Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Ernst Wichert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027237517 |
Es war Winter. Schnee lag auf der Plattform des Turms und in dessen tiefen Fensterbrüstungen, Schnee auf den breiten Strohdächern ohne Schornstein, Schnee auf dem Hofe und auf der weiten Fläche ringsum, bis zu den blauschwarzen Waldungen, die landeinwärts in ununterbrochener Flucht den Horizont abgrenzten. Der Fluß war mit Eis bedeckt; es glitzerte augenblendend in der Sonne, wo der Wind streckenweise den Schnee fortgefegt hatte.
Eine Landstraße war nirgends sichtbar; aber über die Schneefläche führten in verschiedenen Richtungen Gleise nach dem Walde hin oder von demselben her, unregelmäßig, oft einander kreuzend. Es schien, daß jeder gefahren war, wo es ihm gefiel. Auch jetzt bewegten sich Fuhrwerke von eigentümlicher Gestalt auf dieser Fläche hin und her. Die von der Uferhöhe abgehenden bestanden aus zwei durch eine lange Kette verbundenen Schlitten, eigentlich nur Schlittenkufen. Darauf saßen Männer in weißen Schafpelzen und Pelzmützen, Sandalen an den Füßen, deren Riemen bis fast zum Knie hinauf die Wade kreuzweise umwickelten, darüber Holzschuhe mit einer Strohfüllung zur besseren Erwärmung. Einer auf dem vorderen Schlitten trieb mit der Peitsche die kleinen rauhhaarigen Pferde zu eiligstem Lauf an. Die entgegenkommenden Fuhrwerke bewegten sich dagegen in langsamem Schritt; sie waren von derselben Beschaffenheit, aber beladen mit langen Baumstämmen, von denen manche wohl achtzig Fuß messen mochten und mit der dünn auslaufenden Spitze im Schnee mühsam nachschleiften. Die Männer saßen rittlings gegen den Wind und oft die Arme über der Brust zusammenschlagend, um sich zu erwärmen. Ihre Äxte und Beile steckten im Holze. Mitunter fuhren mehrere solcher Schlitten hintereinander her, und dann begleitete sie auch wohl ein Reiter, der eine von Riemen geflochtene Peitsche an kurzem Holzstiel vorn im Pelz stecken hatte oder gelegentlich auch über den Rücken der Fuhrknechte schwang, wenn sie die Pferde nicht gehörig antrieben und im Schnee steckenblieben.
Im Walde war jetzt der Boden gefroren; auch die Sümpfe und Moräste, die im Sommer selbst das Elchwild mied, hielten jetzt den Tritt der Pferde und Menschen aus. Dort ließ die Herrschaft von den leibeigenen Bauern und Knechten die mächtigen Bäume fällen, abästen und zum Transport zurichten. Überall vernahm man die Schläge der Axt, das Krachen und polternde Niederfallen der getroffenen Stämme, das Schreien der beschäftigten Leute, das Fluchen und Wettern der Aufseher. Unter ihnen bewegten sich auch einige Juden in pelzgefütterten Kaftanen, mit langen schwarzen Locken vor dem Ohr. Sie hatten das Holz von dem Herrn von Sczanowo gekauft und bezeichneten nun die Stämme, die sie geschlagen wünschten. Die Aufseher mußten wohl von ihnen gute Trinkgelder erhalten haben, denn sie waren ihnen in allem willfährig.
Im Holzgarten aber auf der Uferhöhe, wohin die Stämme gebracht wurden, gab's andere Arbeit. Dort wurden die Stumpfe der Seitenäste mit dem Beil geglättet, die dünnen Wipfelenden abgeschnitten und abgesondert aufgeschichtet, die Eichen auf hohen Gestellen zerschnitten und vierkantig zugerichtet, auch wohl von den beiden Männern oben und unten zu starken Brettern zersägt. Von den Stapelplätzen aus rückte man die Rundhölzer mit Pferden unter wüstem Geschrei bis zur Uferkante und ließ sie von dort auf dem geebneten Wege hinabrollen. Sie sammelten sich dicht am Fluß oder auch auf dem Eise desselben und sollten im Frühjahr zu Flößen verbunden und stromabwärts transportiert werden nach Thorn und Danzig, teilweise vielleicht auch beladen mit dem Getreide, das von der letzten Ernte auf dem Hofe geblieben war, da der Krieg allen Handelsverkehr gehindert hatte.
Der Eingang zum Schloß sah einer Scheuneneinfahrt nicht unähnlich. Zwei große Torflügel mit einem hölzernen Überfall konnten sie schließen, schienen aber selten gebraucht zu werden, da der eine nicht mehr fest in den Angeln hing. Der Fußboden war mit Lehm ausgeschlagen, die Wand mit demselben Material verstrichen, aber an einigen Stellen mit einer Art roher Mosaik von kleinen buntfarbigen Feldsteinen ausgeputzt.
Die Zeichnung schien ein Schild mit einem Wappen darstellen zu sollen. Seitwärts führten mehrere kunstlos gefügte Türen links in den herrschaftlichen Pferdestall und rechts in die Wohngemächer. Hier hielten dicke Steinwände die Kälte ab, die kleinen lukenartigen Fenster ließen nur das notwendigste Licht ein. Die Ausstattung konnte im Gegensatz zu dem bäuerischen Äußern fast verschwenderisch genannt werden: überall lagen Felle von Bären und anderen Waldtieren auf dem Fußboden, die Wände waren mit Teppichen bedeckt, deren orientalische Muster über ihren Ursprung nicht Zweifel lassen konnten; an weichen Polstern fehlte es nicht neben den Kaminen, deren Steineinfassung von weither herangebracht sein mußte. Einige Möbelstücke von Olivenholz mit eingelegten Verzierungen von Metall deuteten nach Italien hin, waren aber in Ungarn erbeutet, wo sie wahrscheinlich lange Station gemacht hatten. Darauf standen zerbrochene Geschirre mit allerhand Bildwerken, an einer Stelle auch eine Holztafel mit Malerei, die zu einem Altarschrein gehört hatte und vielleicht von dem Herrn Michael von Kroczinski jüngst aus Preußen mitgebracht war. Er bewohnte diesen Flügel, sein Bruder Jakob den andern. Außer ihnen aber hausten noch verschiedene Vettern, Schwäger und weibliche Verwandte im Schloß, eine ganz zahlreiche Sippe, größtenteils nur sehr dürftig einquartiert, denn dicht neben den wenigen wohnlichen Räumen zogen sich lange Reihen von Kammern hin, die für Ställe hätten gelten können und dem Bewohner nicht einmal überall eine Bettlade zum Schlafen boten.
Hier hielt sich noch immer Frau Cornelia von der Buche auf, jetzt eine Witwe, die sich noch für jung halten konnte. Über den Tod ihres Mannes hatte sie sich bald getröstet: sie war ihm nie mit herzlicher Neigung zugetan gewesen, und ihr sorgloses Gemüt beschäftigte sich auch nicht einmal mit der Frage, wie sich der Stiefsohn zu ihr stellen werde und wie es in Buchwalde aussehe. Sie fühlte sich sehr wohl unter ihren Verwandten, die sie so lange entbehrt hatte, und in dem bewegten Treiben um sie her. Da konnte sie stundenlang auf den Polstern liegen und mit den Vettern plaudern, die auf der Jagd gewesen waren und Abenteuer mit Wölfen oder Bären gehabt hatten, oder vom königlichen Hoflager anlangten und Neuigkeiten mitbrachten, oder von den Juden mit Berichten über die Dinge in Ungarn und an der Südgrenze versehen waren, wo die Heere König Sigismunds bei Alt- und Neu-Sandecz arge Verheerungen angerichtet hatten. Mitunter erschienen auch Zigeuner und musizierten lustig; dann sah sie dem Tanz der jungen Leute zu. An Dienerschaft war kein Mangel, und die Mägde, die ihr aufwarteten, konnten als Leibeigene ganz nach Laune behandelt werden. Selten hatte sie jetzt Langeweile.
Einige Zeit im Herbst war man freilich besorgt gewesen, daß der Krieg nach Polen hineingespielt werden könnte. Das war, als der Rückzug des Königs bekannt wurde. Die Polen, die bis dahin den Sieger von Tannenberg mit überschwenglichem Lobe gefeiert hatten, wurden nun plötzlich mutlos und warfen ihm vor, daß er zwar zu siegen, aber nicht den Sieg zu benutzen verstehe. Unverzeihlich schien ihnen die lange Zögerung vor der Marienburg, unverzeihlich die Aufhebung der Belagerung. Sie sahen nun schon den Hochmeister mit seinen Scharen ins wehrlose Land einbrechen und blutige Rache nehmen. Freilich wußten sie, daß Wladislaus Jagello alle Kraft aufbieten mußte, dies zu hindern, da er in solchem Falle allen Schaden zu vergüten verpflichtet war, den der polnische Adel auf seinen Gütern nahm. Bald kamen denn auch günstigere Nachrichten. Es dauerte längere Zeit, bis Heinrich von Plauen sein Heer neu ausrüsten, bei Thorn die Hilfsvölker aus Deutschland zusammenziehen konnte. Dann hieß es allerdings, der Hochmeister sei in der Stadt – die Burg war noch in den Händen der Polen – und dringe auf rasches Vorgehen, aber die deutschen Fürsten und Herren sowie die Bischöfe in seiner Umgebung hielten ihn zurück und nötigten ihn zu Friedensverhandlungen. Mitte Dezember kam Botschaft, daß wirklich beiderseits Kommissarien bestellt und ein vierwöchiger Waffenstillstand abgeschlossen sei. Damals kehrte Herr Michael von Kroczinski zurück, der solange beim Könige in Brzescz geblieben war.
Sehr bald wurde er durch einen Eilboten wieder zurückberufen. Der König hatte den Hochmeister zu sich nach Raciaz eingeladen, um durch persönlichen Verkehr schneller zum Abschluß zu gelangen, Plauen hatte die Einladung angenommen. Herr Michael sollte unter den Kommissarien des Königs sein, deren jeder Teil sechs ernennen wollte. Er hatte bis Raciaz einige Meilen zu reiten, und nahm ein großes Gefolge mit, um sich ein Ansehen zu geben. Die Holzjuden mußten zur Bestreitung der Unkosten neue Vorschüsse machen, brachten aber die Zinsen reichlich ein, indem sie nun im Walde die Herren spielen konnten.
Ein paar Wochen lang wurde es stiller in Sczanowo; die Vettern waren fast sämtlich mitgeritten zur Ehre des Hauses. Dann aber kehrten