Gesammelte Werke. Ernst Wichert

Читать онлайн.
Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ernst Wichert
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027237517



Скачать книгу

Schreiben empfing; er meinte nicht anders, als daß man ihm eine Falle stellen und ihn fangen wolle, um an ihm für den Abfall Rache zu nehmen. Aber wie eine Wolke vor dem Winde zog dieser Verdacht schnell vorüber. Jedes Wort in dem Briefe sah ehrlich gemeint aus, und als einen ehrlichen Mann kannte und schätzte er Heinrich von Plauen schon vordem. Auch fühlte er sich nicht als einen Verräter und glaubte wohl vertreten zu können, was er getan. Er sagte niemand von dem Briefe außer Barthel Groß, seinem Schwiegersohn, und stellte sich nach des Meisters Gebot in der Marienburg ein.

      Ohne Herzklopfen trat er in sein Gemach. Nur, indem er sich verneigte, sah er ihm scharf ins Auge, ob er irgendeine Falschheit entdecken möchte; aber Plauen blickte ganz ruhig und eher wohlwollend als streng auf ihn. Da wußte er, daß er ihn ehrlich als einen Freund behandeln wollte, und beschloß, ihm auch ehrlich zu antworten, wie ihn das Herz triebe.

      Ew. Gnaden haben meiner begehrt, begann er. Was steht zu Ew. Gnaden Befehl?

      Ich habe dich sonst als treu und rechtlich gekannt, Konrad, entgegnete Plauen, und weiß, daß du unserm Orden ergeben warst und ihm in schweren Zeiten gut genützt hast, wie auch der Orden dir viel Gutes erwiesen hat bis in die letzten Jahre. Ich hoffe, das wird unvergessen sein.

      Letzkau legte die Hand auf die Brust. Das ist unvergessen, gnädiger Herr.

      Die Rechte Stadt Danzig hat sich dem Könige zugewandt, fuhr der Hochmeister fort, und du selbst hast mit ihm abgeschlossen in seinem Lager, wie man mir berichtet. Weshalb ist das geschehen?

      Es ist aus Not geschehen, gnädiger Herr.

      Das will ich für wahr nehmen und nicht prüfen. Was in der Not geschieht, das ist nicht zu richten nach dem Recht. Aber ihr seid nun der Not entledigt.

      Das wolle Gott geben, gnädiger Herr!

      Er hat's gegeben. Der König hat unsere Lande verlassen. Es ziemt unsern Untertanen, zu bekennen, daß sie ihm gezwungen gehuldigt und in alter Treue zu ihrem rechten Herrn stehen wollen. Ist Danzig dazu bereit?

      Letzkau zögerte ein wenig mit der Antwort. Gnädiger Herr, sagte er dann, wir hoffen, daß es Ew. Gnaden gelingen werde, mit dem Könige einen Frieden zu schließen, der den Orden bei seinem Besitze läßt, und daß der König die Städte dann ihres Eides entbinden wird.

      So halten sie sich noch gebunden durch ihren Eid? Unser Sieg hat sie gelöst.

      Ich kann darauf nicht Antwort geben, gnädiger Herr. Denn als Ihr mich beriefet, wußte ich nicht, um was es sei. Ohne des Rates Vollmacht darf ich aber nicht handeln für die Stadt. Das ist Ew. Gnaden bekannt. Für mich selbst kam ich und spreche ich zu Ew. Gnaden.

      Plauen zog finster die Stirn und faßte den Bart in die Hand. Aber er bezwang sich und erwiderte: Sei es so. Ich berief dich nicht der Stadt wegen, sondern daß du uns mit deiner Person zu Gefallen seiest. So bitten wir dich denn, daß du uns wollest eine Reise tun außer Landes und aufbringen alle Herren und Fürsten, Ritter und Knechte, die du aufbringen kannst, und in den Städten Freunde sammeln. Spare kein Gold noch Silber, es soll dir, so Gott will, alles reichlich vergolten werden.

      Da erschrak Letzkau im Innersten über des Meisters Zumuten. Gnädiger Herr, sagte er, sich neigend, Ew. Gnaden mag gebieten und nicht bitten. Aber wo soll ich hinziehen, oder wo soll ich aus dem Lande kommen, zumal Polen und Pommern uns nun geschlossen sind? Im Stolper Land stehen Polen oder Litauer, zur See kann ich nicht segeln. Wie soll ich dann aus dem Lande kommen?

      Ich denke wohl, man wird dich überall durchlassen, antwortete Plauen lächelnd, da man dich für des Königs Freund hält.

      Letzkau wehrte kopfschüttelnd ab. Das sei fern von mir, gnädiger Herr, sagte er erregt, daß ich solche Freundschaft vorschütze, seinem Feinde zu dienen. Ew. Gnaden könnten nie mehr dem Manne glauben, der Euch so gegen Ehre und Gewissen gedient hätte. Wahrlich, einen Fußtritt verdiente ich eher als Dank und Lohn, wenn ich mit solcher Arglist umginge.

      Da reichte Plauen ihm die Hand und sagte: Ein anderes hab' ich von dir nicht erwartet, und es gefällt mir, daß du dich in Ehren hältst, wie ich dich immer gekannt habe. Aber sieh zu, wie du dich auf andere Art durch die feindlichen Reihen durchbringst und ins Reich gelangst. Soll ein guter Friede geschlossen werden, so muß ich gerüstet dastehen, und dazu sollst du helfen mit deiner Kundschaft.

      Geschieht's, rief Letzkau, so mag es geschehen mit Gefahr für meinen Kopf. Solcherart bin ich Euch gern zu Willen. Gebt mir Zeit, gnädiger Herr, daß ich bedenke, wie ich Euch am besten nütze.

      Der Hochmeister öffnete einen Wandschrank, nahm einige schon gesiegelte Briefe heraus und reichte sie Letzkau zu. Die Sache hat große Eile, sagte er. Vor Weihnachten muß ich wissen, auf welchen Zuzug ich zu rechnen habe. Lieber Bürgermeister, sorge, wie du kannst, daß du uns diese Reise tust.

      Letzkau nahm die Briefe und verbarg sie auf der Brust unter seinem Wams. Das mag Ew. Gnaden der Stadt Danzig entgelten, antwortete er, sich verabschiedend, was ich für Euch auf mich nehme ohne des Rates Wissen und dem Herrn König zum Trotz. Wär's ein anderer, der das begehrte, ich täte es wahrlich nicht. Euch aber, da ich Euch hoch verehre, mag ich's nicht abschlagen. Ich hoffe, Ihr werdet diesem armen Lande ein Retter aus der Not sein.

      Damit wandte er sich zur Tür. Plauen aber sah ihm freundlich nach und rief ihn nochmals zurück, da er schon die Hand auf die Klinke gelegt hatte. Wer weiß, wann ich dich wiedersehe, sagte er. Guten Rat zu erbitten, soll man aber nicht aufschieben; denn vielleicht morgen schon kann man ihn brauchen. Sage mir freimütig deine Meinung, Konrad, wie es gekommen ist, daß Städte und Lande sich so rasch vom Orden wandten, und was geschehen muß, daß sie ihm in Zukunft wieder treu anhangen. Ich bin ein schlichter Rittersmann und habe mich der Ehre und Last dieses Amtes nicht versehen. Deshalb mag ich gern lernen von denen, die besser unterrichtet sind und lange schon des Landes Wohl bedenken. Deiner Klugheit vertraue ich wie deiner Rechtschaffenheit. Sprich ohne Scheu.

      Den Bürgermeister durchzuckte es freudig; er hatte sich in Plauen nicht getäuscht. Darf ich das, fragte er, rasch vortretend, und könnt Ihr hören, was dem Ritter Deutschen Ordens nicht schmeichelt?

      Ich bin dieses Landes Fürst, antwortete Plauen ernst und mit hoher Würde.

      So erkennt Ihr Euer Amt recht, rief Letzkau. Wolltet Ihr nur des Deutschen Ordens Hochmeister sein, das wäre so gut des Ordens als des Landes Schade. Schaut zurück, gnädiger Herr, und dann schaut vorwärts! Der Deutsche Orden hat dieses Land mit dem Schwert erobert; aber damit es ihm ein nutzbares Eigentum werde, hat er's besetzt mit Bürgern und Bauern und jedem sein Recht gegeben und seine Pflicht bemessen. Da ist nun in zwei Jahrhunderten aus dem Heidenlande ein christliches Land geworden, aus dem slawischen ein deutsches, aus dem armen ein reiches. Unter des Ordens Schutz hat sich viel Volk gesammelt und vermehrt, und seine Untertanen sind jetzt nicht mehr die unterworfenen Preußen, sondern die freien Leute, die auf ihrer Väter Erbe wohnen. Wem gehört nun das Land? Denen, die in den Burgen hausen und mit dem Schwert die Feinde abwehren, oder denen, die den Acker bestellen, daß er goldene Frucht trage, die in den Städten Häuser bauen, Schiffe befrachten, die Speicher mit Waren füllen und Handwerk treiben zu gemeiner Notdurft? Ich meine: beiden! Die einen sind die Wahrer, die andern sind die Mehrer, und ohne einander können sie nicht bestehen. Das will aber der Orden nicht gelten lassen. Noch immer will er Herr sein wie über ein erobertes Land. Und dieser Herr setzt sich zusammen aus gar vielen Herrlein; jedes Herrlein aber dünkt sich der Herr. Der deutsche Adel hat seine jüngeren Söhne zu versorgen, und da kommen sie nun fremd nach Preußen, sinnen und trachten nur darauf, im Orden zu Ämtern und Würden erhoben zu werden und gebieten zu können, dem Lande aber bleiben sie fremd. Nur als Brüder des Ordens fühlen sie sich, und der Meister ist ihnen des Ordens Oberhaupt, der zu regieren hat nach des Ordens Regel und mit des Kapitels Vollmacht. Was da gesprochen wird, das soll des Landes Gesetz sein; des Landes Wohlfahrt kümmert sie aber nur der eigenen Wohlfahrt wegen.

      Er schwieg und wartete ab, ob Plauen ihn ermutigen wollte, so kühn fortzufahren. Der hatte sich gegen den Tisch gelehnt und das Kinn in die Hand gestützt, die grauen Augen aufmerksam auf ihn geheftet. Du urteilst scharf, sagte er, doch nicht ungerecht. Sprich weiter. Das Land, meinst du, will anders regiert sein? Wird nicht jedem sein Recht?

      Dem