Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde

Читать онлайн.
Название Das Bildnis des Dorian Gray
Автор произведения Oscar Wilde
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726619256



Скачать книгу

p>

      Oscar Wilde

      Das Bildnis des Dorian Gray

      Aus dem Englischen übertragen von D. Mitzky

      Saga

      Das Bildnis des Dorian Gray ÜbersetztGustav Landauer, Hedwig Lachmann Original The picture of Dorian GrayCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2005, 2020 Oscar Wilde und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726619256

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Vorwort

      Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.

      Kunst zu offenbaren und den Künstler zu ververbergen ist Ziel der Kunst.

      Kritiker ist, wer seine Eindrücke von schönen Dingen in einen anderen Stil oder ein neues Ausdrucksmittel zu übersetzen vermag.

      Die höchste wie die niedrigste Form der Kritik ist eine Art Selbstbiographie.

      Wer in schönen Dingen hässliche Bedeutungen findet, ist verdorben, ohne reizend zu sein. Das ist ein Fehler.

      Wer in schönen Dingen schöne Bedeutungen findet, hat Kultur. Für ihn ist Hoffnung.

      Auserwählt ist, wem schöne Dinge nur Schönheit bedeuten.

      Es gibt kein moralisches oder unmoralisches Buch. Es gibt schlecht geschriebene oder gut geschriebene Bücher. Das ist alles.

      Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen Realismus ist die Wut Calibans, der sein Gesicht im Spiegel sieht.

      Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen Romantik ist die Wut Calibans, der sein Gesicht nicht im Spiegel sieht.

      Das moralische Leben des Menschen kann Stoff für den Künstler sein, aber die Moral der Kunst besteht im vollkommenen Gebrauch eines unvollkommenen Mittels.

      Kein Künstler will etwas beweisen. Selbst wahre Dinge können bewiesen werden.

      Kein Künstler hat sittliche Neigungen. Sittliche Neigung in einem Künstler ist eine unverzeihliche Maniriertheit des Stils.

      Kein Künstler ist je krankhaft. Der Künstler kann alles ausdrücken.

      Gedanke und Sprache sind für den Künstler Werkzeuge einer Kunst.

      Tugend und Laster sind für den Künstler Baustoffe zu einer Kunst.

      Von der Form aus gesehen, ist der Typus aller Künste die Kunst des Musikers. Vom Gefühl aus gesehen, ist es die Kunst des Schauspielers.

      Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol.

      Wer unter die Oberfläche taucht, tut es auf eigene Gefahr.

      Wer das Symbol deutet, tut so auf eigene Gefahr.

      Was die Kunst wirklich spiegelt, ist der Zuschauer und nicht das Leben.

      Meinungsverschiedenheit über ein Kunstwerk zeigt, dass das Werk neu, vielfältig und lebensstark ist.

      Wenn die Kritiker nicht übereinstimmen, ist der Künstler im Einklang mit sich selbst.

      Dass einer etwas Nützliches gemacht hat, kann man ihm verzeihen, solange er es nicht bewundert. Die einzige Entschuldigung dafür, etwas Nutzloses gemacht zu haben, ist, dass man es grenzenlos bewundert.

      Alls Kunst ist ganz nutzlos.

      Oscar Wilde.

      Erstes Kapitel

      Das Atelier war erfüllt von dem üppigen Duft der

      Rosen, und wenn der leichte Sommerwind durch die Bäume des Gartens fuhr, so kam durch die offne Tür der schwere Geruch des Flieders oder der zartere Duft des blühenden Rotdorns.

      Von der Ecke des Diwans aus persischen Satteltaschen, auf dem er lag und seiner Gewohnheit nach unzählige Zigaretten rauchte, konnte Lord Henry Wotton eben noch den Schimmer der honigsüssen und honigfarbenen Blüten eines Goldregens sehen, dessen schwanke Zweige kaum imstande schienen, die Last einer so flammenden Schönheit zu tragen; hie und da flirrten die phantastischen Schatten von Vögeln im Flug über die langen Rohseidenvorhänge vor dem riesigen Fenster und riefen eine Art japanischen Momenteffektes hervor, die ihn an die blassen Maler Tokios mit den Jadegesichtern denken liessen, welche mit den Mitteln einer notwendig unbeweglichen Kunst den Eindruck von raschester Bewegung zu geben suchen. Das eintönige Summen der Bienen, die durch das lange ungemähte Gras schwirrten oder mit ermüdender Hartnäckigkeit um die goldstaubbeladenen Griffel eines losen Geissblattes kreisten, schien die Stille noch drückender zu machen. Das undeutliche Getöse Londons war wie der Basston einer fernen Orgel.

      Mitten im Zimmer stand auf einer aufgerichteten Staffelei das Vollbild eines jungen Mannes von ausserordentlicher Schönheit, und davor sass in geringer Entfernung der Künstler selbst, Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren solches Aufsehen hervorrief und so sonderbare Vermutungen entstehen liess.

      Während der Maler die anmutige und reizende Gestalt betrachtete, die er so glücklich in den Spiegel seiner Kunst eingefangen hatte, glitt ein freudiges Lächeln über sein Gesicht und schien dort verweilen zu wollen. Aber auf einmal fuhr er zusammen und schloss die Augen und drückte die Finger gegen die Lider, als suche er in seinem Hirn einen seltsamen Traum festzuhalten, aus dem er zu erwachen fürchtete.

      „Es ist dein bestes Werk, Basil, das Beste, was du je gemacht hast“, sagte Lord Henry träge. „Du musst es unbedingt nächstes Jahr in die Grosvenorausstellung schicken. Die Akademie ist zu gross und zu gewöhnlich. So oft ich dort war, waren entweder so viel Menschen da, dass ich die Bilder nicht sehen konnte, was schrecklich war, oder so viele Bilder, dass ich die Menschen nicht sehen konnte, und das war noch ärger. Grosvenor ist wirklich das einzig mögliche.

      „Ich glaube, ich werde es nirgends hinschicken“, antwortete der Maler mit jenem für ihn charakteristischen Zurückwerfen des Kopfes, über das seine Freunde schon in Oxford zu lachen pflegten. „Nein; ich werde es nirgends hinschicken.“

      Lord Henry zog die Brauen hoch, und blickte ihn durch die dünnen blauen Rauchwolken, die in phantastischen Ringen von seiner schweren, opiumhaltigen Zigarette stiegen, verwundert an. „Es nirgends hinschicken? Mein lieber Junge, warum nicht? Hast du einen Grund dafür? Was für wunderliche Kerle seid ihr Maler doch! Erst tut ihr alles in der Welt, um euch einen Namen zu machen. Und kaum habt ihr ihn, so bemüht ihr euch nur, ihn loszuwerden. Es ist dumm von euch, denn schliesslich gibt es in der Welt nur eines, was ärger ist, als besprochen zu werden, nämlich, nicht besprochen zu werden. Ein Bildnis wie dieses würde dich hoch über alle jungen Künstler in England stellen und die alten ganz neidisch machen, wenn alte Leute überhaupt noch einer Gemütsbewegung fähig, sind.“

      „Ich weiss, dass du mich auslachen wirst,“ antwortete Hallward, „aber ich kann es wirklich nicht ausstellen. Ich habe zu viel von mir selbst hineingelegt.“

      Lord Henry streckte sich auf dem Diwan aus und lachte.

      „Siehst du, ich habe gewusst, dass du Lachen würdest; aber wahr ist es trotzdem.“

      „Zu viel von dir selbst hineingelegt! Auf mein Wort, Basil, ich habe nicht gewusst, dass du so eitel bist; und ich kann wirklich nicht die mindeste Ahnlichkeit zwischen dir mit deinem rauhen Athletengesicht und deinem kohlschwarzen Haar und diesem jungen Adonis finden, der aussieht, als ob er aus Elfenbein und Rosenblättern gemacht wäre. Schau, mein lieber Basil, er ist ein Narziss, und du — nun, natürlich hast du einen vergeistigten Ausdruck und was so dazu gehört. Aber Schönheit, wirkliche Schönheit hört auf, wo ein geistiger Ausdruck beginnt. Geist ist an sich schon eine Übertreibung und zerstört die Harmonie jedes Gesichts. Im Augenblick,