Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

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Название Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор произведения Walter G. Pfaus
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745214024



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      „Wo waren Sie, als es passierte?“

      „Bei einem Bekannten“, erwiderte die Witwe und zündete sich eine Zigarette an. Sie streckte Bount das offene Päckchen entgegen.

      „Danke“, sagte er lächelnd. „Ich habe meine eigene Sorte.“

      Gloria Conroy griff nach einem Ascher und stellte ihn vor sich hin.

      „Ich habe Leo gesagt, dass ich zu einer Freundin gehe, zu Lizzy, aber in Wahrheit besuchte ich einen Freund ... na ja, einen Bekannten. Sein Name tut nichts zur Sache, aber der Polizei musste ich ihn nennen, die legt nämlich Wert auf mein Alibi.“ Sie sah plötzlich böse aus. „Die scheinen zu denken, dass ich Leo umgebracht habe. Wissen Sie, was der Leutnant wissen wollte? Ob ich ihn nicht fertiggemacht hätte, um ihn beerben zu können! Ich habe längst herausgefunden, dass da nicht viel zu holen ist. Nur das Haus, das Büro, ein bisschen Bargeld. Ich werde Haus und Büro verkaufen und in die Stadt ziehen. Ich lasse mich von den Klatschmäulern in Hammond doch nicht in die Pfanne hauen.“

      „Erzählen Sie mir ein wenig über Leo!“

      „Da gibt’s nicht viel zu sagen. Er war ein Spießer. Trocken, gefühlsarm ... aber dennoch zum Selbstmitleid neigend“, erwiderte sie. „Die Ehe mit ihm war keine reine Freude, das darf ich Ihnen versichern.“

      „Wie lange waren Sie mit ihm verheiratet?“

      „Vier Jahre.“

      „Eine lange Zeit. Da lernt man einen Menschen kennen und beurteilen. Wie ich hörte, hat er darunter gelitten, dass seine Zeugenaussage in den fünfziger Jahren ein Todesurteil auslöste.“

      Aber die Frau konnte ihm darüber nichts sagen. Es war ihr anscheinend auch gleichgültig gewesen, was ihr Mann dachte und fühlte.

      Bount verabschiedete sich und ging. Er hatte sich für die Dauer seines Aufenthaltes in Hammond einen Leihwagen gemietet, einen Dodge Challenger. Er fuhr anschließend zu dem Anwesen von Hank Craig. Es lag etwas außerhalb der Stadt am Rande des Highways, der nach Magnolia führte. Bount parkte den Challenger an der Straße und ging durch den gepflegten, nicht umzäunten Garten auf das weiße, flache Haus zu. Es war ziemlich groß und enthielt im Winkel eines L’s einen Swimmingpool. Hinter einigen Fenstern brannte Licht.

      Bount klingelte. Ein Farbiger mit weißer Dienerjacke öffnete.

      „Bount Reiniger. Ist Mister Craig zu sprechen?“

      „Er erwartet Sie“, sagte der Farbige, machte Platz und ließ Bount eintreten.

      Bount durchquerte die Diele und stoppte, weil er nicht wusste, welche der vielen Türen er öffnen sollte. Er blickte über seine Schulter. Der Farbige war verschwunden.

      Bount zuckte mit den Schultern und streckte die Hand nach der Klinke aus, hinter der er das Wohnzimmer vermutete. Er öffnete sie.

      Der Wohnraum, der vor ihm lag, war groß und eher auffällig als elegant möbliert. Bount trat über die Schwelle. Er spürte einen Luftzug in seinem Nacken und versuchte in einem Reflex auszuweichen, aber die Reaktion kam zu spät, der Schlag auf den Schädel traf ihn mit unbarmherziger Härte. Bount brach in die Knie.

      Er winkelte instinktiv einen Ellenbogen an, um sich gegen weitere Attacken abzuschirmen, aber das bewahrte ihn nicht davor, erneut von einem stumpfen, harten Gegenstand getroffen zu werden.

      Er kippte vornüber und verlor das Bewusstsein.

      Als er wieder zu sich kam, hatte er Mühe, gegen das Brummen in seinem Schädel anzukämpfen. Ihm dämmerte, wo er sich befand. Er lag bäuchlings auf einem Teppich. Benommen hob er den Kopf. Sein Blick fokussierte sich.

      Das Wohnzimmer. Das Eisbärenfell über dem Kamin. Ein paar Bilder, eine Stehlampe, deren Fuß sich als lächelnder Buddha entpuppte.

      Bount richtete den Oberkörper auf.

      „Hier bin ich“, sagte eine Stimme.

      Bount wandte den Kopf. Der Sprecher saß nur vier Schritte von ihm entfernt in einem Sessel, mit offen stehendem Hemd, in der Hand einen Revolver.

      Bount griff sich an die Schläfe. Sie war darauf getrimmt, Nehmerqualitäten zu beweisen, aber es gab Behandlungsmethoden, an die sie sich weder gewöhnen konnte, noch wollte.

      „Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?“, krächzte Bount.

      „Das müssen Sie mir erklären!“, sagte der Mann. Seine Stimme war scharf und drohend, genau wie der Ausdruck seines Gesichtes.

      Bount kam auf die Beine. Er musste dabei ein leichtes Schwindelgefühl unter Kontrolle bringen. Er torkelte zu einem Sessel, ließ sich hineinfallen und verspürte unbändiges Verlangen nach einem Glas Wasser, nach irgendeinem Drink, um die schmerzhafte Trockenheit in seinem Mund und Hals zu lindern.

      „Sie sind Mister Craig?“, würgte Bount hervor.

      „In voller Lebensgröße.“

      „Haben Sie mir dieses Ding verpasst?“

      „Ja - und das war nur der Anfang“, versicherte Craig mit grimmiger Miene.

      „Sie haben eine reizende Art, Ihre Gäste zu behandeln“, murmelte Bount.

      „Daran müssen Sie sich gewöhnen.“

      „Ich brauche etwas zu trinken.“

      „Was Sie brauchen, bestimme ich!“, stieß Craig hervor.

      Bount merkte, wie sein Kopf sich aufklarte. Er erhob sich. Diesmal ging es schon besser, obwohl ein Hauch des Schwindelgefühls erneut spürbar wurde. Bount ging vorsichtig zur Tür. Craig stand auf und folgte ihm. Bount ging in die Küche, hielt den Kopf unter den aufgedrehten Kaltwasserstrahl der Spüle, füllte sich ein Glas mit Wasser und leerte es mit langen, durstigen Zügen. Er stellte es ab und wandte sich um. Craig lehnte am Rahmen der Tür, die Waffe schussbereit in der Hand.

      „Sie haben Angst“, erkannte Bount.

      „Kann schon sein“, sagte Craig, „aber ich bin dabei, sie mir zu nehmen.“

      Bount wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Craig war ein athletisch gebauter Mann von schätzungsweise 48 oder 50 Jahren. Er hatte ein markantes Gesicht mit kleinen, weit auseinanderstehenden Augen. Es war kein sympathisches Gesicht. Es wirkte arrogant, verkniffen und bösartig. Das blonde Haar trug er im Bürstenhaarschnitt.

      „Wollen wir nicht zurück ins Wohnzimmer gehen?“, fragte Bount.

      „Soll mir recht sein.“

      Bount ging an Craig vorbei und verzichtete darauf, dem Gegner eine Kostprobe seiner Judo und Karatekünste zu liefern. Zwar war der Kopf jetzt klar, aber seine Reflexe hatten möglicherweise noch nicht den gewohnten Standard erreicht, außerdem lag Craigs Finger am Druckpunkt, und es wäre schlechthin selbstmörderisch gewesen, ihn herauszufordern.

      Sie nahmen im Wohnzimmer Platz, jeder in dem Sessel, den er vor dem Küchenbesuch eingenommen hatte.

      „Ihr Diener sagte mir, dass Sie mich erwarten“, sagte Bount. „Warum der ungewöhnliche Empfang?“

      „Ich warte seit Jahren auf Sie. Als ich Sie durch den Garten auf das Haus zukommen sah, als ich die Blicke bemerkte, mit denen Sie die Umgebung musterten, wusste ich - das ist er!“

      „Das ist wer?“

      „Ich habe Ihnen die Brieftasche abgeknöpft. Sind Sie wirklich Privatdetektiv?“

      Bount griff sich unwillkürlich an den Sakko.

      „Ja, das bin ich“, sagte er.

      „Eine hervorragende Tarnung!“, höhnte Craig. „Aber nicht gut genug, um mich zu bluffen.“

      „Wo ist Ihre Frau? Billigt sie Ihr merkwürdiges Treiben?“, wollte Bount wissen.

      „Jetzt