Seelensplitterkind. Stefan Bouxsein

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Название Seelensplitterkind
Автор произведения Stefan Bouxsein
Жанр Языкознание
Серия Mordkommission Frankfurt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939362517



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»Na, dass du dir nicht sicher bist. Wie viele Freundinnen hattest du denn schon bisher?«

       Christian schüttelte leicht genervt den Kopf. »Ist das jetzt dein Ernst?«

       Lena sah ihn wieder mit diesem strengen Blick an. Ihre Mundwinkel waren leicht nach unten gezogen. Christian war sich sicher, dass er sie bisher fast nur mit einem Lächeln auf den Lippen gesehen hatte. Abgesehen von diesem Morgen danach.

       »Natürlich ist das mein Ernst. Weißt du es etwa nicht mehr? Waren es schon so viele?«

       »Nein, ich hatte bisher zwei Freundinnen.«

       Lena notierte sich das und stellte gleich die nächste Frage. »Wie lange dauerten diese beiden Beziehungen?«

       »Das ist mir jetzt zu blöd«, murrte Christian und wollte aufstehen.

       »Ist es dir unangenehm, über dich zu sprechen?«

       »Ich mag es nicht, mitten in der Nacht verhört zu werden«, drückte Christian seinen Unmut lauter als gewollt aus.

       »Es geht aber nicht anders«, erwiderte Lena unbeeindruckt. »Also, wie lange ging das mit deinen Freundinnen?«

       »Mit Katja war ich ein halbes Jahr zusammen. Sie ist dann zum Studieren nach München gezogen. Davor war ich zwei Jahre lang mit Jana befreundet.«

       Lena notierte sich das wieder und fuhr mit ihrer Befragung unbeirrt fort. Christian wurde neugierig, wie das weitergehen würde, und blieb auf dem Bett sitzen. Er lernte gerade eine ganz neue Lena kennen.

       »Bist du mit Katja auch gleich am ersten Abend ins Bett gegangen?«

       »Nein, das hat länger gedauert. Bestimmt drei Wochen oder so.«

       »Und mit Jana?«

       »Mit Jana ging es schneller, nach zwei oder drei Tagen.«

       »Bist du fremdgegangen, während dieser Beziehungen?«

       »Nein, bin ich nicht. Beruhigt dich das jetzt?«

       Lena notierte sich wieder seine Antworten, ignorierte seine Frage aber. »Möchtest du später einmal heiraten und Kinder bekommen?«

       Bei diesem Thema wurde es Christian nun doch wieder mulmig zumute. »Du nimmst doch die Pille, oder?«

       Lena ignorierte seine Frage erneut, schaute ihn aber abwartend an und klopfte ungeduldig mit dem Stift auf ihren Block.

       »Ich weiß es noch nicht. Darüber mache ich mir nach dem Studium Gedanken«, murmelte Christian vor sich hin und gab es auf, ihr Gegenfragen zu stellen.

       »Du schließt es aber nicht aus?«, bohrte Lena nach.

       »Natürlich nicht.«

       Nachdem Lena das scheinbar wohlwollend notiert hatte, taxierte sie Christian und stellte ihm ihre nächste Frage. »Wie würdest du reagieren, wenn ich fremdgehen würde?«

       Christian sah sie zunächst verblüfft an. War es das, worauf sie hinauswollte? Ging es ihr gar nicht um seine Treue, sondern um ihre Untreue? Wollte sie ihn jetzt damit konfrontieren, damit erst gar keine Missverständnisse zwischen ihnen auftraten? »Würdest du es mir denn erzählen, wenn du fremdgehen würdest?«, versuchte er es doch noch einmal mit einer Gegenfrage.

       Lena überlegte kurz. »Nein, wahrscheinlich nicht«, gab sie ihm zur Antwort. »Aber wenn du es trotzdem herausfinden würdest, wie würdest du reagieren?«

       »Ich wäre enttäuscht und würde die Beziehung wahrscheinlich beenden.«

       Lena setzte zwar den Stift an, notierte aber noch nichts. »Und wenn du mich trotzdem noch lieben würdest und ich dich auch?«

       »Warum solltest du dann fremdgehen?«

       Lena schien über diese Frage angestrengt nachdenken zu müssen. »Vielleicht, weil ich nicht Nein sagen kann, wenn ein Mann mich begehrt. Oder weil ich es für meine Selbstbestätigung brauche.«

       Christian konnte kaum glauben, was sie da von sich gab. In ihm reifte der Entschluss, diese Geschichte besser wieder zu beenden. Auf der anderen Seite war er von Lena fasziniert. So eine Frau hatte er zuvor noch nie getroffen.

       »Was ist nun?«, hakte Lena nach. »Könntest du damit leben?«

       »Vielleicht.« Christian beschloss, sich zunächst noch alle Optionen offen zu halten.

       Lena nahm das mit einer gewissen Erleichterung auf, schrieb wieder etwas in ihren Block und sah Christian nachdenklich an. »Du musst deine Liebste immer gut beschützen, ganz egal, was auch passiert.«

       Dann stand sie auf, stellte den Stuhl zurück vor den kleinen Schreibtisch und knipste das Licht aus. »Du kannst jetzt weiterschlafen, gute Nacht.«

       Christian war mittlerweile hellwach und konnte natürlich nicht mehr einschlafen. Im Zimmer war es stockdunkel, er konnte Lena nur noch schemenhaft erkennen. Sie verschwand im Bad und blieb dort eine Weile. Christian schloss die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen. Vielleicht war das Ganze sowieso nur ein blöder Traum und er gar nicht wach gewesen. Aber dann vernahm er aus dem Bad leise Geräusche, die er nicht zuordnen konnte. Kurz darauf kam Lena aus dem Bad geschlichen. Sie legte sich wortlos zurück zu ihm ins Bett. Sie war wieder nackt und schmiegte sich leise seufzend an ihn. So, wie sie es getan hatte, als sie zusammen eingeschlafen waren. So, als hätte es das merkwürdige Verhör von eben gar nicht gegeben.

      *

      »Was hältst du von Tobias Lang?«, wollte Siebels wissen, als er mit Till wieder im Auto saß.

      »Er ist ein arrogantes Arschloch«, fasste Till sich kurz.

      »Ja, mag sein. Aber seine Erläuterungen passen so gar nicht zu denen von Nils Brenner. Irgendwas stimmt da doch nicht. Dass er uns so mir nichts dir nichts einen seiner Angestellten als mutmaßlichen Täter schmackhaft machen will, irritiert mich ehrlich gesagt etwas.«

      »Das Betriebsklima in der Kanzlei scheint jedenfalls nicht das Beste zu sein. Seine Trauer um Martin Schlosser hielt sich auf jeden Fall in Grenzen. Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Der Mord an Schlosser hängt mit seinem Privatleben zusammen. Die Frau auf dem Foto ist der Schlüssel. Die müssen wir finden. Das Ganze sieht doch nach einem Eifersuchtsdrama aus und nicht nach mörderischen Intrigen von karrieregeilen Anwälten.«

      »Du favorisierst als Täterin also die Ex des Opfers, Eva Schlosser?«

      »Das erscheint mir momentan jedenfalls die naheliegendste Vermutung zu sein.«

      »Warum sollte sie dieses Foto auf ihrem toten Exmann platzieren? Um den Verdacht gleich auf sich selbst zu lenken? Macht keinen Sinn, oder?«

      »Frauen mit verletzten Gefühlen handeln nicht unbedingt rational«, klärte Till seinen Kollegen auf.

      »Sagt der Frauenversteher«, seufzte Siebels. Er fuhr zum Riedberg, zum Wohnort von Martin Schlosser. »Vielleicht sind wir schlauer, wenn wir den vermeintlichen Liebhaber von ihr aufgespürt haben?«

      Sie kannten weder seinen Namen noch seine genaue Adresse. Nur die vage Beschreibung von Marlene Brenner. Der junge Mann müsste mittlerweile Mitte zwanzig sein. Ein schlanker Kerl mit schwarz gelockten Haaren, die ihm bis auf die Schultern fielen.

      Sie erreichten ihr Ziel. Siebels stellte den Wagen vor dem Haus von Martin Schlosser ab. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen Mehrfamilienhäuser im Schuhkartonformat. Auf der Straße war keine Menschenseele zu sehen.