Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

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Название Tatort Bodensee
Автор произведения Eva-Maria Bast
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994845



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Bescheid sagen!«

      Der Fahrer wirkte von der Tatsache, dass er bei einem Polizeieinsatz gerammt worden war, nicht sonderlich begeistert. Wütend schnaubte er: »Schöne Freunde und Helfer! Um ein Haar hätte es hier im Namen des Gesetzes Kleinholz gegeben! Ihr habt sie wohl nicht mehr alle!«

      Horst versuchte es weiter mit Strenge: »Machen Sie jetzt den Weg frei! Wir müssen dem Unfallverursacher folgen!« Den überraschten Blick von Protnik übersah er geflissentlich. »Also los, kommen Sie schon, sonst wird’s teuer!«

      Widerstrebend machte der Lastwagenfahrer kehrt und ging zu seinem lädierten LKW zurück. Als sie an dem Mann vorüberfuhren, warf er ihnen wütende Blicke zu. Horst sah, wie er etwas auf ein Stück Papier kritzelte, höchstwahrscheinlich ihr Autokennzeichen. Verständnisvoll wiegte er den Kopf: »Verstehen kann ich ihn! Da schleichst du nichts ahnend den Berg hoch und plötzlich kommt ein Hurrikan auf dich zugerast. Dann kracht es mittelprächtig und zwei Typen erklären dir leutselig, alles sei völlig normal, sie wären halt grade im Polizeieinsatz!«

      Protnik schaute ihn von der Seite an. »Wenn das nicht noch ein Nachspiel hat: Menschenskinder! Das wird noch gewaltigen Ärger geben!«

      Horst nickte zustimmend: »Worauf du dich verlassen kannst! Aber den Kerl, den erwischen wir – und das Kennzeichen hab ich mir auch gemerkt!«

      »Wird nicht viel nützen, der Wagen ist doch todsicher geklaut!«, brummelte Protnik skeptisch, während er nach der letzten Serpentine der Steige nun kräftig beschleunigte und mit fast hundert Sachen am Ortsschild von Leustetten vorbeirauschte. »Hoffentlich holen wir den Kerl noch ein, der hat ja schließlich ganz schön was abbekommen! Hast du ihn übrigens genauer sehen können?«

      »Viel war da nicht zu sehen. Der ist schon auf Nummer sicher gegangen. Dunkle Haare, Sonnenbrille, gestutzter Schnauzbart und dann so einen weiß-schwarz gewürfelten Arafatschall ums Kinn und um den Hals, so wie ihn diese Typen fast alle tragen, mehr war nicht zu sehen von diesem Gangster!«

      »Hab ich mir halb gedacht: der ist schließlich auch nicht blöd! Also, wie der plötzlich hinter mir hergefegt ist: alle Wetter!« Protnik durchlief ein Schauder. »Mir ist jetzt noch ganz schwummerig! Aber der muss uns abgepasst haben, hat irgendwo da oben auf uns gewartet. Das war alles eiskalt kalkuliert!«

      Auch Horst spürte, wie sich in der Erinnerung an das gerade eben Durchlebte seine Nackenhaare aufstellten. »Das glaube ich auch! Also ehrlich Protnik: Zweimal innerhalb von drei Tagen fast über den Jordan zu gehen, das haut den stärksten Bären um. Und dann noch …«

      Eine energische Handbewegung von Protnik unterbrach seine Rede. »Du guck mal, da vorn auf dem Parkplatz! Ist das nicht unser Auto?«

      Angestrengt kniff Horst die Augen zusammen und blickte in die Richtung, in die Protniks Arm deutete. Dann schlug er sich auf die Schenkel. »Bingo, Sputnik! Du hast recht! Na warte, Freund, wenn ich dich zwischen die Finger kriege!«

      Mit quietschenden Reifen hielten sie Sekunden später neben dem lädierten weißen Lieferwagen, unter dessen Motorhaube sich eine Pfütze aus auslaufendem Kühlwasser gebildet hatte. Mit einem Blick konnte man erkennen, dass der Fahrer verschwunden war. Weit und breit war keine Spur von ihm zu entdecken, nicht einmal auf den angrenzenden Äckern. »Mist, verfluchter«, hieb Protnik wütend mit der Faust auf sein Lenkrad. »Der hat entweder einen Komplizen gehabt, der hier auf ihn gewartet hat, oder aber er hat für den Fall des Falles hier ein zweites Auto abgestellt! So ein durchtriebenes Aas aber auch!«

      Leise schüttelte Horst den Kopf. »Das darf doch einfach alles nicht wahr sein! Das ist ja wie ein Albtraum! Also wenn noch einmal irgendjemand mir gegenüber behauptet, der Thomas hätte sich selbst umgebracht, dem gehe ich eigenhändig an die Gurgel! Der muss in einem ganz gewaltigen Sumpf fündig geworden sein! Und jetzt haben sie uns auf der Liste, weil sie glauben, wir hätten etwas mitgekriegt! Schön wär’s ja!« Hilflos musterte er seinen Kollegen. »Und jetzt? Was sollen wir denn jetzt tun?«

      Auch Protnik schien mit seinem Latein ziemlich am Ende zu sein. »Jetzt? Jetzt rufst du mit deinem Handy erst mal die Kollegen an und meldest ihnen den Unfall an der Steige! Du liebe Güte, das wird einen schönen Anschiss geben, wenn die Bosse davon erfahren! Und dann auch noch Unfallflucht!« Skeptisch zog er die Mundwinkel nach unten und schnalzte mit der Zunge. »Das geht nicht ohne Disziplinarverfahren ab, da verwette ich den Hühnerstall meiner Oma! Tja, Herr Kollege, ab nach Sibirien! Also komm – lass uns zum LKW zurückfahren!«

      Energisch richtete sich Horst, der gerade noch zusammengesunken im Beifahrersitz vor sich hingebrütet hatte, auf. »Nichts da! Von wegen! Okay, ich ruf an und melde das mit dem Unfall – aber aufnehmen können die ihn alleine.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr. »Wir müssen weiter! Denk an den Termin mit Winter! Nicht dass der glaubt, wir würden unsere Abmachung nicht einhalten …!«

      »Aber …«, warf Protnik protestierend dazwischen. »Wir können uns doch nicht so einfach aus dem Staub machen. Wir sind doch Zeugen und …«

      »Ist mir jetzt auch egal«, unterbrach Horst die Einwände seines Kollegen. »Der LKW-Fahrer hat sich ja unsere Nummer notiert und ich sag den Kollegen am Telefon gleich auch noch ein paar Sätze dazu. Ich muss jetzt unbedingt mit Winter sprechen!« Er donnerte seine Faust gegen die Verkleidung der Beifahrertür. »Ich muss langsam wissen, was hier für ein Spiel gespielt wird. Und irgendwie glaube ich, dass Winter der Einzige ist, der uns mehr dazu sagen kann!«

      Einerseits hatte Horst Meyer damit recht, andererseits wartete aber bereits die nächste unangenehme Überraschung auf die beiden Kommissare.

      Schon von Weitem konnten sie erkennen, dass etwas nicht stimmte. An dem normalerweise an einem Freitag um diese Uhrzeit völlig menschenleeren Aussichtsturm, wo sie sich zu ihrem Treffen mit dem Journalisten Alex Winter verabredet hatten, war die Hölle los. Der Weg zum Turm war regelrecht gepflastert mit Fahrzeugen, von deren Dächern unaufhörlich blaue Blinklichter zuckten. Ein Notarztwagen, ein Rettungswagen, zwei Polizeifahrzeuge und zwei zivile Einsatzwagen, einer davon mit FR-Kennzeichen, mehrere Männer mit Notizblöcken, die von einem aufgeregt gestikulierenden älteren Mann mit Cordhut, Latzhose und derben Schaftstiefeln in Beschlag genommen wurden, ein gelbes Absperrband aus Plastik, das zwei uniformierte Polizeibeamte gerade ausrollten.

      »Du meine Güte, bitte lass es nicht wahr sein!« Horst sah verzweifelt zu seinem Kollegen hinüber, der ihren Wagen gerade hinter dem letzten Polizeifahrzeug auf der Wiese abstellte.

      Auch Protnik war blass geworden. Ernst blickte er zu Horst Meyer. »Wenn das stimmt, was ich vermute, dann gute Nacht!«

      Sie öffneten die Türen, was Protnik bedingt durch den Zusammenprall von vorhin nur mühsam gelang, und stiegen aus. Keine zehn Schritte waren sie auf den Turm zugelaufen, als eine energische Stimme sie zum Anhalten zwang.

      »Halt, hier geht’s nicht weiter! Hier werden polizeiliche Ermittlungen angestellt. Bitte kehren Sie um!« Der Mann kam hinter einem der Zivilfahrzeuge hervor und musterte sie streng. Dann schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Nein, so was! Sie sind mir doch gleich irgendwie bekannt vorgekommen! Was machen Sie denn da?« Kopfschüttelnd blieb der Kriminalkommissar aus Konstanz, der Horst gestern Mittag im Überlinger Krankenhaus vernommen hatte, vor den beiden stehen. »Ich denke, es war klar, dass Sie sich aus den Ermittlungen heraushalten!« Er machte eine leichte Kopfbewegung zur Seite. »Herr Schlotterbeck, kommen Sie bitte mal! Wir haben Besuch bekommen, interessanten Besuch«, fügte er böse lächelnd noch hinzu.

      In diesem Augenblick tauchte der Kommissar vom Landeskriminalamt auch schon zwischen den Einsatzfahrzeugen auf. Verblüffung spiegelte sich in seiner Miene, als er erkannte, wen er da vor sich hatte. »Was um alles in der Welt machen Sie denn da?«

      »Das würde ich genauso gerne von Ihnen wissen«, murmelte Horst, der sich für die Strategie der Vorwärtsverteidigung entschieden hatte, leise. Eine kalte Faust schien ihn im Nacken gepackt zu haben und bohrte sich unaufhaltsam in sein Rückenmark. Was war da bloß geschehen? Er wagte gar nicht erst, daran zu denken!

      »Moment einmal, die Herren, ja?«,