Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde

Читать онлайн.
Название Das Bildnis des Dorian Gray
Автор произведения Oscar Wilde
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726619256



Скачать книгу

Maler bitter.

      Lord Henry zuckte die Achseln. „Es ist der wirkliche Dorian Gray — das ist alles.“

      „Nein.“

      „Ist er es nicht, was habe ich damit zu schaffen?“

      „Du hättest fortgehen sollen, als ich dich bat“, murmelte er.

      „Ich blieb, als du mich batest“, war die Antwort.

      „Harry, ich kann nicht mit meinen beiden besten Freunden auf einmal streiten, aber er und du, ihr habt beide bewirkt, dass mir das schönste Werk verhasst geworden ist, das ich je gemacht habe, und ich will es vernichten. Was ist es mehr als Farbe und Leinwand? Es soll nicht zwischen uns drei kommen und unser Leben zerstören.“

      Dorian Gray hob den goldlockigen Kopf vom Kissen und sah ihm mit blassem Antlitz und feuchten Augen zu, wie er zum Zeichentisch ging, der unter dem hohen verhängten Fenster stand. Was wollte er dort? Seine Finger tasteten unter dem Haufen von Blechtuben und trocknen Pinseln, als suchten sie etwas. Ja, sie suchten das lange Palettemesser mit seiner dünnen Klinge von biegsamem Stahl. Endlich hatte er es gefunden. Er schickte sich an, die Leinwand zu zerschneiden.

      Mit einem erstickten Schluchzen schnellte der Jüngling vom Lager, war mit einem Satz bei Hallward, entriss ihm das Messer und schleuderte es in die äusserste Ecke des Ateliers. „Nicht, Basil, nicht!“ schrie er. „Es wäre Mord!“

      „Es freut mich, dass du mein Werk endlich zu schätzen beginnst, Dorian“, sagte der Maler kalt, als er sich von seinem Erstaunen erholt hatte. „Ich hatte es nicht mehr erwartet.“

      „Es schätzen? Ich bin verliebt in dein Bild, Basil. Es ist ein Stück von mir selbst. Ich fühle das.“

      „Nun, sobald du trocken bist, sollst du gefirnisst und eins gerahmt und nach Hause geschickt werden. Dann kannst du mit dir machen, was du willst.“ Und er ging durch das Zimmer und klingelte nach Tee. „Du trinkst doch Tee mit mir, Dorian? Und du auch, Harry? Oder hast du etwas gegen so einfache Genüsse einzuwenden?“

      „Oh, mir geht nichts über einfache Genüsse“, sagte Lord Henry. „Sie sind die letzte Zuflucht der Komplizierten. Aber ich bin nicht für Szenen, ausser auf dem Theater. Was seid ihr für Narren, alle beide! Ich frage mich, wer vom Menschen als einem vernünftigen Tier gesprochen hat. Es war die voreiligste Definition, die je gemacht wurde. Der Mensch ist vieles, nur nicht vernünftig. Eigentlich bin ich froh, dass er es nicht ist: aber ich wollte doch ihr Leute tätet über das Bild nicht zanken. Du solltest es lieber mir überlassen, Basil. Dieser dumme Junge wünscht es sich in Wirklichkeit gar nicht und ich sehr.“

      „Wenn du es einem anderen als mir gibst, Basil, so verzeihe ich’s dir im Leben nicht!“ rief Dorian Gray; „und ich erlaube niemand, mich einen dummen Jungen zu nennen.“

      „Du weisst, dass das Bild dir gehört, Dorian. Es war für dich bestimmt, ehe es noch da war.“

      „Und Sie wissen, dass Sie ein klein wenig dumm gewesen sind, Herr Gray, und dass Sie im Grunde nichts dagegen haben, wenn man Sie daran erinnert, wie ausserordentlich jung Sie noch sind.“

      „Heute morgen hätte ich sehr viel dagegen gehabt, Lord Henry.“

      „Ah heute morgen! Seitdem haben Sie gelebt.“

      Es klopfe, und der Diener trat mit einem vollen Teebrett ein, das er auf ein japanisches Tischchen setzte. Tassen klirrten, und ein georgischer Samowar zischte. Ein Boy drachte zwei runde Porzellanschüsseln. Dorian Gray ging zum Tischen und goss den Tee ein. Die beiden Männer näherten sich langsam und sahen nach, was unter den Deckeln war.

      „Gehen wir heute abend ins Theater“, sagte Lord Henry. „Irgendwo wird schon etwas los sein. Ich habe versprochen, bei White zu Abend zu essen, aber nur mit einem alten Freund, also kann ich ihm telegraphieren, ich sei krank oder verhindert infolge einer nachträglichen Verabredung. Ich finde, das wäre eine hübsche Ausrede: sie hätte den überwältigenden Reiz der Naivität.“

      „Es ist so lästig, seine schwarzen Sachen anziehen zu müssen“, brummte Hallward. „Und wenn man sie an hat, sind sie so greulich.“

      „Ja,“ antwortete Lord Henry träumerisch, „die Tracht des neunzehnten Jahrhunderts ist abscheulich. Sie ist so düster, so niederdrückend. Das einzige Farbelement, das dem modernen Leben geblieben ist, ist die Sünde.“

      „Du solltest wirklich nicht solche Dinge vor Dorian sagen, Harry.“

      „Vor welchem Dorian? Dem, der uns Tee einschenkt, oder dem auf dem Bilde?“

      „Vor keinem von beiden.“

      „Ich möchte gern mit Ihnen ins Theater gehen, Lord Henry“, sagte der Jüngling.

      „Dann kommen Sie nur; und du kommst doch auch, Basil, nicht wahr?“

      „Ich kann wirklich nicht. Ich möchte lieber nicht. Ich habe eine Unmenge zu arbeiten.“

      „Nun, dann werden wir beide allein gehen, Herr Gray.“

      „Das möchte ich schrecklich gern.“

      „Der Maler biss sich auf die Lippen und ging, die Teetasse in der Hand, zum Bild hinüber. „Ich werde bei dem wahren Dorian Gray bleiben“, sagte er traurig.

      „Ist es der wahre Dorian?“ fragte das Original des Bildes, zu ihm tretend. „Bin ich wirklich so?“

      „Ja; du bist ganz so.“

      „Wie wunderbar, Basil!“

      „Wenigstens in deiner äusseren Erscheinung. Aber es wird sich niemals ändern“, seufzte Hallward. „Das ist doch etwas.“

      „Was für ein Wesen die Menschen mit der Treue machen!“ rief Lord Henry, aus. „Dabei ist sie sogar in der Liebe nur eine physiologische Frage. Sie hat nichts mit unserem Willen zu tun. Junge Männer möchten treu sein, und sind es nicht; alte Männer möchten treulos sein, und können es nicht: das ist alles, was sich darüber sagen lässt.“

      „Geh nicht ins Theater heute abend, Dorian“, sagte Hallward. „Bleib und iss mit mir zu Nacht.“

      „Ich kann nicht, Bafil.“

      „Warum?“

      „Weil ich Lord Henry. Wotton versprochen habe, mit ihm zu gehen.“

      „Du wirst bei ihm nicht gewinnen, wenn du deine Versprechen hältst. Er bricht die seinen immer. Ich bitte dich, nicht zu gehen.“

      Dorian Gray lachte und schüttelte den Kopf.

      „Ich beschwöre dich.“

      Der Jüngling zögerte und sah zu Lord Henry hinüber, der sie vom Teetisch aus mit einem amüsierten Lächeln beobachtete.

      „Ich muss gehen, Basil“, antwortete er.

      „Gut“, sagte Hallward; und er ging hinüber und stellte seine Tasse auf das Teebrett. „Es ist ziemlich spät, und da du dich umkleiden musst, ist es besser, du verlierst keine Zeit. Guten Abend, Harry. Guten Abend, Dorian. Komm mich bald besuchen. Komm morgen.“

      „Gewiss.“

      „Du wirst es nicht vergessen?“

      „Natürlich nicht“, rief Dorian.

      „Und . . . Harry?“

      „Ja, Basil?“

      „Erinnere dich, um was ich dich bat, als wir heut vormittag im Garten waren.“

      „Ich habe es vergessen.“

      „Ich verlasse mich auf dich.“

      „Ich wollte, ich könnte mich auf mich selbst verlassen“, sagte Lord Henry lachend. „Kommen Sie, Herr Gray, mein Wagen wartet draussen, und ich kann Sie an Ihrer Wohnung absetzen. Guten Abend, Basil. Es war ein höchst interessanter Nachmittag.“

      Als die Tür sich hinter ihnen schloss, warf sich der Maler auf ein Sofa, und