Название | Kate Glory Lie |
---|---|
Автор произведения | Stefan Scheufelen |
Жанр | Языкознание |
Серия | Debütromane in der FVA |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783627022778 |
»Es ist bloß der Hofnarr. Bitte entschuldigen Sie, Gebieterin. Ich war bis jetzt noch völlig benommen in meinem Dornröschenschlaf. Lange habe ich gewartet, doch der Prinz ist nicht erschienen. Traurig über sein Nichterscheinen, musste ich mich ein paar Mal übergeben. Die Pflanzen des Nachbarn unter uns sind leider nicht verschont geblieben.«
»Was?! Du hast auf die Pflanzen gekotzt?«
»Ja, scheiße. Sorry.«
»Mein hübscher kleiner Fabio. Du weißt, dass wir seit einer geraumen Zeit kein gutes Karma sammeln?«
Er nickt betroffen mit dem Kopf.
»Ja, ich weiß. Aber komm schon. Das ist noch harmlos. Kibum hat mir gebeichtet, dass ihr den toten Hund von Cesar auf die Straße geworfen habt. Wie konntet ihr den erschießen? Das war ein Zwergdackel.«
Er bekommt sich nicht mehr ein vor Lachen. Ich finde das Ganze auf einmal auch unglaublich komisch und lache mit.
»Wir sollten einfach mit diesem ganzen Karma-Denken aufhören. Das bringt doch eh nichts, das kommt aus Indien und wir sind keine Inder.«
»Anjali schon.«
»Anjali, spinnst du! Die ist ja noch schlimmer als wir. Ich glaub, die hat jegliche Moral beerdigt, als sie nach Berlin gezogen ist.«
»Das stimmt.«
Wir schauen beide an die Decke und sagen verträumt: »Anjali.«
»Die ist schon hart unterwegs.«
»Oh ja. Aber auch eine brillante Tänzerin.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Das letzte Mal hat sie für ein Theater von Lorenzo einen arabischen Bauchtanz hingelegt. Ja genau, das war das Märchen von Tausendundeiner Nacht. Wow! Und dann auch noch die Nummer mit dem brennenden Hula-Hoop-Reifen. Starke Frau.«
»Ja. Eine Klasse für sich. Jetzt aber Themawechsel: Hat Odette schon mit dir gesprochen?«
Ich antworte: »Sie hat etwas erwähnt. Mehr aber auch nicht.«
»Pass auf. Es handelt sich um ein ziemlich heißes Ding.«
Meine Augen werden groß. Ich reibe mir die Hände.
»Schön. Schieß los!«
»Also, du hast ja auch gestern diese Pille geschluckt, nicht? Odette nennt sie Monde de l’amour.«
»Ja, die ist unglaublich.«
»Ich weiß.«
Wir kreischen wie zwei Mädchen und springen in die Luft. Wir beruhigen uns wieder.
»Also. Auf jeden Fall ist das ihr neues Ding. Ihre ›nouvelle création‹, wie sie immer sagt. Ich kann mich echt an Französisch gewöhnen. Schöne Sprache. Ja, ihre neue Pille also. Gerade findet hier in Berlin die Promo statt. Sie geht in die Clubs, und du weißt, the love train is always a big deal. Die Pille wird gut angenommen und gewinnt Fans. Die Zusammensetzung ist gelungen und die Wirkung fantastisch. Du hast es selbst erlebt. Bevor jetzt aber irgendwelche Hobbychemiker diese Pille kopieren und den Gewinn einheimsen, müssen wir handeln. Die muss nach Amerika, Kate. Dort ist ein Typ, der mit Odette zusammenarbeitet. Sie möchte, dass ihm jemand die Pille bringt.«
Meine Augen beginnen zu glitzern. Ich kann das natürlich nicht sehen, aber ich stelle es mir so vor.
»Erinnerst du dich, dass mir Leute vom Olivia Black Theatre geschrieben hatten?«
»Äh, ja.«
Eigentlich nicht.
»Ich hatte denen gesagt, dass du keine Zeit für eine Tour hättest, weil du hier in irgendwelchen Projekten eingespannt wärst. Was war das noch mal? Ach ja! Das war dein Cinderella-Theater.«
»Ach wie schrecklich. Ich erinnere mich. Was für ein Desaster. Eine Cinderella, fast zwei Meter groß, mit Schuhgröße 47. 47 ist Übergröße. Cinderella mit Übergröße! Ich hab mich eher wie Godzilla gefühlt. Da kommt also der Prinz und will mir den Schuh anziehen, dabei ist der größer als sein eigener. Stell dir das vor. Wie rot ich in dem Moment geworden bin. Du glaubst es nicht.«
Er beginnt herzhaft zu lachen. Ich schüttele den Kopf und zünde mir eine weitere Slim an.
»Ich glaube, die von der Theaterleitung haben nicht umsonst eine Drag Queen als Cinderella ausgesucht.«
»Was willst du jetzt damit sagen?!«
»Ach nichts.«
Draußen ist immer noch nichts los. Ich zucke mit den Schultern.
»Für mich warst du auf jeden Fall die schönste Cinderella, die ich je gesehen habe.«
Ich schmunzle verlegen und werfe ihm einen Luftkuss zu.
»Also zurück zum Thema: Ich hab deren Newsletter abonniert und für den Sommer ist dort etwas geplant mit Drags. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Irgendetwas ziemlich Glamouröses, du weißt schon, typisches Programm eben. Auf jeden Fall habe ich mir gedacht, du trittst dort auf. Ich organisiere wie immer alles, Reise, Unterkunft, bla, bla, und du bringst so gleich noch diese hübsche Monde de l’amour in die Staaten. Wir kassieren das Geld von dem Auftritt und von der Drogenübergabe. Ich denke, da kommt einiges rum. Olivia Black ist Broadway.«
Asche fällt auf den Boden.
»Ich verstehe nicht ganz, warum die Pille extra dorthin gebracht werden muss? Man kann dem Typen doch einfach die Anleitung für die Herstellung schicken und dann ist das alles gegessen.«
»Kate. Willst du mich verarschen? Was glaubst du, sind das für Leute, mit denen Odette arbeitet? Familienväter? Altenpfleger? Kate, denk doch mal nach! Das sind Leute, die das Zeug im großen Stil verkaufen. Von der Ostküste bis zur Westküste und hoch nach Kanada!«
»Ja, ja. Du brauchst mich ja nicht gleich so anzuschreien. Come down. Du bist immer so grantig, nachdem du Drogen genommen hast.«
»Grantig! Wo hast du das Wort jetzt her?«
»Von Simon. Der kommt aus Bayern.«
Er lässt das Gesicht in die Hände fallen. So genervt hab ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Sebastião sollte ihm mal wieder ein bisschen LSD unterjubeln.
»Kate, das sind kriminelle Leute.«
»Na toll! Jetzt schickst du mich also in die Arme von Kriminellen!«
»Du umgibst dich doch ständig mit solchen Leuten!«
»Ich bin eine Frau!«
»Du bist fast zwei Meter groß!«
»Na und!«
Sebastião tritt völlig aufgelöst in das Zimmer.
»Könnt ihr mal bitte nicht so rumschreien.«
Sein Gesicht ist total bleich. Er rennt wieder raus und übergibt sich im Flur. Fabio und ich schauen uns an.
»Also. Weil sie kriminell sind, heißt das, dass sie kein Facebook haben und keine E-Mails schreiben können? Versteh ich das richtig?«
»Nein! Du Doofbacke.«
Ich verziehe beleidigt das Gesicht.
»Es braucht eine persönliche Geldübergabe.«
»Schon mal was von Online-Banking gehört?«
»Jetzt stell dich nicht so dumm an, Online-Banking? Als Dealer?! Außerdem sind die von der alten Schule. Also, wie sieht’s jetzt aus?«
Ich verdrehe die Augen.
»Ja, ja. Ist okay. Ich mach’s. Du kannst ein ganz schöner Choleriker sein. Und buch mir bitte ein anständiges Hotel, mit Swimmingpool, Sauna, Solarium, einem großen Spiegel im Zimmer, einem Friseur fußläufig entfernt, weichen Handtüchern – und nicht das Zimmer Nr. 13.«
Fabio