Musikergesundheit in der Praxis. Claudia Spahn

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Название Musikergesundheit in der Praxis
Автор произведения Claudia Spahn
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783894878191



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verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte besitzen aufgrund ihrer Krümmung und der Stellung ihrer Gelenke bevorzugte Bewegungsrichtungen. Für Musiker ist es von Vorteil, diese zu kennen, da hierdurch das Risiko herabgesetzt wird, Spielbewegungen entgegen der funktionellen Voraussetzungen der Wirbelsäule zu erzwingen. Auch mögliche ungünstige Ausweichbewegungen können so vermieden werden (vgl. auch unten S. 28 f.).

      Die Lendenwirbelsäule verfügt über eine sehr gute Streckung, kann sich jedoch nur wenig – bis zur Geraden – beugen. Seitneigung und Drehung sind in der Lendenwirbelsäule nur sehr eingeschränkt möglich, eine gewisse Beweglichkeit besteht im Übergang zur Brustwirbelsäule.

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      Abb.I.16a–c: Unterschiedliche Formen der Wirbelsäule von hinten:

      a) gerade Wirbelsäule, b) Skoliose nach links durch Beckenschiefstand, c) Skoliose der Brustwirbelsäule nach rechts

      Im Brustwirbelsäulenabschnitt liegt dagegen die Beweglichkeit hauptsächlich in der Drehung, während aufgrund des Brustkorbs und der Rippen die Seitneigung eingeschränkt ist. Die Beugung ist gegenüber der Streckung im Brustwirbelsäulenbereich bei vielen Menschen deutlich stärker ausgeprägt. Dies liegt an der im Alltag überwiegend nach vorn ausgerichteten sitzenden Haltung, welche die Beugung der Brustwirbelsäule stark begünstigt. Hinzu kommt die anatomische Struktur der dachziegelartigen Form der Dornfortsätze an den Brustwirbelkörpern, welche die Streckung im Brustwirbelsäulenabschnitt von vornherein funktionell begrenzt.

      Am Übergang von der Brust- zur Halswirbelsäule treffen zwei Wirbelsäulenabschnitte mit unterschiedlicher Beweglichkeit aufeinander. Während der obere Abschnitt der Brustwirbelsäule durch die Verbindung zu den oberen Rippen in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist, stellt die Halswirbelsäule den beweglichsten Abschnitt der Wirbelsäule dar. Funktionell kann es zu einer mangelnden Mitbewegung der oberen Brustwirbel kommen, so dass der Hauptteil der Bewegung auf die Halswirbelsäule – insbesondere zwischen 5. und 6. sowie 6. und 7. Halswirbel – entfällt. Diese Situation kann zu Fehlpositionen der Halswirbelsäule führen und kann die Spielbewegungen mit dem Instrument deutlich beeinträchtigen.

      Rücken- und Bauchmuskulatur

      Die Rückenmuskulatur besteht aus großflächigen, oberflächlich liegenden und aus kleinen, tiefliegenden Muskeln, die als sog. autochthone (von griech. autos, »unmittelbar« und chthon, »Heimat«) Rückenmuskeln bezeichnet werden, da sie ursprünglich am Rücken entstanden sind. Die wichtigsten oberflächlichen Muskeln sind der große Trapezmuskel und der breite Rückenmuskel. Muskuläre Verspannungen treten häufig im oberen Anteil des Trapezmuskels, im Schulterblattheber und in den Rautenmuskeln zwischen Schulterblatt und Wirbelsäule auf (Abb. I.17).

      Abb. I.17: Oberflächlich gelegene Rückenmuskulatur

      Die tiefen Rückenmuskeln setzen sich aus einem Netzwerk kleiner Muskeln zusammen. Die tiefsten und kürzesten Muskeln verlaufen beidseits entlang der Wirbelsäule von den seitlichen Querfortsätzen zu den mittigen Dornfortsätzen der Wirbelkörper. Damit bilden sie ein schräges Muskelsystem (sog. tiefe Rotatoren), das die Wirbelsäule stabilisiert (Abb. I.18). Ziehen sich die Muskeln einer Seite zusammen, erfolgt eine Drehung des Rumpfes zur gegenüberliegenden Seite. Drehbewegungen des Rumpfes sind deshalb gut geeignet, die tiefliegenden Rückenmuskeln zu trainieren. Oberhalb dieser Muskeln ziehen lange Muskeln vom Becken bis zu den Rippen und Querfortsätzen der einzelnen Wirbel. Diese vertikalen autochthonen Rückenmuskeln richten die Wirbelsäule auf (Abb. I.18).

      Die Bauchmuskulatur besteht aus großflächigen und breiten Muskelzügen, die ein vertikales und ein horizontales System sowie zwei Schrägsysteme bilden (Abb. I.19). Die Hauptaufgaben der Bauchmuskulatur sind die Beugung und Drehung des Rumpfes, die Aufrichtung des Beckens und die Beteiligung an der Atmung, insbesondere bei der Sänger- und Bläseratmung (vgl. Kap. I.1.3).

      Abb. I.18: Die tiefliegenden Rückenmuskeln

      Abb. I.19: Vertikales, horizontales und schräges System der Bauchmuskulatur von vorn

      Becken

      Das Becken verbindet Rumpf und Beine und beeinflusst durch seine Stellung sowohl den Aufbau der Wirbelsäule nach oben bis zum Hals-Kopf-Übergang als auch nach unten über die Hüftgelenke und Beine bis in die Füße. Damit besitzt das Becken eine zentrale Bedeutung für die gesamte Aufrichtung des Körpers und die Körperachse. Abb. I.21 zeigt unterschiedliche Stellungen des Beckens im Zusammenhang mit der Statik der Wirbelsäule.

      Das knöcherne Becken besteht aus den drei Knochen Darmbein, Schambein und Sitzbein (Abb. I.20). Über das stabile und belastbare Kreuzdarmbeingelenk (Iliosakralgelenk) ist die Wirbelsäule mit dem Becken verbunden. Der muskuläre Beckenboden ist ein komplexes Funktionssystem, das dem Becken von unten Stabilität verleiht.

      Im Stehen wird das Gewicht des Rumpfes über die Hüftgelenke auf beide Beine verteilt.

      Die wichtigste muskuläre Verbindung des Beckens zur unteren Extremität bildet der tiefliegende Lendendarmbeinmuskel (M. iliopsoas) (Abb. I.22). Er entsteht aus der Verbindung des großen Lendenmuskels (M. psoas), der von der Vorderseite der gesamten Lendenwirbelsäule bis zum 12. Brustwirbel entspringt, und des Darmbeinmuskels (M. iliacus). Der Lendendarmbeinmuskel setzt über seine Sehne an der hinteren Innenseite des Oberschenkelkopfes an und verbindet anatomisch und funktionell Zwerchfell, Wirbelsäule, Becken und Hüftgelenke miteinander. Der Spannungszustand des Lendendarmbeinmuskels reguliert auch den Grad der Kippung im Becken und hat damit weitreichenden Einfluss auf die Bewegungen der gesamten Wirbelsäule.

      Abb. I.20: Der knöcherne Aufbau des Beckens von vorn

      Abb. I.21a–e: Position des Beckens und Aufrichtung der Wirbelsäule: a) ideale Aufrichtung, b) nach vorn gekipptes Becken und Hohlkreuz, c) nach hinten gekipptes Becken und Rundrücken, d) gerade eingestelltes Becken und Flachrücken, e) nach vorn geschobenes Becken und Überhang der Brustwirbelsäule nach hinten. Die Richtung, in die das Becken gekippt wird, orientiert sich am oberen Darmbeinstachel (vgl. Abb. I.20)

      Abb. I.22: Der Lendendarmbeinmuskel (M. iliopsoas) mit zwei Muskelbäuchen

      An der Aufrichtung und Stabilisation des Oberkörpers beim Stehen und Sitzen sind die tiefe Wirbelsäulenmuskulatur, die tiefe Bauchmuskulatur, der Beckenboden und das Zwerchfell maßgeblich beteiligt. Bei der Aufrichtung des Rumpfes arbeitet die Rückenmuskulatur mit der Bauchmuskulatur, vor allem mit dem tiefliegenden queren Bauchmuskel (M. transversus abdominis), zusammen. Weiterhin sorgt ein adäquater Tonus des Beckenbodens für eine optimale Aufrichtung des Kreuz- und Steißbeins.

      Durch die enge Verbindung des Lendendarmbeinmuskels zum Zwerchfell bestehen auch wechselseitige Einflüsse mit der Atembewegung (Kap. I.1.3). Das Zwerchfell ist an den Rippen und der Vorderseite der Lendenwirbelsäule befestigt und unterstützt ebenfalls die Stabilisierung der Wirbelsäule. Gleichzeitig hält die Lendenwirbelsäulenmuskulatur dem Zug des Zwerchfells während der Atmung stand. Die Krafteinwirkungen des M. iliopsoas und des Zwerchfells (Zwerchfellschenkel) treffen im Bereich des dritten Lendenwirbels aufeinander.

      Untere Extremität