Название | Der Bauernknecht und andere Geschichten |
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Автор произведения | Hans Ernst |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783475548918 |
Ich stellte mir unter einem Dichter einen Mann vor, der etwas dichtet, eine Wasserleitung oder so etwas. Was hat so ein Knirps schon für Berufsvorstellungen? Die Frau des Dichters sagte bei der Vorstellung, dass man als Dichter berufen sein müsse und begnadet zugleich. Zu meiner Mutter sagte sie auch noch: »Aber kräftig sind Sie auch nicht gerade, Frau Ernst. Bei uns muss nämlich eine Zugehfrau auch Holz und Kohlen aus dem Keller in den dritten Stock herauftragen.«
Meine Mutter traute sich das ohne Weiteres zu, obwohl das bei uns daheim immer der Vater machte. Aber ich wollte der Mutter helfen, soweit meine kindlichen Kräfte reichten. Dabei war die Frau des Dichters jung und stark. Aber sie muss immer sehr müd gewesen sein, denn sie lag viel auf einem Sofa und rauchte dauernd Zigaretten in einer langen Spitze. Dabei erzählte sie so nebenbei von ihrem Mann, den sie des Öfteren zu inspirieren habe. Er dichte oft, dass ihm der Kopf rauche, und dann lege sie ihm immer ein nasses Tuch um die Stirne. Dabei trage ihr Waldemar sie aber auch auf Händen. Ich dachte mir, wenn er sie einmal fallen lässt, dann ist sie hin.
Der Dichter selber war ein langer, dürrer Mann, ganz sicher doppelt so alt wie sein »Blümchen«, denn er hatte kaum mehr Haare, nur um die Ohren herum so einen grauen Kranz.
Sie schleckte auch immer viele Pralinen und las immer Bücher von der Courths-Mahler. Anscheinend gefielen ihr die besser als die Produkte ihres Mannes. Manchmal, wenn ich sie recht treuherzig anschaute, wurde sie gnädig und sagte: »Da, Knäblein, hast du auch eine Praline. Iss sie aber mit Verstand!« Knäblein, sagte sie zu mir, nicht Bubi.
Sie war so gottbegnadet faul, dass sie mitten unterm Pralinenknabbern ihren Mann aus seinem Dichtertempel rufen konnte.
»Ach, Waldemar, ich liege so schlecht. Kannst du mir nicht die Kissen richten?« Dazu hätte sie nicht ihren Waldemar gebraucht. Das hätte ich auch tun können.
Der Waldemar kam dann, sagte Blümchen zu ihr und richtete die Kissen. Dann sagte sie: »Ich danke dir, mein Schätzchen. Hoffentlich hast du jetzt den Faden nicht verloren.«
Ich dachte, wie kann man denn einen Faden verlieren, wenn man einer faulen Frau die Kissen unter den blonden Lockenkopf schiebt? Wozu braucht denn ein Dichter überhaupt einen Faden?
Der Blondschopf sagte, dass man das Dichten nicht erlernen kann. Dazu bedürfe es wirklich der Begnadung. Wenn die Begnadung über ihn kam, dann musste es in der Wohnung ganz still sein. Aber am Tag wurde er nur so zwischenhinein einmal für kurze Augenblicke begnadet, meistens in der Nacht, sagte seine Frau, so bis gegen drei Uhr in der Früh'. Und sie liege dann im Bett und warte auf ihn, bis ihn die Begnadung verlassen habe. Dann komme er ganz erschöpft zu ihr, und sie müsse ihm dann mit ganz zarten Fingern über die Dichterstirne streicheln. Und sie sprächen dann von einem neuen Stoff, den er verarbeiten müsse.
Das alles erzählte der Blondschopf meiner Mutter. Die erzählte es wieder meinem Vater. Und der sagte dann:
»Ja, ja, unser Herrgott hat an großen Tiergarten. Und überhaupt, um drei Uhr in der Früh', da möcht' i schlafen.«
Aber sonst war es ganz nett in dem Poetenhaushalt. Bloß schade, dass keine Kinder da waren, mit denen ich hätte spielen können wie mit der Mausi. Aber der Blondschopf meinte, Kinder verderben bei einer Frau bloß die Figur, und sie habe ja ihren Waldemar zu bemuttern. Einmal sagte meine Mutter, dass der tiefere Sinn einer Ehe doch Kinder wären. Was solle denn aus einem Volk werden, wenn es keine Kinder mehr gäbe? Das wisse sie nun allerdings nicht, meinte die Dichtersfrau. Im Übrigen erzeuge ihr Waldemar dauernd Kinder. Geistige Kinder halt. Und es sei eben die Frage, was wertbeständiger sei. Darüber könne ihr wohl die Putzfrau auch keine Auskunft geben.
Firmungszeit
Jedes Jahr, wenn die Zeit der Firmungen naht, denke ich gern zurück an meine eigene Firmung. Damals war man noch sehr bescheiden. Wenn wirklich eine silberne Uhr drin war, dann war das schon großartig. Das mindeste, was heute von einem Firmpaten verlangt wird, ist, dass er ein Auto hat, einen großen, schweren Wagen, mit dem man nach der heiligen Handlung möglichst an den Königsee fahren kann oder nach Salzburg. Dass der Firmling heute eine Armbanduhr, Automatik mit Datumsangabe, oder ein Fahrrad als Firmgeschenk erwartet, ist beinahe genauso selbstverständlich. Mein letzter Firmling – im Ganzen hatte ich sechs – fragte mich gleich, ob nicht ein Moped als Geschenk herausschaue. Ich kaufte ihm, wie den andern, eine Uhr und schenkte ihm noch eine eingerahmte Karte dazu, wo ein Moped drauf war.
Zu meiner Zeit war man noch bescheidener, und es war gar nicht so selbstverständlich, dass man eine Uhr bekam oder einen guten Tag. Man saß gewissermaßen auf Kohlen während der ganzen Firmung, ob man nach dem Backenstreich des Bischofs eine Uhr bekäme oder nicht.
Mein Firmpate war ein Baugeschäftsinhaber und Maurermeister in Sendling. Zu ihm musste ich also, als es so weit war, nach altem Brauch zum Firmbitten gehn. (Mein letzter Firmling fragte telefonisch an, ob ich Lust hätte, bei ihm den Firmpaten zu machen.)
Klopfenden Herzens stieg ich damals zum zweiten Stockwerk hinauf. Als ich an der Wohnungstür läutete, öffnete mir seine Tochter. So klein ich noch war, das erkannte ich aber doch, dass sie eine Schönheit war, blond und blauäugig, mit netten Rundungen überall. Wie ein Barockengel sah sie aus. Bloß Flügel hatte sie keine. Aber sonst? Mein lieber Schwan.
Ihr Papa sei nicht zu Hause, sagte sie. Er sei vorne in der Eckwirtschaft bei seinem abendlichen Tarock.
Mit klopfendem Herzen ging ich also in die Wirtschaft. Am Ofentisch sah ich drei Männer sitzen, und ich fragte die Kellnerin, welcher von den dreien der Herr Baumeister sei.
»Der Dicke dort«, antwortete sie und deutete mit dem Kinn zum Ofentisch hin. »Magst was trinken?«
Ich schüttelte den Kopf. Freilich hätte ich gerne ein Kracherl gehabt, aber ich hatte kein Geld. Auf dem ganzen Weg hatte ich mir immer vorgesagt, was ich sagen müsste, aber jetzt fand ich lange nicht den Mut, mich dem Ofentisch zu nähern. Endlich ging ich doch hin und bat:
»Herr Baumeister, ich tät' halt recht schön bitten, ob Sie nicht meinen Firmpaten machen möchten.«
Der, den ich angesprochen hatte, nahm gerade seine Karten auf und sagte stirnrunzelnd:
»Ja, was gibst denn du wieder für ein Zeugs z'amm, Angermaier. Da möcht's ja der Sau grausn. Weiter, sag' ich.« Dann erst drehte er den Kopf und schaute mich an.
»Was möch'st, Kleiner?«
»Ein' schönen Gruß vom Vater, und ich tät halt recht schön bitten, ob Sie nicht meinen Firmpaten machen möchten.«
Er betrachtete wieder seine Karten und schüttelte den Kopf. Dann: »Von wem bist denn du?«
Gehorsam nannte ich Name und Vorname.
»So, so, vom Ernst bist du? Von was für ein' Ernst? Von dem Eisenbahner?«
»Ja, von dem. Und der Vater schickt mich, ich soll recht schön –«
Der wuchtige Schädel meines künftigen Firmpaten fuhr plötzlich raubvogelartig nach vorne.
»Ja sag einmal, Schwoaga, warum schmierst denn du dein' Graszehner nicht? Herrgott, spielst du wieder ein Zeug z'amm'! Schmiert er den Graszehner nicht, wenn d' Sau schon lang g'falln is'.« Dann, ohne mich anzuschaun: »Wann ist denn deine Firmung?«
»Am 18. Juni, Herr Baumeister . Und ich tät' halt recht –«
»Ja, ja, ist schon recht. In was für einer Kirch'?«
»In der Paulskirch'. Um acht Uhr,