Seelensplitterkind. Stefan Bouxsein

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Название Seelensplitterkind
Автор произведения Stefan Bouxsein
Жанр Языкознание
Серия Mordkommission Frankfurt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939362517



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und erkundigen uns nach ihm«, schlug Till vor.

      Siebels wiederholte noch mal die Beschreibung des jungen Mannes, die er gerade von Till bekommen hatte.

      »Exakt. So viele von der Sorte werden hier ja nicht wohnen. Fangen wir in der Mitte der Häuserreihe an, ich arbeite mich links runter und du orientierst dich nach rechts.«

      »Klingt nach einem guten Plan«, erwiderte Siebels mit wenig Enthusiasmus.

      Siebels’ Laune wurde gleich besser, als er schon beim ersten Anlauf einen älteren Herrn antraf, der sich sicher war, dass es sich bei dem gesuchten jungen Mann nur um Julius Schneider handeln könne. Der wohne zwei Häuser weiter und weil er keiner geregelten Arbeit nachginge, sei er dort jetzt bestimmt auch anzutreffen. Die Eltern von Julius wären hingegen eher selten zuhause. Die hielten sich nämlich beruflich oft im Ausland auf. Der Vater in Indien, China oder auf den Philippinen, die Mutter in England, Irland oder Schottland. Der gesprächige Nachbar verstand auch gar nicht, warum man da überhaupt verheiratet sein müsse und noch viel weniger, wozu sie hier ein Haus benötigten.

      Julius Schneider war tatsächlich zuhause und sein Äußeres entsprach recht genau der Beschreibung von Marlene Brenner. Siebels und Till zogen synchron ihre Dienstausweise hervor.

      »Sie kommen bestimmt wegen der Sache mit Herrn Schlosser, oder?« Julius Schneider machte einen sympathischen und unbekümmerten Eindruck.

      »Ganz recht«, bestätigte Siebels seine Vermutung. »Wir haben ein paar Fragen an Sie, dürfen wir reinkommen?«

      »Klar. Ich wurde aber schon befragt und konnte keine Auskünfte geben. Das hat sich nicht geändert.«

      »Gestern haben die Kollegen eine reine Routinebefragung in der Nachbarschaft durchgeführt«, sagte Siebels, während sie dem jungen Mann in ein geräumiges Wohnzimmer folgten. Dort lief auf einem riesigen Flachbildschirm ein Musiksender. »Wir sind von der Mordkommission und befragen die Leute noch einmal etwas spezifischer.«

      Julius schaltete die Kiste aus und bot seinen Besuchern Platz auf den Sesseln an. »Spezifischer?«

      »Mit größerer ermittlungstechnischer Relevanz«, erläuterte Till. »Wir gehen bei unseren Befragungen mehr in die Tiefe.«

      »Klingt ja spannend.« Julius setzte sich auf das Sofa.

      Da Till seinem Instinkt folgend Marlene Brenner befragt und von ihr den Tipp mit Julius bekommen hatte, sollte er auch dessen Befragung übernehmen, hatte Siebels zuvor vorgeschlagen.

      »Sie konnten bei unseren Kollegen gestern also keine hilfreiche Aussage machen«, fasste Till den bisherigen Stand kurz zusammen.

      »Stimmt. Ich habe nichts gesehen und nichts gehört und erst etwas davon mitbekommen, als die Polizistin hier geklingelt und mich befragt hat.«

      »Wie gut kannten Sie Herrn Schlosser?«

      »Nicht sehr gut. Eigentlich nur vom Sehen. Und das auch nur alle paar Wochen mal.«

      »Und seinen Sohn Christian? Der ist ja ungefähr in Ihrem Alter.«

      »Wir haben früher im gleichen Verein Fußball gespielt. Gut befreundet waren wir aber nicht. Er war kein guter Spieler und wir lagen nicht auf einer Wellenlänge.«

      »Sind Sie ein guter Spieler?«

      »Ziemlich gut, ja. Aber nicht ehrgeizig genug, um daraus Kapital zu schlagen. War das jetzt eine Frage von ermittlungstechnischer Relevanz?« Julius lächelte vergnügt.

      »Wer weiß. Ihre Eltern sind oft im Ausland unterwegs, hat uns einer Ihrer Nachbarn verraten.«

      »Stimmt. Mein Vater ist als Ingenieur viel in Asien unterwegs. Meine Mutter arbeitet im Vertrieb für eine Kosmetikfirma und reist oft in den angelsächsischen Raum.«

      »Und was machen Sie beruflich?«

      »Ich passe auf das Haus auf«, sagte Julius schulterzuckend nach kurzer Überlegung.

      Siebels und Till warfen sich einen vielsagenden Blick zu. »Das ist alles?« Till beschlich das Gefühl, dass der junge Mann etwas zu verbergen hatte.

      »Das ist momentan meine Hauptbeschäftigung. Nebenbei jobbe ich noch ein wenig herum und überlege, was ich studieren könnte. Mein Jura-Studium habe ich nach dem zweiten Semester aufgegeben, danach habe ich es mit BWL probiert. Das habe ich schon nach dem ersten Semester wieder geschmissen. Momentan tendiere ich dazu, Mathematik auf Lehramt zu studieren.«

      »Ist ja auch nicht immer so einfach, den richtigen Weg für sich zu finden«, bemerkte Siebels.

      »Wussten Sie schon immer, dass Sie Polizist werden wollen?«

      Siebels nickte. »Ja, das war mir schon früh klar und ich wüsste bis heute nicht, was ich sonst hätte tun können.«

      »Vielleicht wäre das ja auch was für mich?«, überlegte Julius.

      »Jetzt dürfen Sie aber erst mal als Zeuge brillieren«, sagte Siebels und übergab den Stab wieder an Till.

      »Was für Jobs machen Sie denn, wenn Sie nicht gerade auf das Haus aufpassen?«

      »Dieses und jenes. Ich gebe Nachhilfeunterricht, mache manchmal für ein paar Tage oder Wochen Büroarbeiten in der Firma meines Vaters und programmiere und gestalte Webseiten. Das kommt aber nicht allzu häufig vor, mein Kundenkreis ist da überschaubar.«

      »Nach unseren Erkenntnissen verdienen Sie sich auch durch kleinere Gartenarbeiten in der Nachbarschaft noch etwas hinzu. Ist das richtig?«

      »Stimmt. Aber das ist noch überschaubarer. Der alten Frau Müller mähe ich im Sommer den Rasen. Ich nehme an, sie hat Ihnen das erzählt?«

      Till bemerkte, dass Julius es jetzt zu gerne bei dieser Frau Müller belassen würde. Aber den Gefallen würde er ihm natürlich nicht tun. Er schüttelte den Kopf. »Nein, mit einer Frau Müller haben wir uns nicht unterhalten.«

      Julius wirkte jetzt nachdenklich und leicht abwesend. »Das ist im Viertel ja bekannt, dass ich Frau Müller da immer mal zur Hand gehe. Aber was spielt das auch für eine Rolle?«

      »Haben Sie auch bei Familie Schlosser schon ausgeholfen?«, kam Till nun auf den Punkt.

      »Stimmt. Das ist aber bestimmt schon ein oder zwei Jahre her. Da habe ich eine Hecke zurückgeschnitten. Mit Herrn Schlosser hatte ich damals aber gar keinen Kontakt. Und selbst wenn, was wollen Sie jetzt eigentlich von mir?«

      »Frau Schlosser hatte Sie also für diese Arbeit engagiert?«

      Dass Julius sich immer weniger wohl in seiner Haut fühlte, konnte er nicht verbergen. »Ja. Ist das ein Problem?«

      »Können Sie sich schon denken, worauf ich hinauswill?«, fragte Till süffisant.

      »Sollte ich mir besser einen Anwalt nehmen?« Die Selbstsicherheit, die Julius zuvor ausgestrahlt hatte, war nun wie weggeblasen.

      »Das bleibt Ihnen überlassen. Aber ich wüsste nicht, warum das nötig sein sollte. Wir interessieren uns allerdings weniger für Ihre Tätigkeiten als Aushilfsgärtner, sondern eher dafür, in welcher Beziehung Sie zu Frau Schlosser standen.«

      Julius ließ sich einen Moment Zeit, bevor er darauf einging. »Okay, wir hatten mal was miteinander. Das ging aber nicht lange und danach hatten wir kaum noch Kontakt. Hat ja dann auch nicht mehr lange gedauert, bis sie ihren Mann verlassen hat und von hier weggezogen ist. Woher wissen Sie denn davon?«

      »Spezifisch relevante Ermittlungsmethoden«, grinste Till. »Was hatten Sie damals denn für einen Eindruck von ihr? Erzählen Sie doch mal.«

      »Glauben Sie, dass sie ihren Mann umgebracht hat?«

      »Wir glauben gar nichts. Wir wollen uns nur ein Bild machen. Also seien Sie doch so nett und helfen uns ein bisschen weiter.«

      »Sie hat mich auf der Straße vorm Haus angesprochen«, fing Julius widerwillig an zu berichten. »Ob ich mir nicht ein bisschen was dazuverdienen wolle, wegen der Hecke im Garten. Ich war einverstanden