Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Mathias Schubert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schwerpunkte Pflichtfach |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811453593 |
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– | In nahezu allen Gemeindeordnungen wurden die Mitspracherechte der Bürger erweitert. Dies gilt nicht nur für die Urwahl des Bürgermeisters, sondern auch für die Einfügung zusätzlicher plebiszitärer Elemente (s. oben Rn 107) wie – den Einwohnerantrag, durch den der Rat zur Beratung und Entscheidung einer bestimmten Frage gezwungen werden kann (o. Rn 113), – Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, durch die in Gemeindeangelegenheiten an Stelle des Rates entschieden werden kann (o. Rn 108 ff), – regelmäßige Erörterungsmöglichkeiten aktueller Planungen und Vorhaben im Rahmen von Einwohnerversammlungen (o. Rn 114) und für die Ausweitung der Zuständigkeiten der Bezirksvertretungen (vgl § 37 GO NRW) und Stadtbezirksräte (§§ 90 ff NKomVG). |
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– | Die Regelungen des Kommunalwirtschaftsrechts wurden novelliert (dazu unten Rn 288 ff) und die Vorgaben des Haushaltsrechts modifiziert. So ist in fast allen Ländern die Möglichkeit eröffnet worden, kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu führen (vgl Art. 89 ff bay.GO; §§ 141 ff NKomVG; § 114a GO NRW – u. Rn 308). Auch in NRW ist die Genehmigungspflicht für die Haushaltssatzung entfallen, das Instrument des Haushaltssicherungskonzepts (vgl § 75 IV GO NRW) aber beibehalten worden. In MV und Nds. ist die Haushaltssatzung der Aufsichtsbehörde „vorzulegen“, die Teile der Haushaltssatzung, zB Kassenkredite ab einer bestimmten Höhe, genehmigen muss (vgl §§ 48 f m.v.KVerf.; §§ 114, 119 ff NKomVG). |
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– | In mehreren Ländern gestattet eine Experimentierklausel[17] (zB Art. 117a bay.GO, § 129 GO NRW) die Erprobung neuer kommunaler Steuerungsmodelle, die im Kern eine Übernahme von Unternehmensstrukturen in die Kommunalverwaltung verfolgen[18], indem sie eine Freistellung von organisations- und haushaltsrechtlichen Vorschriften ermöglichen. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt das nds. Modellkommunen-Gesetz, durch das ausgewählte nds. Kommunen von der Bindung an eine Reihe landesrechtlicher Vorschriften befreit werden, um „bürokratische Hemmnisse“ abzubauen[19]. |
3. Zum Gewicht politischer Parteien
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Es liegt auf der Hand, dass die Kompetenzverteilung auf die einzelnen Gemeindeorgane nach Maßgabe der jeweiligen Landesvorschriften nicht unbeträchtliche Divergenzen aufweist. Besondere Betonung verdient jedoch, dass bei allen Organisationsformen für die verfassungsgeforderte demokratische Legitimation der zu treffenden Entscheidung (vgl oben Rn 81) hinreichende Vorsorge getroffen ist. Hieraus ergibt sich wiederum, dass die herausragende Stellung der politischen Parteien[20] bei der politischen Willensbildung auch und gerade auf der kommunalen Ebene durchschlägt.
So kann sich aus dem in Art. 21 I, 3 I GG gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien eine Pflicht des Gesetzgebers und ein entsprechender Anspruch zu diesem Zeitpunkt am Verfassungsleben beteiligter politischer Parteien ergeben, eine die Chancengleichheit berührende Norm des Wahlrechts zu überprüfen und ggf zu ändern[21].
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Nichtsdestoweniger bieten sich hier aber auch umfängliche Mitgestaltungschancen für Bürgerinitiativen, freie Wählergruppen[22] und sonstige örtliche Vereinigungen, insbesondere infolge der unmittelbaren Wahl des Bürgermeisters und einer Erweiterung des Instrumentariums unmittelbarer Demokratie auf kommunaler Ebene (Rn 107 ff).
Teil I Kommunalrecht › § 4 Die innere Gemeindeverfassung › II. Der Rat als unmittelbar demokratisch legitimiertes Gemeindeorgan
II. Der Rat als unmittelbar demokratisch legitimiertes Gemeindeorgan
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Dem Rat kommt – wie auch immer die kommunale Organisationsstruktur im Einzelnen sein mag – schon von Verfassungs wegen nach Art. 28 I 2 GG (dazu oben Rn 75 ff) die Rolle der „zentralen Führungsinstanz der Gemeinde“ zu[23].
Dies wird in einigen Ländern in der Gemeindeordnung plakativ herausgestellt[24]. Gleichwohl kann der Rat nicht allein unter Berufung hierauf einem gleichfalls unmittelbar von den Gemeindebürgern gewählten Bürgermeister, der damit ebenfalls unmittelbar demokratisch legitimiert ist, mit der Aufgabe der Verwaltungsleitung verknüpfte zentrale Personalführungskompetenzen entziehen und auf sich verlagern[25].
Zwingende Regelungen der Gemeindeordnung über die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Gemeinderat und Bürgermeister können durch kommunale Satzung oder Geschäftsordnung des Rates nicht ausgehebelt werden[26].
1. Die Stellung der Ratsmitglieder
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Die Ratsmitglieder werden jeweils für mehrere, in der Regel für fünf Jahre[27] (Bayern: sechs Jahre) nach Maßgabe spezieller Kommunalwahlgesetze gewählt.
a) Wahl
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Übliches Wahlsystem ist das der Verhältniswahl (vgl § 4 II NKWG; § 31 KWahlG NRW)[28]. In mittlerweile zehn[29] Bundesländern hat der Wähler die Möglichkeit des Kumulierens (Stimmenhäufung auf einen Bewerber) und des Panaschierens (Verteilung von Stimmen auf Bewerber verschiedener Listen). Hierdurch wird das Element der Personenwahl viel stärker akzentuiert, als es noch vor einigen Jahren der Fall war, als mit Ausnahme der süddeutschen Länder überwiegend das System der starren Listen galt.
Gegen die Gültigkeit einer Wahl kann nach Maßgabe der Vorschriften des jeweiligen Kommunalwahlgesetzes innerhalb von zwei Wochen[30] nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses Einspruch und gegen den daraufhin von der neugewählten Vertretung zu treffenden Beschluss bzw gegen die von der Rechtsaufsichtsbehörde getroffene Entscheidung Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden (vgl Art. 51 bay.GLKrWG; § 45 II m.v.KWG; § 49 II NKWG; § 41 KWahlG NRW).
Einer solchen materiellen Präklusion (dazu bereits oben Rn 38) von Vorbringen gegen die Gültigkeit