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du bist doch krank! Du sollst doch noch ein paar Tage zur Beobachtung hierbleiben!«

      »Ich bin topfit und kerngesund! Außerdem sterben im Bett die meisten Leute, also komm, lass uns abhauen!« Und damit schwang er sich mit einer energischen Bewegung aus dem Bett und stand – zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder – auf seinen Füßen. Im selben Moment durchlief Horst ein wellenartiges Schwindelgefühl, als ob der Boden unter seinen Füßen davonschwimmen würde. Gerade noch schaffte er es, sich mit dem Arm am Nachttisch abzustützen und sich mit der anderen Hand daran festzuklammern. Vorsichtig schielte er in Protniks Richtung hinüber. Nein, der hatte glücklicherweise nichts von seinem Schwächeanfall mitbekommen, der war voll und ganz mit dem Kleiderschrank beschäftigt, in dem er Horsts Sachen zusammensuchte. Sehr gut, dann brauchte er es dem Kollegen auch gar nicht erst auf die Nase zu binden! Das war sicher ganz normal, wenn man zwei Tage lang nur im Bett gelegen hatte, das würde schon vorübergehen. Und außerdem hatte er verdammt noch mal Urlaub und dachte nicht im Traum daran, den im Krankenhaus zu verbringen!

      »Na, das hätten wir geschafft!« Aufatmend ließ sich Protnik auf den Fahrersitz seines Wagens fallen. »Du meine Güte, da kommt man sich vor wie ein Ausbrecher aus dem Gefängnis! Und das als Polizeibeamter! Einfach unglaublich, was man mit dir so alles erlebt!« Kopfschüttelnd betrachtete er seinen Kollegen, der sichtlich angestrengt nach Luft schnappte und sich nur ganz allmählich von ihrer raschen Flucht aus dem Krankenhaus erholte.

      Schweiß rann über Horsts Stirn und einen Augenblick lang zweifelte er daran, ob sein Entschluss, dem Krankenhaus den Rücken zu kehren, tatsächlich klug gewesen war. Doch es war jetzt keine Zeit, sich gehen zu lassen! Entschlossen setzte er sich auf, reckte das Kinn in die Höhe und schaute Protnik herausfordernd an. »Also, Kollege, jetzt gilt’s! Komm, fahr los!«

      Protnik atmete tief durch, um nicht aus der Haut zu fahren. »Aber wohin denn bloß? Einfach starten und ins Blaue fahren ist ja wohl auch nicht der wahre Jakob!«

      Bevor Horst zu einer Erwiderung ansetzen konnte, klopfte es zaghaft an der Scheibe der Beifahrerseite. Überrascht sah Horst auf und blickte einem schätzungsweise 30-jährigen, mit abgewetzter Jeans und T-Shirt bekleideten dicklichen Mann in die Augen, um dessen Hals ein Fotoapparat baumelte. Dieser nickte verlegen und beschrieb anschließend mit der Linken eine eindeutige Handbewegung: Horst sollte das Fenster des Wagens herunterkurbeln.

      »Was ist denn das schon wieder?«, knurrte er ungehalten, während er der Aufforderung des Fremden Folge leistete.

      »Siehst du, jetzt haben sie uns am Wickel! Das kann ja lustig werden!« Protnik machte wieder einmal auf pessimistisch!

      »Quatsch mit Soße! Selbst wenn, ich bin schließlich mein eigener Herr und kann aus dem Krankenhaus raus, wenn ich das für richtig halte, oder?« Er streckte den Kopf aus dem Autofenster und raunzte ungnädig: »Ja, was gibt’s?«

      Verschämt senkte der Störenfried den Blick, während seine Finger nervös am Halsband des Fotoapparates herum­nestelten. »Entschuldigen Sie bitte vielmals! Aber sind Sie nicht der Polizist, der da vorgestern beim Tauchen verunglückt ist?«

      Horst glaubte, von einer Keule getroffen worden zu sein. »Verdammt! Woher wissen denn Sie das eigentlich?!«

      Ein rascher Stoß von Protnik in die Seite, gefolgt von einem warnenden Blick, doch es war schon zu spät: Ein triumphierendes Grinsen zog sich über das breite Gesicht an der Beifahrertür. »Na ja, wozu ist man denn schließlich Journalist …«

      Verfluchter Mist, auch das noch! Jetzt hatten sie ihn in ihren Klauen. Horst konnte sich die Schlagzeile am nächsten Tag schon vorstellen: »Kommissar flieht aus Krankenhaus!«, um noch die mildeste Version zu wählen. Es konnte aber auch noch schlimmer kommen: »Wahnsinnstaucher dreht durch!« oder so ähnlich.

      Einen – wenn auch verspäteten – Verschleierungsversuch wollte er aber schon noch unternehmen: »Und wie wollen Sie das herausgefunden haben?«

      Der Bursche ließ sich nicht mehr abwimmeln! Mit einer gehörigen Portion Stolz in der Stimme offenbarte er seine Vorgehensweise. »Na ja, ich habe mich schon eine ganze Zeit lang am Krankenhaus aufgehalten. Und irgendwann war ja klar, dass Sie herauskommen würden. Da waren vorher die drei Kollegen bei Ihnen: so ein Polizeifahrzeug, mit FR-Kennzeichen, mit dem Fahrer in Uniform und zwei Männern in Zivil, das fällt halt auf! Außerdem sind wir hier in Überlingen im Kreis Friedrichshafen und unsere Polizei hat auf dem Nummernschild grundsätzlich TÜ für die Landespolizeidirektion Tübingen stehen. Damit war mir schon einmal klar, dass hier Kollegen von dem verunglückten Kommissar aus Konstanz die Ermittlungen aufgenommen hatten und dass also nun Sie persönlich vernommen werden sollten. Und nachdem das Gespräch dann ja über eine Stunde gedauert hat, war mir auch klar, dass Sie wieder einigermaßen hergestellt waren!«

      Anerkennend stieß Protnik einen Pfiff aus. »Donnerwetter! Gute Kombinationsgabe! An Ihnen ist ja glatt ein Polizeibeamter verloren gegangen!«

      Ein missbilligender Blick von Horst stoppte die Lobeshymne. »Ja und – wie weiter? Woher wollen Sie denn wissen, ob ich auch wirklich ich bin?«

      Wieder lächelte der Zeitungsmann milde. »Das war dann gar nicht mehr so schwer. Ich habe ja in der Zwischenzeit herausgekriegt, dass ein Kommissar aus Ulm den Notruf abgesetzt hat, als Sie beim Tauchen verunglückt sind …«

      »Mein lieber Schwan!«, murmelte Protnik. Es war immer dasselbe mit den Zeitungsleuten. Die hatten Informationen, die ihnen nur direkt von der Polizei gesteckt worden sein konnten, aber wenn man im Kreis der lieben Kollegen herumfragte, war es natürlich nie einer gewesen! Im Gegenteil, meist erntete der Frager dann auch noch einen empörten Blick und eine beleidigte Miene.

      »Na ja«, Horst wartete gespannt auf den letzten Rest der Schlussfolgerung, »dann stand da seit ungefähr zwei Stunden auf dem Parkplatz ein Auto – das einzige übrigens – mit Ulmer Kennzeichen! Und nachdem die drei Polizeikollegen von Ihnen wieder abgefahren sind, hab ich mir halt gedacht: Wartest du noch ein Weilchen, dann wird ja vielleicht der Kommissar aus Ulm an seinen Wagen zurückkommen und mir vielleicht ein paar Fragen beantworten.« Der Super-Rechercheur lächelte verlegen. »Na ja, und dann sind Sie beide gleich zusammen herausgekommen.« Er deutete auf Horst: »Und als ich Sie gesehen habe – ein bisschen klapperig halt noch –, da hab ich kombiniert, dass Sie es sein könnten! Bingo! Nicht wahr?« Wieder zog sich ein breites Grinsen über das Vollmondgesicht des Zeitungsredakteurs.

      »Klar, dass es sich bei mir um mich selbst handeln muss!« Horst war wütend, weil er nicht die mindeste Lust verspürte, ausgerechnet jetzt noch irgendwelche Statements für die Zeitung abzugeben. »Und – was jetzt?«

      »Na ja«, der Zeitungsmann fingerte eine Visitenkarte aus seiner Gesäßtasche. »Hier ist übrigens meine Karte! Bitte schön! Jetzt hab ich mir gedacht, Sie könnten mir doch ein paar Fragen für meinen Artikel beantworten!«

      Horst nahm die Visitenkarte und warf einen mürrischen Blick darauf. »Alex Winter, freier Journalist, Seekurier« stand da zu lesen. »Aha – und dann auch noch ein Freier!«, das waren seiner Meinung nach die schlimmsten, denn die arbeiteten auf Honorarbasis. Und Honorar gab es ja bekanntlich erst, wenn der Artikel abgedruckt wurde, was natürlich nur dann geschah, wenn er dem zuständigen Redakteur an seinem Schreibtisch auch interessant genug erschien. Und deshalb unternahmen die Freien alles, um die Artikel so interessant wie möglich aussehen zu lassen! Oft genug hatte Horst zu seinem Leidwesen erfahren müssen, wie geduldig Papier doch war und mit wie viel Fantasie so mancher Schreiber eine an sich ganz und gar trockene Materie aufgepeppt hatte. Seine Begeisterung über die unerwartete Begegnung hielt sich demnach in engsten Grenzen.

      »Na ja«, der Reporter zuckte die Achseln. »Sie wissen ja, wie das heute so ist! Grade die kleinen Verlage sparen, wo sie nur können: leider vor allen Dingen an den Mitarbeitern! Und wenn sie einen als Freien beschäftigen, dann fallen für sie keine Sozialkosten an, man hat keinen Kündigungsschutz, ist also pflegeleichter, geht auf jeden Termin, selbst noch nachts um zwölf, bei Wind und Wetter, und so weiter und so weiter …« Energisch zückte er nun den Kugelschreiber, den er am Kragen seines T-Shirts festgemacht