Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium. Beate Gleitsmann

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Название Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium
Автор произведения Beate Gleitsmann
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783846355497



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wir bewertet wurden.“ „Ja, stimmt,“ meinte Nora, „hier habe ich übrigens noch ein paar Beispiele aus dem Buch.“ Sie legte ein Blatt auf den Tisch.

Thema: Auswirkungen der Globalisierung auf den Arbeitsmarkt.
Nicht objektiv: Bei der Literaturauswahl werden gezielt nur Studien ausgewählt, die zu einem persönlich gewünschten Ergebnis passen, z.B. werden ausschließlich positive Auswirkungen und Vorteile der Globalisierung beschrieben. Objektiv: Bei der Literaturauswahl werden alle Studien ausgewertet, die zum Thema durchgeführt worden sind. Alle wichtigen Vor- und Nachteile der Globalisierung werden dargestellt.
Thema: Attraktivität von Personen in der Werbung.
Nicht objektiv: Für ein Experiment werden Testimonials ausgewählt, die der Forscher optisch ansprechend findet und persönlich als attraktiv beurteilt. Objektiv: Zur Beurteilung der Attraktivität werden Kriterien festgelegt, z. B. Symmetrie von Gesichtern. Bei der Auswahl werden den Kriterien entsprechende Gesichter ausgewählt.
Thema: Effektivität von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen in Kleinstädten.
Nicht objektiv: Zu diesem Thema wird ein Interview mit einem Bürgermeister durchgeführt. Objektiv: Zu diesem Thema wird ein standardisierter Fragebogen erstellt, der einer Vielzahl von Personen vorgelegt wird. Für die Durchführung, Auswertung und Interpretation gibt es konkrete Vorgaben.

      Tab. 2: Beispiele zur Objektivität

      Nach einer kurzen Denkpause schaute Kevin alle traurig an und sagte: „Leute, das bedeutet, dass ich meine Abschlussarbeit auf gar keinen Fall meiner Freundin zum Korrekturlesen geben darf.“ „Wieso nicht?“, unterbrach ihn David. „Na ja, weil unsere persönliche Beziehung eine sehr große Rolle spielen wird. Sie wird mich nicht verletzen wollen und deshalb wahrscheinlich auch kein ehrliches Urteil abgeben, auch wenn ich Mist geschrieben habe“, antwortete Kevin.

      „Das sehe ich anders“, meinte Nora. “A friend tells you when you have dirt on your nose! So formuliert es meine englische Freundin immer, und ich finde, das stimmt. Freunde wissen, dass Du ehrliche Kritik brauchst, um eine gute Note zu bekommen. Und wir müssen uns beim wissenschaftlichen Arbeiten daran gewöhnen, einander gerecht und objektiv zu kritisieren – und auch Kritik einzustecken. Sonst können wir später auch nie in einem Team arbeiten.“ David grinste. „Irgendwie kann ich Kevin aber auch verstehen. Mir fallen da einige Leute ein, die mir nicht die Wahrheit sagen würden.“ „Okay, dann bittet solche Freunde einfach nur, auf Tipp- und Rechtschreibfehler zu achten. Für diese Korrekturen brauchen wir ja auch jemanden. Und andere, denen ihr mehr zutraut, lesen dann fachlich/sachlich Korrektur. Wir zum Beispiel gegenseitig. Aber nun wieder zurück zum eigentlichen Thema. Ich sehe, ihr habt die Objektivität verstanden. Kommen wir zum zweiten Kriterium“, meinte Nora.

      „Reliabilität lässt sich am besten mit Zuverlässigkeit umschreiben“, fuhr Nora fort. „Die Reliabilität verlangt von einer Methode, dass sie zuverlässig immer wieder zum gleichen Ergebnis führt, d. h. bei einer Wiederholung unter identischen Bedingungen muss man zu einem identischen Ergebnis gelangen“. David unterbrach Nora sofort: „Auch auf die Gefahr hin, dass ich nerve. Ich weise noch mal darauf hin, dass ich keine Experimente mache, sondern eine Literaturarbeit schreibe. Die Sache mit der Reliabilität kann ich mir dann doch sparen, oder?“ „Nein, das kannst du nicht“, antwortete Nora. „Auch bei einer Literaturarbeit müssen deine Aussagen zuverlässig und verlässlich sein, d. h. wenn jeder von uns heute Abend eine eigene Hausarbeit zu dem gleichen Thema und der gleichen Forschungsfrage mit der gleichen Methodik schreiben würden, dann müssten wir alle zu einem identischen Ergebnis kommen. Wenn das nicht gelingt, dann sind unsere Arbeiten nicht reliabel, d. h. man kann sich also auf unsere Ergebnisse nicht verlassen.“ „Hä?“, unterbrach David schon wieder. „Du spinnst! Das kann gar nicht klappen. Jeder von uns würde doch anders vorgehen. Nora würde die Literatur recherchieren, David würde eine theoretische Arbeit dazu schreiben, Annkathrin würde mit einem Onlinefragebogen die Studierenden unserer Hochschule befragen und ich mache ein paar Interviews mit den Studierenden, die ich heute Nacht auf dem Weg nach Hause zufällig auf der Straße treffe. Dann kommen wir doch niemals zum gleichen Ergebnis.“ Nora antwortete ruhig: „Das stimmt, David! Aber Du hast gerade vier unterschiedliche Methoden beschrieben. Das sind keine identischen Bedingungen. Nehmen wir an, wir würden tatsächlich in der nächsten Zeit über dieses Thema eine reine Literaturarbeit schreiben und hierzu empirische Studien auswerten, die sich mit Problemen von Studierenden bei der Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt haben. Dann müsste doch jeder von uns die wichtigen empirischen Untersuchungen, die es hierzu bisher gab, finden und in seiner Arbeit vollständig und objektiv auswerten. Dann kämen wir alle zum gleichen Zeitpunkt zum gleichen Ergebnis“, schlussfolgerte Nora.

      David fragte nach: „Und wenn ich drei sehr wichtige empirische Studien zu dem Thema einfach nicht finde – was ist dann?“ „Dann hast du methodisch nicht korrekt gearbeitet. Du musst alle wesentlichen empirischen Studien, die es zu diesem Thema zum Zeitpunkt der Abgabe der wissenschaftlichen Arbeit gibt, aufführen, sonst bist Du nicht reliabel“, schaltete sich Annkathrin ein. „Und wenn ich bewusst ein paar Studien nicht berücksichtige? Aus welchem Grund auch immer …“, fragte David weiter. „Dann bist Du nicht objektiv und damit automatisch nicht reliabel“, antwortete Nora.

      Kevin schaltete sich in die Diskussion ein: „Okay Leute, nehmen wir mal an, wir machen tatsächlich alle unabhängig voneinander eine Befragung unter Studierenden unserer Hochschule. Da wird doch jeder von uns anders fragen und wahrscheinlich auch andere Antworten erhalten, dann kommen wir auch nicht zum gleichen Ergebnis.“ „Bei Befragungen kommen häufiger Probleme mit der Zuverlässigkeit vor“, antwortete Nora. „Ort und Zeit der Befragung beeinflussen die Reliabilität. Wir müssten die Studierenden zum gleichen Zeitpunkt in einem bestimmten Semester befragen, damit wir reliabel sind. Auch die Fragen sollten standardisiert sein, damit alle Personen die gleichen Fragen gestellt bekommen, und bei der Auswertung müssen die statistischen Verfahren dafür sorgen, dass eine andere Person die erhobenen Daten auf identische Weise auswerten kann. Alle diese Informationen müssen natürlich in der wissenschaftlichen Arbeit aufgeführt sein, damit jeder nachvollziehen kann, wie wir vorgegangen sind. Das ist das Kriterium der Reliabilität.“

      Kevin dachte nun laut nach: „Ja, das leuchtet mir ein. Wenn ich jedem von Euch die Frage stelle ‚Fühlst Du dich für die Anfertigung einer Abschlussarbeit gut vorbereitet?‘, dann bekomme ich von Euch vermutlich drei völlig unterschiedliche Antworten, z. B. ‚ein bisschen‘, ‚etwas‘, ‚ganz Okay‘ oder ‚so la la‘. Damit kann bei der Auswertung niemand etwas anfangen“, stellte Kevin fest. „So ist es, denn jede Person interpretiert ‚ganz Okay‘ anders. Deshalb ist diese Vorgehensweise nicht reliabel. Das wird schon viel zuverlässiger, wenn ich die Antworten standardisiert vorgebe und das auch noch schriftlich festhalte, damit jeder die Datenerhebung, den Untersuchungsgegenstand, den Verlauf der Befragung und die Auswertung nachvollziehen und auch nachprüfen kann.“ „Genau, schaut her – ich habe mir dazu einige Beispiele herausgeschrieben“, antwortete Nora und legte währenddessen ein weiteres Blatt mit Beispielen auf den Tisch.


Thema: Erfolgsfaktoren von wissenschaftlichen Arbeiten – ein Literaturüberblick
Nicht reliabel: Reliabel: