Название | Einführung Gerontopsychologie |
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Автор произведения | Ben Godde |
Жанр | Документальная литература |
Серия | PsychoMed compact |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846345672 |
Eine generelle Kritik an den genetischen Alternstheorien beruht auf Befunden, dass sich statistisch die Unterschiede in der Lebensdauer von Menschen nur zu maximal 30 % durch genetische Ursachen erklären lassen.
Es gibt genetisch bedingte Krankheiten, die zum Teil durch Symptome gekennzeichnet sind, die dem natürlichen Alterungsprozess ähnlich sind, aber schon im frühen Erwachsenenalter oder sogar der Kindheit einsetzen (z. B. Progeria; s. Kasten). Durch das Studium dieser Krankheiten hoffen Forscher, den genetischen Grundlagen des Alterns auf die Spur zu kommen.
Progeria
Progeria bezeichnet verschiedene Krankheitsbilder, wie zum Beispiel das Werner-Syndrom und das Hutchinson-Gilford-Syndrom (HGPS), bei denen ein vorzeitiges körperliches Altern zu beobachten ist. Von diesen Krankheiten betroffene Patienten sind bei Geburt noch unauffällig, zeigen aber ab der Pubertät (Werner-Syndrom) oder sogar ab dem ersten Lebensjahr (HGPS) einen bis zu zehnmal schnelleren Alterungsverlauf. Dieser äußert sich u. a. in mangelndem Wachstum, Arterienverkalkung, Verlust des Fettgewebes in der Unterhaut, Osteoporose, Haarausfall und schwacher Stimme. Während beim Werner-Symptom auch ein verstärktes Tumorwachstum zu beobachten ist, ist dies bei HGPS nicht der Fall. Auch mit dem Altern oftmals assoziierte neurodegenerative Erkrankungen treten bei HGPS nicht auf. Die Lebenserwartung liegt bei etwa 50 (Werner-Syndrom) bzw. 14 Jahren (HGPS).
Beim Werner-Syndrom handelt es sich um eine autosomalrezessiv vererbte Krankheit, bei der eine Mutation des Chromosoms 8 zu einer Verkürzung der Telomere in der DNA führt (s. Telomerhypothese), wodurch die Zellteilungsrate deutlich beschränkt wird. Eine kausale Therapie und Heilung ist nicht möglich, es können lediglich Symptome und Komplikationen – auch präventiv – behandelt werden.
HGPS beruht hingegen auf einer Spontanmutation auf einem DNA-Strang des Chromosoms 1 (autosomal-dominat), die zu Defekten in einem Protein führt, das verschiedene regulatorische Funktionen bei der DNA-Transkription hat und den Zellkern stabilisiert (Lamin A oder „Progerin“). Neuere Therapieansätze mit einem Enzym, das die Bildung von defektem Lamin A unterdrückt, scheinen in Tierversuchen vielversprechende Ergebnisse zu zeigen, sind beim Menschen aber noch in der Erprobungsphase.
Schadens- oder Schädigungstheorien
Die Schadens- oder Schädigungstheorien umfassen die genetischen und somatischen Zelltheorien und die physiologischen Systemtheorien. Dabei sehen die genetischen und somatischen Zelltheorien das biologische Altern als Folge von Schädigungen der zellulären Bausteine des Lebens. Physiologische Systemtheorien betrachten das Altern als Folge von kumulativen Störungen ganzer Körpersysteme, wie zum Beispiel des Immun-, des Hormon- oder des zentralen Nervensystems.
Alle diese Theorien gehen davon aus, dass durch Gebrauch sowie durch verschiedene innere und äußere Faktoren und Einflüsse Schäden auf molekularer, zellulärer oder systemischer Ebene hervorgerufen werden, die, wenn die vorhandenen Reparaturmechanismen nicht mehr ausreichen, zu Störungen im physiologischen Gleichgewicht und in verschiedenen Körperfunktionen führen. Die ultimative Folge dieses Prozesses ist dann der Ausfall des Gesamtsystems, also der Tod.
Zu den bedeutendsten Zelltheorien zählen die Fehler- oder Katastrophentheorie, die (Somatische) Mutationstheorie, die Theorie der freien Radikale, die Abnutzungstheorien und die Quervernetzungstheorien (Abb. 2.3).
Die Fehler- oder Katastrophentheorie besagt, dass das Altern auf einem Ungleichgewicht zwischen sich akkumulierenden DNA-Schädigungen und den vorhandenen Reparaturmechanismen beruht. Solche DNA-Schädigungen treten nach der (Somatischen) Mutationstheorie spontan auf oder können durch verschiedene Mechanismen, wie z. B. freie Radikale (s. Kasten), Strahlen oder DNA-Viren, bedingt werden. Die Anzahl der Schädigungen und Mutationen nimmt mit zunehmendem Alter zu. Wenn Schäden nicht mehr ausreichend repariert werden können, kommt es zu zellulären Dysfunktionen und in der Folge zu Altern und Seneszenz.
Nach den Abnutzungstheorien (englisch: „wear and tear theories“) wird der Körper als eine Art Maschine verstanden, die ebenso wie Letztere mit der Zeit, also mit dem Gebrauch, abgenutzt und schließlich funktionsunfähig wird. Diese Abnutzung kann auf allen Ebenen stattfinden, von der Zelle über Gewebe bis zu komplexen Organen. Als Beispiel kann das Muskel-Skelett-System dienen, das im Alter vermehrt von Arthrose betroffen ist.
Roger Bacon (1220 – 1292) war einer der ersten, die eine Art „wear-and-tear“ Theorie vorschlug. Ihm zufolge ist Altern das Ergebnis von übermäßigem Verbrauch und Abnutzung der körperlichen Reserven.
Bei den Quervernetzungstheorien (englisch: „cross-linking theories“) werden die molekularen Veränderungen an intra- und extrazellularen Makromolekülen, wie zum Beispiel Kollagen, DNA und RNA, in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Durch eine vermehrte Quervernetzung im Kollagen nimmt zum Beispiel die Elastizität von Geweben, wie zum Beispiel des Herzmuskels oder des Bindegewebes, ab (Kollagentheorie).
Auch die DNA kann durch Quervernetzungen beeinträchtigt werden, wenn hochreaktive Atome oder Moleküle, zum Beispiel freie Radikale, an die DNA-Doppelhelix binden. Normalerweise werden solche Bereiche durch die Reparaturmechanismen der Zelle herausgeschnitten und die defekte DNA bei der Zellteilung auf Grundlage des anderen Doppelhelixstranges korrigiert. Sind allerdings beide komplementären Stränge der DNA betroffen oder der Reparaturmechanismus zu langsam, können sich Quervernetzungen in Form von langen Molekülen zwischen den beiden Strängen bilden. Dadurch wird das Auslesen der genetischen Information entscheidend beeinträchtigt. Die Folge sind auch hier Schäden in Zellen und Geweben und verminderte Funktionen.
Die Theorie der freien Radikale, schließlich wurde Mitte der 1950er Jahre von Harman (1956) propagiert. Freie Radikale sind hochreaktive Substanzen, die in allen Zellen als Zwischenprodukte des Zellstoffwechsels entstehen. Sie können zum einen DNA, Fette, Proteine und andere Moleküle oxidieren und dadurch schädigen und zum anderen können sie auch weitere Radikale und verwandte Oxidantien erzeugen und so zerstörerische Kettenreaktionen in Gang setzen. Nach Behl und Moosmann (2008) gilt die Theorie der freien Radikale und des oxidativen Stresses trotz leichter Modifikationen bis heute als eine der plausibelsten Erklärungen für den biologischen Alternsprozess.
Im Körper besteht ein vielfältiges Schutzsystem gegen schädliche freie Radikale. Dazu gehören körpereigene Enzyme oder Antioxidantien wie Bilirubin. Auch mit der Nahrung aufgenommene Antioxidantien wie Betakarotin oder die Vitamine C und E können freie Radikale neutralisieren, d. h. sie zerstören die schädigenden freien Radikale. Allerdings bleiben die induzierten Schäden bestehen. Vor allem aber wird das Antioxidans selbst durch die Übertragung eines Elektrons auf das freie Radikal zu einem neuen Radikal. Gegebenenfalls kann die Wirkung dieses neuen freien Radikals schädlicher sein als die des dadurch neutralisierten. Dies ist der Grund dafür, dass hohe zugeführte Dosen von Vitamin E das Krebsrisiko erhöhen und nicht senken. Unter normalen Bedingungen sind die körpereigenen Verteidigungsmechanismen ausreichend. Wichtig: Nicht alle freien Radikale sind schädlich. Freie Radikale sind zum Beispiel Teil des Immunsystems. In Makrophagen oxidieren und töten sie Bakterien.
Physiologische Systemtheorien
Systemische Alternstheorien betrachten Altersveränderungen in größeren Funktionsbereichen wie dem neuroendokrinen System oder dem Immunsystem (zu Altersveränderungen im zentralen Nervensystem, Kapitel 5).
Die Endokrintheorie besagt, dass die biologische Uhr durch die Hormone die Geschwindigkeit des Alterns steuert. Als Beispiel wird hier häufig die Menopause bei Frauen angeführt. Weiterhin wirken Hormone auf das Wachstum, den Stoffwechsel, die Temperaturregulation und auf Entzündungs-