Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
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Die Gemeindeordnungen kennen Pflichtausschüsse[83] und freiwillige Ausschüsse.
Üblicherweise vorhanden und für die kommunale Entwicklung durchgängig von besonderem Gewicht sind der Bauausschuss, der Liegenschaftsausschuss, der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss. Je nach kommunalem Selbstverständnis wird auch ein Kulturausschuss und ein Sportausschuss oder ein Petitions- bzw Beschwerdeausschuss gebildet.
Die Existenz bestimmter Ausschüsse wird darüber hinaus durch Fachgesetze vorausgesetzt.
So besteht ein Jugendhilfeausschuss (vgl §§ 70 I, 71 SGB VIII) als – zulässigerweise: Annexregelung zu materiellen Bestimmungen über die öffentliche Fürsorge[84] – bundesrechtlich konstituiertes Kommunalorgan (vgl auch § 33 IV m.v.KVerf.), des Weiteren auf landesrechtlicher Basis Schulausschüsse (zB gem. § 110 nds.SchulG; § 85 SchulG NRW) oder Wahlprüfungsausschüsse (zB gem. § 40 I nrw.KWahlG).
Nicht zu den Ratsausschüssen gehört der Hauptausschuss in Niedersachsen, denn er ist nicht Teilorgan der kommunalen Vertretung, sondern besitzt eine eigene Organstellung (vgl §§ 74 ff NKomVG u. oben Rn 126).
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Üblicherweise haben Ausschüsse beratende Funktion, ihnen können jedoch auch durch Gesetz oder Ratsbeschluss Entscheidungsbefugnisse in bestimmten Angelegenheiten übertragen werden (vgl § 35 II 3 m.v.KVerf.; § 41 II 1 GO NRW).
Gem. § 76 III NKomVG ist die Vertretung nun auch in Nds. dazu ermächtigt, durch Bestimmung in der Hauptsatzung Beschlusszuständigkeiten des Hauptausschusses für bestimmte Gruppen von Angelegenheiten auf einen Fachausschuss nach § 71 NKomVG zu übertragen. Somit wird der in den Ausschüssen bestehende Sachverstand ausgeschöpft und der Entscheidungsablauf beschleunigt. Zudem wird die Arbeit in den Ausschüssen attraktiver gestaltet, da ein Fachausschuss neben seiner beratenden Funktion Entscheidungskompetenzen erhalten und dadurch in seiner Bedeutung aufgewertet werden soll[85]. Der Hauptverwaltungsbeamte erhält jedoch in diesem Fall ein besonderes Einspruchsrecht nach § 88 IV NKomVG, welches zur Folge hat, dass die Kompetenz zur Entscheidung an den Hauptausschuss zurückfällt.
2. Sachkundige Bürger und Einwohner, Ältestenrat
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Die Möglichkeit, zusätzlichen Sachverstand für die kommunale Ausschussarbeit zu aktivieren, bietet die Rechtsfigur des sachkundigen Bürgers (vgl § 71 VII NKomVG; § 58 III GO NRW), die allerdings in der Praxis nicht selten zu Gunsten verdienter Funktionäre oder eifriger Nachwuchskräfte parteipolitisch umfunktioniert wird, und des sachkundigen Einwohners[86] (vgl § 36 V m.v.KVerf.; § 58 IV GO NRW).
Auch für sachkundige Bürger in Ausschüssen gelten die kommunalrechtlichen Ausschließungsgründe, die zu einem Mitwirkungsverbot führen. Eine vom Rat beschlossene Satzung kann danach allein deshalb ungültig sein, weil im vorberatenden Ausschuss, dessen Beschluss eine maßgebliche „Weichenstellung“ für die Ratsentscheidung enthielt (Bsp.: Planungsausschuss bei einem Bebauungsplan), ein sachkundiger Bürger mitgestimmt hat, der einem Mitwirkungsverbot unterlag[87].
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Bei den vielfach existierenden Ältestenräten handelt es sich nicht um Ratsausschüsse, sondern um informelle Gremien zur politischen Vorklärung der Willensbildung im Rat (gesetzlich abgesichert aber in § 33a bd.wtt.GO u. § 45 sächs.GO). Keine Ratsausschüsse, sondern Verwaltungskommissionen mit lediglich beratenden Funktionen sind die auf gemeindlicher Ebene zunehmend beliebten Beiräte wie ein Ausländerbeirat sowie Heimbeiräte in Jugendzentren und Frauenhäusern.
In Ermangelung entsprechender gesetzlicher Grundlagen ist es einer Gemeinde verwehrt, solchen Beiräten eigene Kompetenzen zuzuweisen und damit neben den gesetzlich vorgesehenen Organen weitere Entscheidungsträger zu schaffen[88].
Teil I Kommunalrecht › § 4 Die innere Gemeindeverfassung › IV. Der Bürgermeister
IV. Der Bürgermeister
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Der Bürgermeister, der in kreisfreien Städten (und großen selbstständigen Städten) die Bezeichnung Oberbürgermeister führt,[89] hat in allen Grundtypen der inneren Gemeindeverfassung Leitungsfunktionen und Repräsentationsaufgaben. Demgemäß leuchtet ein, dass die Gemeindeordnungen umfängliche Vorgaben hinsichtlich seiner Wahl und Abwahl[90] sowie seiner diesbezüglichen Kompetenzen enthalten (vgl §§ 37 ff m.v.KVerf.; §§ 80 ff NKomVG; §§ 62 ff GO NRW). Notwendig sind auch Regelungen über die Stellvertretung[91].
1. Der Bürgermeister als Ratsvorsitzender
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In den meisten Ländern ist der Bürgermeister kraft Amtes Vorsitzender der Gemeindevertretung. Als Ratsvorsitzender nimmt der Bürgermeister auch die Funktion eines „Sprachrohrs“ des Rates wahr (vgl Rn 201).
Im Kommunalwahlkampf trifft ihn freilich (in Orientierung an allgemeinen demokratischen Grundsätzen) eine Neutralitätspflicht, mit der ein Anspruch der Wahlbewerber auf Chancengleichheit korrespondiert[92].
In Nds. behält das NKomVG den Vorsitz in der Vertretung hingegen einem ehrenamtlichen Mitglied vor. Nach § 61 I NKomVG stehen lediglich die „Abgeordneten“ zur Wahl für den Vertretungsvorsitz und nicht der Bürgermeister selbst.
Zu den Leitungsbefugnissen bei den Ratssitzungen gehören üblicherweise die Handhabung der Ordnung und die Ausübung des Hausrechts (vgl Art. 53 I bay.GO; § 29 I 5 m.v.KVerf.; § 51 I GO NRW)[93].
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Nicht selten (namentlich in Ferienzeiten) fallen dringliche Entscheidungen an, die eigentlich der Gemeinderat zu treffen hätte. Einige Gemeindeordnungen billigen dem Bürgermeister diesbezüglich vielfach eine spezielle Eilentscheidungskompetenz zu (vgl § 43 IV bd.wtt.GO; Art. 37 III 1 bay.GO; § 70 III hess.GO), in anderen Ländern fällt diese Eilkompetenz einem anderen Organ zu (MV, NRW und Nds.: Hauptausschuss, vgl § 35 II 4 m.v.KVerf.; § 89 NKomVG; § 60 I GO NRW), erst danach greift eine subsidiäre Zuständigkeit des Bürgermeisters (vgl § 38 IV 2 m.v.KVerf.; § 89 S. 2 NKomVG; § 60 II GO NRW).
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Strittig ist freilich, ob auch Satzungen im Wege der Dringlichkeitsentscheidung erlassen werden können[94].
Dies wird seitens des OVG NRW mit der Begründung bejaht, aus dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Norm ergebe sich, die hier in Rede stehenden Entscheidungsbefugnisse umfassten alle Angelegenheiten, die der Beschlussfassung des Rates unterlägen, also auch den Erlass von Satzungen. Allerdings bedürfe es sorgfältiger Prüfung, ob die Voraussetzungen des unbestimmten Gesetzesbegriffs „in Fällen äußerster Dringlichkeit“ in concreto wirklich gegeben gewesen seien[95].
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Der Bürgermeister hat in einigen Bundesländern gegenüber einem Ratsbeschluss ein Widerspruchs- bzw Beanstandungsrecht, wenn er der Auffassung ist, dass der Beschluss das geltende Recht verletzt (bzw in NRW