Die Geschichte von KISS. Gene Simmons

Читать онлайн.
Название Die Geschichte von KISS
Автор произведения Gene Simmons
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854454441



Скачать книгу

eine Band namens J. F. Murphy & Salt, die in Amityville auf Long Island in einem Club namens Daisy gespielt hatte. Es wurde von Sid Benjamin, einem netten Tapezierer, und seiner Frau betrieben. Ich ging zu ihm hin und verschaffte KISS ein Konzert.

      SID BENJAMIN (BESITZER, THE DAISY): Ich vertraute Lews Geschmack und lag auch nicht falsch damit. Das Publikum reagierte toll.

      RICHARD BENJAMIN (SID BENJAMINS SOHN): Ursprünglich war es ein Rexall-Drugstore. Der Name war eine Anspielung auf Flower-Power. Das Daisy eröffnete in den späten Sixties und schloss dann zehn Jahre später. Alle von KISS über Attila [Billy Joels frühe Band] bis hin zu den Stray Cats spielte dort in ihren Anfangstagen.

      LEW LINET: Das Daisy war ein ungezwungener Club für Teenager und Leute Anfang zwanzig. Es war dort viel netter als im Coventry. Der Club war sauber und lag in einer freundlichen Gegend. Es war einfach eine kleine Bar mit einer Bühne. Am Wochenende drängten die Kids in Scharen hinein.

      PATTY BENJAMIN (SID BENJAMINS TOCHTER): In seiner großen Zeit war das Daisy der größte Club auf Long Island. Der Eingang lag auf der Rückseite, nahe einer ruhigen Wohngegend. Wegen des Lärms aus dem Club und der Meute, die auf dem Parkplatz abhing und sich danebenbenahm, riefen die Nachbarn regelmäßig die Polizei. Ihnen gefiel dieser „Rock ’n’ Roll“ bestimmt nicht. Die Polizei kam oft, um die Kids in die Mangel zu nehmen, weil der Club so laut war. Mein Vater sorgte sich immer, dass sie ihm den Laden zusperren würden.

      Das nicht ganz ernst gemeinte Motto des Clubs, das auf der Rückseite eines kürzlich entdeckten Streichholzheftchens stand, sagte alles: „Long Islands schrägster Club – Warmes Bier – Beschissenes Essen – Lausige Bands – Billiger Schnaps“.

      CAROL GULOTTA SOTTILI (KONZERTBESUCHERIN, THE DAISY): Wir gingen schon eine Zeit lang ins Daisy, schon bevor KISS dort anfingen. Es war eine örtliche Spelunke mit viel Charme, sehr dunkel, mit Schwarzlicht-Lampen – ein Zuhause für Hippies, die zu viel tranken. Wir drückten auf „S3“, um unseren Lieblingssong zu hören – „You Really Got Me“ von den Kinks. So um 1972/73 lebte ich quasi im Daisy, kam fast jeden Tag. Das hatte viel mit Sid zu tun, der jemand war, den ich als den „Vater“ dieses Fuchsbaus bezeichnen würde. Er kümmerte sich um uns. Wenn wir keine Kohle hatten, spendierte er uns ein paar Runden. Er wusste viel über Musik, und wir sahen zu ihm auf.

      RICHARD BENJAMIN: KISS hatten es schwer, Auftritte zu bekommen. Niemand wollte sie engagieren. Meine Rockband – Children of the Night – war ein Kostüm-Act. Wir verkleideten uns als Monster. Wir hatten den Wolfsmenschen an den Drums, Dracula spielte Gitarre, Die Mumie übernahm das Saxofon, das Phantom der Oper haute in die Tasten und Frankenstein zupfte den Bass. Wir verwendeten Trockeneis, und Dracula stieg aus seinem Sarg. Also war mein Vater mit theatralischen Bands nicht unvertraut, und ich glaube, dass ihm KISS deshalb willkommen waren. Mein Dad war seiner Zeit voraus und ließ gern Bands auftreten, die ihre eigenen Songs spielten.

      PATTY BENJAMIN: Von der räumlichen Kapazität her waren im Daisy maximal 144 Gäste zugelassen. Aber wir kümmerten uns nicht sehr darum. Manchmal quetschten sich 300 Leute rein. Anfangs buchte mein Dad KISS unter der Woche. Bands, die sich in der Gegend einen Namen erspielt hatten, spielten am Wochenende, weil sie schon Fans anzogen. KISS entwickelten sich schon bald von einer Kuriosität zu einer Band mit echtem Fan-Potenzial. Wir bewarben die Shows mithilfe eines händisch zu bedienenden Matrizendruckers, der in unserem Keller stand. Meine Mom fertigte die Vorlage von Hand, und dann machten wir 500 Abzüge. Meine Freunde und ich fuhren nach Jones Beach, zum Farmingdale College, zum C. W. Post College und diversen Einkaufszentren und klemmten sie hinter die Scheibenwischer der geparkten Autos. Meine Mom betrieb einen Plattenladen und gab in jede Papiertüte einen Flyer. Mein Dad heuerte auch einen Künstler an, der riesige Schilder herstellte, die wir dann im Club aufstellten, um Shows zu bewerben.

      GENE SIMMONS: Das Schminken und Kostüme-Anziehen erfolgte in Sids Büro, das wir als Garderobe benutzten.

      PAUL STANLEY: Es war immer lustig, weil wir es waren, die abhoben, wenn das Telefon klingelte. Die Leute am anderen Ende fragten: „Wer spielt denn heute?“ Und wir antworteten: „Diese fantastische Band, KISS, die musst du dir einfach ansehen!“

      EDDIE SOLAN: Sie standen mehr unter Druck, wenn sie im Coventry ran mussten. Dort gab es viel mehr Wettbewerb mit den ganzen New Yorker Bands, außerdem ging ständig irgendetwas kaputt. Draußen im Daisy gab es keinen Wettbewerb. In Amityville sagten sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Sie gingen dort viel entspannter ans Werk.

      GENE SIMMONS: Es ist interessant, dass die Leute, die kamen, um uns zu sehen, schneller einen Draht zu uns fanden als die New Yorker. KISS schafften den Durchbruch in derselben Stadt, in der Der Weiße Hai und The Amityville Horror gedreht wurden. Die Leute, denen KISS gefielen, waren unabhängig von irgendwelchen Trends. Entweder sie mochten etwas – oder eben nicht. KISS boten Abwechslung und schufen eine Möglichkeit, den Zauberer von Oz über die gelbe Ziegelsteinstraße fegen zu sehen; sie waren nicht nur irgendeine Band.

      PAUL STANLEY: Wir hatten kein Interesse daran, in den hipperen Clubs in Manhattan – wie Max’s Kansas City – zu spielen. Das Max’s war ein Ort für Schaumschläger. Da ging es mehr um den Soundtrack zu ihrer Modenschau. Das Daisy hofierte die einfachen Leute, die Arbeiterschaft und den Rock ’n’ Roll. Es ging nicht darum, schick zu sein. Es ging nicht darum, wer der hippste Typ im Raum war.

      PATTY BENJAMIN: Mein Dad ließ KISS während des Tages gratis im Club proben. Ich war noch in der Highschool, und mein Vater ließ mich den Einlass regeln. Es gab keine Eintrittskarten. Wer rein wollte, musste einen Dollar löhnen. KISS bekamen ein Fixum von 100 Dollar, dazu 50 Prozent des Eintritts und Freigetränke. Ace war froh über die Gratisdrinks [lacht]. Ich erinnere mich, dass er viel Bier trank [lacht].

      PAUL STANLEY: Das Daisy war ein echt günstiger Laden – Drinks um 35 Cent. Die meisten Bands spielten vier Sets an einem Abend, aber wir kamen an wie echte Rockstars und sagten, dass wir zwei Sets an zwei Abenden spielen würden. Sie gaben uns 100 Dollar für zwei Abende. Nachdem wir alle Ausgaben abgezogen hatten, blieben pro Nase noch 3 Dollar und 50 Cent.

      CAROL GULOTTA SOTTILI: Bei ihrem ersten Auftritt waren nicht viele Leute da. Wir saßen anfangs nur an der Bar und hörten höflich zu.

      EDDIE SOLAN: Die Leute musterten sie kurz und dachten: „Wer zum Teufel sind diese Typen?“

      CAROL GULOTTA SOTTILI: Ein wenig skeptisch waren wir schon. Wir waren an typische Bar-Bands gewöhnt. Vier geschminkte Typen waren neu für uns. Aber es gefiel uns ziemlich bald. Wir merkten, dass sie anders und gut und rau und echt waren. Keine Ahnung, ab wann wir uns auf die Tanzfläche warfen, aber ich glaube nicht, dass sie sehr lange spielen mussten, um uns zu überzeugen.

      LOU GABRIELSON (KONZERTBESUCHER, THE DAISY): Wir sahen uns an und sagten: „Sid hat endlich mal eine gute Band gebucht.“ Nach dieser Show erzählten wir jedem von ihnen.

      EDDIE SOLAN: Es sprach sich herum, und am nächsten Tag waren zehnmal mehr Leute da.

      CAROL GULOTTA SOTTILI: Ich sah jede ihrer Shows dort, was eigentlich keine große Sache ist, da ich ja sowieso fast jeden Abend dort war. Aber es war mir besonders wichtig, da zu sein, wenn KISS auftraten.

      PAUL STANLEY: Wir trugen zwar unser Make-up, aber es war noch nicht so ausgefeilt wie jetzt. Der Rest der Band sah ziemlich einheitlich aus, und ich trug nur Augenschminke und Rouge.

      PATTY BENJAMIN: Als sie das erste Mal dort auftraten, dachten die Gäste, sie wären Transvestiten, weil das Make-up noch eher feminin angehaucht war. Ich sehe sie immer noch vor mir im Büro meines Vaters, wie sie an ihrem Make-up bastelten und mich fragten: „Wie findest du es?“

      EDDIE SOLAN: Da gab es ein Mädchen – Roni hieß sie –, eine Freundin des Besitzers Sid Benjamin, und die half uns sehr. Das zweite Mal, als wir dort waren, erlaubte sie der Band, ins Haus ihrer Eltern zu gehen, damit sie ihr Make-up auflegen und in ihre Kostüme steigen konnten.

      RONI ASHTON (ANGESTELLTE, THE DAISY): Ich erinnere mich an KISS und daran, wie sie im Büro ihr Make-up auftrugen, während ich das Geld zählte. Wir freundeten uns an. Wenn man mit Gene sprach, merkte man, wie klug er war. Bis heute ist Gene Simmons wahrscheinlich die