Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

Читать онлайн.
Название Tatort Bodensee
Автор произведения Eva-Maria Bast
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994845



Скачать книгу

das nun wieder heißen?«

      »Gar nichts, mach dir bloß keine Gedanken!« Horst legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »Also, Jürgen, mach’s gut. Ich hoffe wirklich, wir sehen uns bald wieder. Vielleicht langt’s mir ja schon auf der Rückfahrt, zusammen mit Claudia mal vorbeizugucken. Oder du kommst uns endlich mal in Heilbronn besuchen, wenn du in der Nähe bist!«

      »Wenn … Aber du weißt ja, wie es immer ist«, verlegen zupfte Jürgen an seinem Bart. »Also dann: Pass auf dich auf und mach mir keinen Kummer. Tschüss, ihr zwei!« Damit schüttelte er beiden die Hand und verschwand in der Küche der Jugendherberge.

      Horst versetzte Protnik einen Klaps auf die Schulter. »Also komm, alter Junge! Jetzt packen wir den Stier bei den Hörnern!«

      Energisch und erkennbar voller Tatendrang setzten sie sich in Bewegung. Gleich heute Morgen beim Frühstück hatten sie einander entschlossen über den Rand ihrer Kaffeetassen hinweg angeblickt und beide hatten verstanden, was der andere damit sagen wollte: Sie machten weiter! Jetzt erst recht! Und wenn ganze Legionen von Polizeichefs, Landräten und Innenministern sie daran hindern wollten! Das war Horst seinem verunglückten Freund Thomas einfach schuldig, und Protnik wiederum fühlte sich Horst gegenüber selbstverständlich in der Pflicht!

      Der Tag versprach spannend zu werden!

      »Sag mal, das darf doch wohl nicht wahr sein! Spinne ich jetzt oder sehe ich schon Gespenster?« Zornig hieb Protnik mit der flachen Hand auf sein Lenkrad und blickte angestrengt in den Rückspiegel.

      »Was hast du denn? Schau lieber nach vorne, sonst landen wir noch im Straßengraben und das ist bei dem Abhang hier gar nicht lustig!« Horst war von Protniks plötzlichem Ausbruch aus seinen Gedanken gerissen worden.

      »Ja, komm, schau halt selber! Der ist plötzlich herangedonnert gekommen wie ein Gewitter! Ist das derselbe wie gestern, oder nicht?«

      Horst drehte sich nach hinten und spähte aus dem Rückfenster von Protniks Wagen. »Ach so, das meinst du! Schon wieder der weiße Lieferwagen? Wie der Depp von gestern? Na ja, könnte sein und sein Kennzeichen …« Er hob sich leicht aus dem Beifahrersitz und versuchte angestrengt, einen Blick auf das Kennzeichen des dicht hinter ihnen fahrenden weißen Autos zu werfen. »Aha – das Kennzeichen stimmt auch, eine Konstanzer Zulassung – und der Kerl fährt genauso bescheuert wie der von gestern. Achtung, Sputnik! Pass auf, der rammt dich sonst gleich!« Wie eine Rakete schoss der hinter ihnen fahrende Wagen mit aufheulendem Motor plötzlich nach vorne!

      »Sag mal, der hat sie wohl nicht mehr alle!« Protnik schrie den Satz in plötzlich aufsteigender Panik förmlich heraus.

      In diesem Moment hörten sie auch schon das Geräusch des Aufpralls; ruckartig wurden die beiden Insassen nach vorne geworfen.

      »Mensch, pass auf!« Horsts Verdacht wurde zur Ge­wiss­heit. »Mensch, der will uns von der Straße drängen! Das ist Absicht!«

      »Dreckschwein!« presste Protnik zwischen seinen vor Anspannung fest zusammengebissenen Zähnen hervor. »Der hat abgewartet, bis wir hier sind, und will uns jetzt abschießen!«

      In der Tat hätte sich der unbekannte Geisterfahrer keine bessere Passage aussuchen können als die Heiligenberger Steige, die sie gerade befuhren. Fast 200 Meter ging es da in zahlreichen engen Serpentinen von der Hochfläche hinab ins Bodensee-Hinterland. Und wenn da ein Wagen an der falschen Stelle … Horsts Gedanken wurden durch einen neuerlichen Stoß von hinten unterbrochen. »Mensch, Protnik, drück auf die Tube, sonst hat der uns wirklich bald …«

      »Mach ich doch, aber bei jeder Kurve kommt der automatisch näher, wenn ich am Abbremsen bin! Was ist denn das jetzt?«

      Angespannt blickten die beiden auf die linke Seite. Tatsächlich: Der weiße Lieferwagen setzte zum Überholen an. »Schneller, Protnik, schneller! Der will uns seitlich von der Straße boxen!« Krampfhaft stützte sich Horst am Armaturenbrett von Protniks Wagen ab. Ein Blick nach rechts verursachte eine krampfhafte Zuckung in seinem Magen: An dieser Stelle ging es fast senkrecht ins Tal hinun­ter. »Protnik, schneller!«

      »Ich fahre längst mit Vollgas!«, schrie der zurück. »Aber der andere ist einfach schneller, der hat wesentlich mehr PS als wir!« Protnik umklammerte das Lenkrad.

      In diesem Moment raste der weiße Wagen fast schon auf gleicher Höhe mit ihnen auf der Gegenfahrbahn heran, nur Zentimeter befanden sie sich noch auseinander! Wieso kam denn kein Auto die Straße heraufgefahren?! Ausgerechnet jetzt war von Gegenverkehr nichts zu sehen! »Brems mal scharf, Protnik! Auf geht’s: jetzt!!«

      Doch im selben Moment drang ein durchgehendes metallisches Kreischen an ihre Ohren, das durch Mark und Bein zu zischen schien. Der andere hatte sie touchiert und drückte nun mit seinem wesentlich größeren Gewicht und seiner überlegenen Masse Protniks kleinen Opel Astra mühelos auf den Seitenstreifen! Verbissen versuchte Prot­nik gegenzulenken, so gut er es eben in dieser Situation vermochte. Doch es half nichts: Schon rumpelten die Räder auf der rechten Seite über die Grasnarbe, Funken sprühten am Fenster der Beifahrerseite hoch. Sie hatten die Leitplanke gestreift, die mit absoluter Sicherheit nicht genügend Widerstand bieten würde, um den absehbaren Sturz den Abhang hinunter aufzuhalten.

      »Protnik!«, schrie Horst aus Leibeskräften. »Brems, Protnik!«

      Doch diese Aufforderung war gar nicht nötig. Energisch stieg Protnik bereits in die Eisen. Ein hässlich quietschendes Geräusch war die Folge! Die Räder blockierten auf der vom vorangegangenen Regenschauer noch nassen Fahrbahn! Nur ja nicht ins Schleudern geraten in dieser Situation! Heftig kurbelte er am Lenkrad! Horst schickte ein Stoßgebet zum Himmel: Hoffentlich war Protniks letzter Schleuderkurs noch nicht allzu lange her! Aber was war das?!

      Der weiße Lieferwagen schoss mit einem Mal wie ein Blitz an ihnen vorüber – der Amokfahrer musste noch mehr aufs Gas getreten sein, während Protnik nach der Vollbremsung immer noch versuchte, seinen Wagen einigermaßen kontrolliert zum Stehen zu bringen. Da entdeckte Horst den Grund für das Manöver: Endlich! Keine hundert Meter vor ihnen bewegte sich langsam ein mit Kies beladener Lastzug die Steige hinauf, und wenn der Fahrer des Lieferwagens es nicht schleunigst schaffte, auf die richtige Spur einzubiegen, dann war ein Zusammenstoß mit dem LKW nicht mehr zu vermeiden. Horst schnaufte tief durch, während es Protnik gelang, den Wagen allmählich wieder in seine Gewalt zu bringen und langsam ausrollen zu lassen.

      Atemlos beobachteten sie die Szene vor ihnen: Ein lang gezogenes tiefes Hupgeräusch des Lastzugs, dessen Fahrer gleichzeitig heftig das Fernlicht bediente, hallte ihnen entgegen, gefolgt von einem dumpfen Schlag! Der Lieferwagen war mit dem linken Kotflügel auf den LKW geprallt, die Stoßstange fegte wie von einer Orkanböe getrieben durch die Luft, während bei dem Lastzug der linke Scheinwerfer in tausend Scherben zersplitterte. Der weiße Wagen kam heftig ins Schleudern, doch irgendwie gelang es dessen Fahrer, sein Gefährt wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mit kaum verminderter Geschwindigkeit raste es anschließend weiter den Berg hinunter.

      Horst und Protnik stierten sich ungläubig an, bis Horst schließlich den Kopf schüttelte. »Was war das denn? Ich glaub es einfach nicht! Das war nie und nimmer ein Fahrfehler, das war Absicht!«

      Protnik schien nach wie vor sprachlos. Kreidebleich fixierte er das Armaturenbrett. Langsam, ganz langsam entspannte er die um das Lenkrad gekrampften Finger. »Das war knapp!«, stieß er gepresst hervor.

      Der Fahrer des Lastzuges hatte angehalten und die Warnblinkanlage eingeschaltet. Mit hochrotem Kopf kletterte er aus dem Führerhaus und besah sich den Schaden. Dann stapfte er auf das Auto der beiden zu. »Habt ihr ein Wettrennen veranstaltet oder was soll das denn eigentlich gewesen sein?«, brüllte er Protnik, der im selben Moment noch immer sichtlich benommen die Scheibe herunterkurbelte, direkt ins Gesicht.

      Das hysterische Gezeter des Lastwagenfahrers sorgte dafür, dass sich die Verkrampfung in Horst mit einem Schlag wieder löste. Er beugte seinen Oberkörper nach vorne und fingerte den Dienstausweis aus der Hosentasche. Dann stieß er Protnik an. »Da, zeig ihm das!«

      Während Protnik den Ausweis dem aufgebrachten