Am laufenden Band. Joseph Ponthus

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Название Am laufenden Band
Автор произведения Joseph Ponthus
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783751800518



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      Um weiterzumachen

      Ich muss weitermachen

      Tofu abtropfen

      Von Zeit zu Zeit

      Zum Müll fahren

      Morgens um ein Uhr zehn ist Pause

      Sie dauert bis ein Uhr vierzig

      Ich weiß nicht ob eine Pause nach über sechs Stunden Arbeit legal ist

      Aber ich scheiß drauf

      Noch drei Stunden Tofu abtropfen

      Kippe

      Kaffee

      Kippe

      Snickers

      Kippe

      SMS von meiner Frau die um dreiundzwanzig Uhr an mich gedacht

      hat

      Ich lächele

      Wenn sie wüsste

      Aber die Zeit ist um

      Ein letzter Kippenzug zum Zeichen des Widerstands

      Haste gesehen Fabrik haste gesehen Tofu meine letzte Kippe kriegste

      nicht

      Schön wärs

      Ich drück sie schnell aus

      Schnell zur Umkleide

      Kittel

      Stechuhr

      Weiter gehts

      Ich tropfe Tofu ab

      Noch drei Stunden

      Nur noch drei Stunden

      Ich muss weitermachen

      Ich tropfe Tofu ab

      Ich werde weitermachen

      Die Nacht hört nicht auf

      Ich tropfe Tofu ab

      Die Nacht hört nicht mehr auf

      Ich tropfe Tofu ab

      Ich tropfe Tofu ab

       13.

      Ich habs satt aber in der Fabrik sagt man nichts

      Es ist Wochenende

      Ich kann nicht schlafen

      Um diese Uhrzeit müsste ich am Band stehen

      Noch zwei Stunden arbeiten

      Noch zwei Stunden malochen

      In der Fabrik

      Am laufenden Band

      Es ist Wochenende

      Zeit die Arbeitskraft zu regenerieren

      Also

      Ausruhen

      Schlafen

      Leben

      Und zwar nicht in der Fabrik

      Aber sie frisst mich auf

      Die Schlampe

      Zu Hause habe ich draußen beim Rauchen

      Die gleichen Reflexe wie in der Pause

      Schnell ziehen und an der Kippe eine Kippe anzünden

      Übermorgen muss ich zurück in die Fabrik

      Doch mir kommts vor als wärs schon

      Morgen

      Schon den Schlafrhythmus anpassen

      Den Lebensrhythmus

      Den die Fabrik diktiert

      Ich muss zurück

      Ich muss schlafen

      Ich muss

      Ich habe die Fabrik so satt

      Den Scheißrhythmus

      Das sinnlose Tun jede Nacht

      Nichts sagen

      Schreiben

      Die Muskeln tun weh

      Die Pause tut weh die ich jetzt haben müsste aber nicht habe

      Während ich zu Hause meine Kippe rauche

      Bin ich immer noch in der Fabrik

      Wer könnte mich morgen oder übermorgen mit dem Auto

      mitnehmen

      Arbeite ich nachts verlier ich die Lust am Tag

      Das ist hart

      Nimmt mich niemand mit habe ich keinen Job mehr

      Das wäre das Ende

      Das wäre scheiße

      Muss ich wohl mit den Kollegen regeln

      Doch dafür müsste man mal sprechen

      Trotz der Ohrstöpsel hämmern die Maschinen in der Pause weiter auf

      unser Schweigen ein

      Warum was sagen und was überhaupt

      Dass man es satt hat

      Dass man am Wochenende kaum schläft

      Aber so tut

      Als ob

      Alles gut läuft

      Man einen Job hat

      Auch wenns ein Scheißjob ist

      Auch wenn man sich nicht ausruht

      Verdient man was

      Die Fabrik wird uns fressen

      Frisst uns jetzt schon

      Doch keiner sagt was

      Denn in der Fabrik

      Ists wie bei Brel

      »Keiner sagt was

      mein Herr

      Keiner sagt was«

       14.

      Die sollte man mal sehen

      Unsere kaputten Gesichter

      In der Pause

      Die verhärteten Züge

      Die verlorenen Blicke im Zigarettenrauch

      Unsere entstellten Gesichter

      Wie die der Gueules cassées im Ersten Weltkrieg

      Wir

      Das Fußvolk der Fabrik

      Oder besser

      Söldner

      Nicht junge Rekruten der Marie-Louise-Armee

      Sondern

      Halbwegs Freiwillige in einem Krieg gegen die Maschine

      Der schon im Voraus verloren ist

      Klar

      Aber zumindest einen Monatssold einbringt

      Warten auf die Rückkehr an die Front

      Die Pause

      Diese verdammte Pause

      Seit Schichtbeginn erhofft erträumt erwartet

      Und auch wenn sie so oder so zu kurz sein wird

      Kommt sie zu früh

      Noch Stunden schuften

      Kommt sie zu spät

      Nicht mehr können nicht mehr können