Название | Geschichte der deutschen Entwicklungspolitik |
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Автор произведения | Michael Bohnet |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846351383 |
Wegen eines Streites über den Bundeshaushalt trat Walter ScheelScheel, Walter im Oktober 1966 gemeinsam mit den anderen FDPMinistern MendeMende, Erich (Vizekanzler und Gesamtdeutsche Fragen), BucherBucher, Ewald (Justiz) und DahlgrünDahlgrün, Rolf (Finanzen) zurück und löste damit eine Regierungskrise aus. Am 27. November 1966 einigten sich die Verhandlungskommissionen von CDU/CSU und SPD auf die Bildung einer großen Koalition.
Fazit: Walter ScheelScheel, Walter war davon überzeugt, dass die Entwicklungspolitik eine neue politische Aufgabe ist, analog der Auswärtigen, der Wirtschafts und der Finanzpolitik. Er hat diesen Standpunkt mit der auch von seinen politischen Gegnern gerühmten Lauterkeit, aber auch mit Leidenschaft gegen jeden Widerspruch verteidigt. ScheelScheel, Walter konnte sich der parlamentarischen Unterstützung sicher sein, vor allem auch der der Opposition.47 Wo immer eine neue Aufgabe zu entdecken war, ging das BMZ unter der Leitung von ScheelScheel, Walter an ihre Lösung, einem Siedler vergleichbar, der sich Stück für Stück unbestellten Bodens nutzbar macht und der gleichzeitig die sofort angemeldeten Ansprüche der starken Nachbarn abzuwehren weiß.
Scheels Entwicklungspolitik hatte einige interessante, häufig kontrovers diskutierte Elemente: Streuung der Entwicklungshilfe aufgrund der HallsteinDoktrin, Berücksichtigung außenwirtschaftlicher Interessen, Vorrang der bilateralen Hilfe, Konzentration auf Asien, die Einbindung der privaten Wirtschaft, die Initiierung der Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Gruppen, die Gründung des Deutschen Entwicklungsdienstes und des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik. ScheelScheel, Walter war jedoch nicht in der Lage, seine einzelnen konzeptionellen Elemente zu einer schlüssigen Strategie zusammenzufügen.
Eine Schwäche Scheels war, dass er die notwendigen Zeithorizonte falsch eingeschätzt hat, die für Entwicklung nötig sind. Er war viel zu optimistisch und glaubte sogar daran, dass Jahrzehnte übersprungen werden können: „Alle Maßnahmen der Ausbildung und Bildung, aber auch der Wirtschaftsentwicklung und der Strukturverbesserung dürfen nicht isoliert behandelt werden. Wir haben nicht die Zeit, die die traditionellen Industrieländer für ihre Entwicklung hatten. Wir können es uns nicht leisten, diese 70 Jahre, von denen ich in Bezug auf Nordamerika gesprochen habe, auch für die Entwicklungsländer als Ziel zu setzen. Wir müssen versuchen, einige Jahrzehnte zu überspringen.“48 Eine Fehleinschätzung, wie wir heute wissen.
Kritisch aus heutiger Sicht bleibt anzumerken, dass ScheelScheel, Walter zwei ehemalige Nationalsozialisten in leitender Stellung im BMZ beschäftigte. In den 1950er und 1960er-Jahren war dies in der öffentlichen Verwaltung nichts Außergewöhnliches. Friedrich Karl VialonVialon, Friedrich Karl war von 1962 bis Dezember 1966 Staatssekretär im BMZ. Er war 1933 der NSDAP beigetreten. Anfang Mai 1942 war er Leiter der Finanzabteilung (Vereinnahmung jüdischen Vermögens) im Reichskommissariat Ostland in Riga.49
Gustav Adolf SonnenholSonnenhol, Gustav Adolf war von 1962 bis 1968 Abteilungsleiter im BMZ. Sonnenhol trat 1931 in die NSDAP ein. 1968 bis 1971 war er Botschafter in Südafrika. Wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit lehnte Bundespräsident HeinemannHeinemann, Gustav Sonnenhols Berufung zum Staatssekretär im Außenministerium unter Walter ScheelScheel, Walter ab. Sonnenhol wurde stattdessen Botschafter in der Türkei.50
Willy BrandtBrandt, Willy hat ScheelScheel, Walter einen „Menschen mit viel Freundlichkeit“ genannt, aber sofort hinzugefügt, diese seine Freundlichkeit umschließe einen harten Kern.51 Scheels Geschick, seine Liebenswürdigkeit in Art und Umgang mit Härte und Durchsetzungswillen in der Sache zu verbinden52, kennzeichnen ihn als einen Minister, der die ersten Konturen der deutschen Entwicklungspolitik entwickelt hat. Thomas DehlerDehler, Thomas sagte über ScheelScheel, Walter: „Er hat eine Gabe, die Wahrheit so zu sagen, dass sie nicht verletzt, aber dennoch gesagt wird.“ Und Konrad AdenauerAdenauer, Konrad, nicht gerade Scheels politisches Vorbild, aber in vielerlei Hinsicht einer seiner politischen Ziehväter, ließ die Welt wissen: „De Herr ScheelScheel, Walter is ne jute Mann.“53
❋ Stimmen von Zeitzeugen: Harald HofmannHofmann, Harald, Winfried BöllBöll, Winfried, Prof. Peter MoltMolt, Peter, Dr. Martin GreiffGreiff, Martin
Harald HofmannHofmann, Harald
1961–1965 Persönlicher Referent des Ministers Walter ScheelScheel, Walter, später Ministerialdirigent und Leiter des Leitungsstabes im Auswärtigen Amt, in den Jahren 1977–1997 deutscher Botschafter in unterschiedlichen Ländern, in Kopenhagen (1977–1981), in Caracas (1981–1985), in Oslo (1985–1992), in Stockholm (1992–1997).
Aller Anfang ist schwer
Als ich im November 1961 nach Bonn kam, saßen ein paar Verwaltungsbeamte samt dem einzigen Fachmann Horst DumkeDumke, Horst in einer Baracke im Hof des Finanzministeriums, der Minister, zwei Sekretärinnen und ich im Bundeshaus in drei spartanischen Kemenaten, sog. MinisterRuheräumen. Dem standen Berge von Eingängen, auch solche mit abenteuerlichen Vorschlägen gegenüber. Der personelle Aufbau, ohne den ein Ministerium nicht existieren kann, verlief äußerst zäh. Ludwig ErhardErhard, Ludwig war strikt gegen das ganze Unternehmen, der Finanzminister meinte, neue Planstellen brauche man nicht, alle, die in anderen Ministerien Entwicklungshilfe bearbeiteten, sollten ihre Planstellen an das BMZ abgeben. Die verteidigten ihre Zuständigkeiten mit Zähnen und Klauen. Walter ScheelScheel, Walter, dem man nachsagt, er verbinde Heiterkeit mit Härte, meinte scherzhaft, angesichts der vor ihm verschanzten Divisionen des Wirtschaftsministeriums und des Auswärtigen Amtes, könne er sich nur über das Terrain bewegen, wenn er sich als Essenholer ausgäbe. Als er 1969 unter Willy BrandtBrandt, Willy Außenminister wurde, sorgte er mit dafür, dass das BMZ auch die Zuständigkeiten für die Kapitalhilfe bekam, die große Koalition hatte das nicht geschafft.
Winfried Böll (†)Böll, Winfried
Als Geschäftsführer der Carl-Duisberg-Gesellschaft wechselte er 1962 ins BMZ und war dort bis 1979 tätig, zuletzt als Abteilungsleiter.
Die freischaffenden Künstler
Im neuen Ministerium wurde ich Leiter einer Arbeitsgruppe. Im Februar 1962 wurden wir von Staatssekretär VialonVialon, Friedrich Karl zusammengerufen, der uns mitteilte, dass wir nur einen Tag Zeit hätten, den Haushaltsvoranschlag für das neue BMZ an den Finanzminister zu übersenden. Unser Problem war, dass wir im Organisationserlass des Bundeskanzlers kaum Zuständigkeiten zugewiesen bekommen hatten. Es gab aber einen Satz im Organisationerlass, der uns Hoffnung gab. Da hieß es nämlich: Für alle neuen Aufgaben der Entwicklungshilfe sei automatisch das neue Ministerium zuständig. VialonVialon, Friedrich Karl sagte dann, er bitte bis morgen um Vorlagen für neue Aufgaben. Ich habe dann in der Nacht sechs neue Aufgaben definiert:
Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben der christlichen Kirchen
Errichtung eines neuen Jugenddienstes für Entwicklungsländer (der Deutsche Entwicklungsdienst)
Entwicklungshilfe auf kulturellen Gebiet (später in Bildungshilfe umformuliert)
Entwicklungshilfe auf sozialem Gebiet (Sozialstrukturhilfe)
Weiterbildung von Fach und Führungskräften
Weiterbildung von Regierungskräften in Entwicklungsländern.
Als wir die neuen Aufgaben in Angriff nahmen und mit viel Begeisterung konzeptionell durchdachten, stießen wir bei den alten Verwaltungsbeamten, die aus