissen will, kommt die Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht. Erforderlich ist dabei ein Feststellungsinteresse, auch hier bleibt es bei der subjektiv-rechtlichen Orientierung des Rechtsschutzes.[225]
ff) Normenkontrollverfahren
154
Die Verwaltungsgerichte haben die Möglichkeit, durch die Verwaltung gesetzte Normen (Verordnungen und Satzungen) zu kontrollieren. Im am Individualrechtsschutz orientierten Rechtsschutzsystem der VwGO wirkt das Normenkontrollverfahren etwas systemfremd, weil abstrakt-generelle Normen anzugreifen zwangsläufig Rechtsschutzeffekte über den Einzelnen hinaus bewirkt, auch wenn die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO die subjektive Beschwer ähnlich konstruiert wie die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Hier lockert das Rechtsschutzsystem also die Orientierung am subjektiven Recht des Einzelnen ein wenig. Entsprechend ist es bis auf die Normen des Baurechts optional ausgestaltet und eine Aktivierung den Ländern überlassen sowie vorsorglich den OVGs[226] anvertraut.
aa) Unparteilichkeit
155
Die fast schon begrifflich mit dem Richterkonzept verbundene Unparteilichkeit sichert das deutsche Verwaltungsprozessrecht über die Regelungen zur Befangenheit (§ 42, § 43 ZPO oder § 48 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 1 VwGO). Neben den Ausschlussgründen des § 41 ZPO können eine Rolle spielen: die Beziehungen des Richters zu Personen, die am Verfahren beteiligt sind, die Beziehungen des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits, die Mitwirkung an früheren Verfahren, das Verhalten des Richters innerhalb oder außerhalb des Verfahrens sowie Meinungsäußerungen und ein politisches oder weltanschauliches Bekenntnis.[227]
bb) Angemessene Frist
156
Rechtsschutz gegen die Verwaltung muss in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen innerhalb einer angemessenen Frist gesichert sein. Dies gebietet Art. 19 Abs. 4 GG mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes sowie der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmende Justizgewährungsanspruch.[228]
157
Im Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) gebietet daneben Art. 47 GRCh auch für mitgliedstaatliche Gerichte eine zeitnahe Entscheidung. Auf Ebene der EMRK bestehen mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK menschenrechtliche Verbürgungen.
158
Die Verfahrensdauer ist in Deutschland durchaus ein Thema, aber kein zentrales Problem des Rechtsschutzes gegen die Verwaltung.[229] Seit 2011[230] wird über den Verweis in § 55 VwGO der Rechtsschutz gegen überlange Gerichtsverfahren im Verwaltungsprozessrecht durch § 198 GVG thematisiert. Diese Gesetzesänderung geht auf eine EGMR-Entscheidung zurück.[231] Im Zentrum steht hier ein Entschädigungsanspruch.
159
Soweit das Verwaltungsgericht durch angreifbare gerichtliche Prozesshandlungen wie die Aussetzung des Verfahrens oder die Anordnung des Ruhens des Verfahrens eine überlange Dauer des Gerichtsverfahrens verursacht, ist die Beschwerde nach § 146 VwGO einschlägig. Diese Rechtsschutzmöglichkeit kann als Spezialregelung gegenüber § 198 GVG gelten.[232]
160
Die tatsächliche Verfahrensdauer variiert im Übrigen je nach Land und nach Verfahrensart.[233] Die durchschnittliche Verfahrensdauer im Eilrechtsschutz in der ersten Instanz bewegt sich zwischen 0,9 (Rheinland-Pfalz) und 4,2 Monaten (Brandenburg).[234] Die durchschnittliche Verfahrensdauer verwaltungsgerichtlicher Hauptsacheverfahren in der ersten Instanz liegt zwischen 6,2 (Rheinland-Pfalz) und 25,4 Monaten (Mecklenburg-Vorpommern), im Bundesdurchschnitt bei 11,4 Monaten.[235]
cc) Verfahrensherrschaft und Beweislast
161
Im deutschen Verwaltungsprozess gilt der Grundsatz der Dispositionsbefugnis. Den Beteiligten im Verwaltungsprozess kommt danach die Verfahrensherrschaft zu. Allein Kläger bzw. Antragsteller bestimmen, ob und in welchem Umfang ein Verfahren eingeleitet werden soll. Die Beteiligten können ihrerseits ein Verfahren auf verschiedene Arten beenden, so durch übereinstimmende Erledigungserklärung, Vergleich oder Klagerücknahme. Das Gericht darf nach § 88 VwGO über Anträge nicht hinausgehen. Der Staat unterbreitet also den Verwaltungsrechtsschutz gleichsam als Angebot, wenn die Beteiligten daran kein Interesse (mehr) haben, findet eine gerichtliche Prüfung von Verwaltungshandeln nicht statt. Der Dispositionsgrundsatz prägt auch den Zivilprozess. Grundlegend anders gründet der Strafprozess in Deutschland – von Ausnahmen abgesehen – auf die Offizialmaxime. Beim Strafprozess hat es der Einzelne grundsätzlich nicht in der Hand, ob und wie lange die Gerichte tätig werden.
162
Die Frage, wer die tatsächliche Tatsachenlage aufklären und belegen muss, betrifft eine zentrale Weichenstellung. Hier unterscheidet sich der deutsche Verwaltungsprozess grundlegend vom Zivilprozess und gleicht dem Strafprozess. Es gilt nämlich nach § 86 Abs. 1 VwGO der Untersuchungs- bzw. Amtsermittlungsgrundsatz und das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen.[236] Das Gericht ist daher an Vorbringen und Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Der Untersuchungsgrundsatz hat Folgen für die Frage der Beweislast: Im Verwaltungsprozess gibt es grundsätzlich keine Behauptungs-