Kate Glory Lie. Stefan Scheufelen

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Название Kate Glory Lie
Автор произведения Stefan Scheufelen
Жанр Языкознание
Серия Debütromane in der FVA
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783627022778



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Land der Träume

      Etwas kitzelt an meiner Nase. Kratze mich. Es kitzelt wieder. Schlage um mich. Es kitzelt wieder. Ich werde wütend und reiße die Augen auf.

      »Sebastião!«

      Eine Luftschlange schießt mir ins Gesicht.

      »Happy Birthday!«

      Bin noch völlig neben mir. Er drückt mich.

      »Was ist hier los?«

      »Na, du hast Geburtstag! Wir warten schon alle in der Küche.«

      Ich nehme mein Handy und schaue auf den Bildschirm. Der vierzehnte. Scheiße. Er hat recht. Mein Geburtstag.

      »Gib mir ’ne Minute. Ich komm gleich.«

      »Okay. Aber aufstehen. Du legst dich nicht noch mal hin.«

      »Ja, ja.«

      Er verlässt das Zimmer. Ich richte mich langsam auf. Verdammt. Das hatte ich total vergessen. Irgendwann will man einfach nicht mehr älter werden. Ich hoffe, sie wissen, dass ich siebenunddreißig werde, so wie in den letzten fünf Jahren. Wenn nicht, kann ich ganz schön ungemütlich werden. Schaue mir auf die Nägel. Die sollte ich mal wieder machen.

      »Also. Dann wollen wir.«

      Oh! Ich hab noch die ganzen Scheine auf mir liegen. Muss wohl beim Zählen eingeschlafen sein. Um ehrlich zu sein, kann ich gar nicht mehr anders. Die einzige Methode, um einzuschlafen: das Zählen von Geld. Und dazu muss es viel sein. Damit ich länger zählen kann. Ein Schein nach dem anderen. Und am besten hohe Summen.

      Singe: »Meine lila Scheine, wie gern ich euch doch zähl und weiß, ihr seid meine.«

      Stehe auf und setze mich an meinen Schminktisch. Ich muss noch das perfekte Kleid aussuchen.

      … eineinhalb Stunden später:

      Vor meiner Tür herrscht bereits Lärm. Der Nachbar unter uns wird sauer und schlägt mit einem Besen gegen die Decke. Das leider direkt unter meinem Zimmer. Wie ich ihn hasse. Gehe in die Küche. Eine Menschenschar springt mir entgegen. Ich hab kaum Zeit, die einzelnen Gesichter zu erkennen. Tausend Happy-Birthday-Glückwünsche. Ich bin kurz davor, mich zu übergeben. Da ist Odette. Eine der toughsten Frauen, die ich kenne. Sie wirft sich mir elegant um den Hals und beißt mir ins Ohrläppchen.

      »Bon anniversaire, mon coeur.«

      Ich bekomme Gänsehaut. Diese Frau. Ich würde für sie töten. Sie küsst mich und schiebt mir mit ihrer Zunge eine Pille in den Mund.

      »Ma nouvelle création.«

      Ich schlucke sie runter. Sie schaut mich mit ihren hellbraunen Augen an. Wie ich mich immer darin verliere. Sie zwinkert mir noch einmal zu, dann wird sie von den anderen weggedrängt, die mir gratulieren wollen. Eigentlich könnte ich die Party auch nur mit ihr feiern. Wir beide, für uns allein. Das wäre schön. Sebastião lässt den Korken knallen. Alle in der Küche jubeln und singen für mich. Ich werde rot. Obwohl ich ständig im Mittelpunkt stehe, werde ich bei so einem Geburtstag immer ein wenig verlegen. Merkwürdig. Lache die Leute an, obwohl ich das eigentlich gar nicht lustig finde. Doch das lernt man bei meinem Job. Sie sind fertig. Jetzt kommt der Alkohol. Darauf hab ich gewartet. Endlich! Erst das Glas, dann der Inhalt. Wir stoßen an. Die Aufmerksamkeit liegt auf mir. Ich richte meinen Blick auf Odette. Sie sieht mir an, wie ich zu dem Ganzen stehe.

      »Auf Kate!«

      »Auf Kate!«

      »Happy Birthday!«

      Wir trinken. Das tut gut. Schaue mich um. Auf dem Küchentisch wird bereits um die Wette gezogen. Und am Fenster werden die ersten Zigaretten angezündet. Fabio dreht die Musik auf. Sebastião öffnet seine Lieblingsbox, in der sich unzählige Kostüme befinden, und streift jedem eins über. Jetzt sieht das alles schon etwas bunter aus. Maskenball. Tierköpfe. Glamour. So muss das sein. Odette gibt mir einen Kuss auf die Wange und zieht an mir vorbei. Fabio lächelt mich an und hängt mir Goldgirlanden um den Hals.

      »Vorsicht mit den Haaren.«

      »Ich weiß. Ich wohne seit drei Jahren mit dir zusammen.«

      »Na dann ist ja gut.«

      Er küsst mich.

      »Alles Gute, Schatzi.«

      Lächle ihn an.

      »Danke.«

      Er schmückt den Nächsten. Schnappe mir eine Kippe aus meinem Täschchen und lehne mich ans Fenster. Zünde sie an und blase den Rauch nach draußen. Plötzlich taucht jemand auf, den ich nicht kenne. Müder Smalltalk. Die Zeit vergeht. Spreche mit allen möglichen Leuten. Immer ein anderes Gesicht, doch die gleiche Geschichte. Versuche, das Lächeln nicht zu verlieren. Sebastião schießt mit einer Konfettikanone in die Luft. Der Inhalt verteilt sich in der ganzen Küche. Ich bin mir sicher, es verfängt sich auch was in meinen Haaren.

      Er ruft: »Auf das Leben und die Nacht!«

      Wir heben das Glas. Die Pille beginnt zu wirken. Mein Körper wird unglaublich weich. Fühle mich plötzlich fünfzehn Jahre jünger. Jetzt sind mir auch meine Partygäste sympathischer. Kippe den Sekt runter. Dann einen Schnaps und noch einen Schnaps, danach ein Glas Sekt und, als kleine Pause, ein Glas Wasser. Alle drehen durch. Die Musik wird lauter. Die Leute tanzen. Auf den Tischen, auf den Stühlen, miteinander, alleine, nackt oder mit einem Tierkopf. Wir haben Spaß. Es läuft »Kiss« von Prince. Fabio, Sebastião und ich tanzen im Kreis. Sie werfen sich aufeinander und küssen sich. Wie süß die beiden doch sind. Da sehe ich die Zunge. Drück den beiden noch meinen Lippenstift auf die Wangen und drehe mich um. Simon steht vor mir. Er starrt mir tief in die Augen. Man sieht ihm an, dass er mal wieder sturzbesoffen ist. Das ist der Moment, in dem er es immer bei mir probiert. Ich frage mich, warum die Jungs ihn eigentlich immer einladen. Na ja, er sieht gut aus. Das reicht vielleicht ja schon. Er legt seine Hände um meine Hüfte. Vermutlich sieht das Ganze ziemlich lustig aus, weil er einen Kopf kleiner ist als ich und nach oben schauen muss. Ich könnte ihm auf den Kopf spucken. Soll ich das machen? Er versucht, mich zu küssen. Ich schubse ihn weg. Er stürzt auf das Sofa und bleibt regungslos liegen. Ist das ein Waschlappen. Pah! Brauch erst mal eine Kippe. Gehe in die Küche und werde von Odette abgefangen.

      »Wohin gehst du?«

      Mann, wie heiß sie ist. Wie sie mich anschaut.

      »Ich wollte in die Küche, eine rauchen.«

      Sie packt meine Hand und zieht mich in mein Zimmer.

      »Wie fühlst du dich?«

      Wie fühle ich mich eigentlich? Gute Frage.

      »Alles ist weich. Mein Körper ist entspannt, und ich bin total horny.«

      »Bienvenue dans le monde de l’amour.«

      »Ich hatte mich schon gefragt, wo du bist.«

      »Here I am, baby.«

      Sie wirft mich auf mein Bett. Gleitet über meinen Körper. Küsst mich. Erst die Lippen. Dann die Zunge. Ziemlich schnell sind wir nackt. Wir haben Sex. Wir können einfach nicht die Finger voneinander lassen. Und das Gute an der Pille ist, man fühlt sich die ganze Zeit wie kurz vor dem Höhepunkt. Es ist unglaublich. Die Tür geht auf. Uns interessiert das nicht. Simon steht plötzlich neben uns und faselt irgendetwas mit Entschuldigung. Er landet nackt im Bett. Wir vögeln gemeinsam. Die ganze Nacht und den Morgen. Langsam lässt die Wirkung nach. Ich merke, wie kaputt ich bin. Suche mir eine kleine Ecke in meinem Bett, die noch frei ist, und schlafe ein.

      Halbschlaf

      Ein Handy klingelt. Scheiße! Beim Versuch, meinen Oberkörper aufzurichten, stürze ich vom Bett. Es knallt und bebt.

      »Autsch!«

      Ich habe mir den Kopf angeschlagen. Stehe auf. Ich kann meine Augen kaum öffnen. Reibe mir durchs Gesicht und sehe vor mir diesen Knäuel an Menschen. Arme. Beine. Gesichter. Haare. Wundervoll. Ich mache mich daran, sie zu zählen, und