Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Название Gesammelte Werke
Автор произведения Ernst Wichert
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027237517



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er nicht frei. Stimmte er auch in vielem nicht seiner Meinung bei, wie er ihn kannte, so hielt er ihn doch für so klug als tapfer und meinte sich seiner Freundschaft zu versichern, wenn er ihn neben sich auf den wichtigsten Platz setzte. Gebührte doch dem Ordensmarschall die Führung des Heeres im Kriege! Wohl dachte er im stillen bei sich, daß er lieber mit ihm getauscht hätte. Auch Komture wurden neu ernannt. Für das Haus Danzig setzte der Hochmeister seinen Bruder Heinrich ein. Denn Johann von Schönfels hatte sich schwach bewiesen und war ihm nicht zuverlässig genug für die Verhandlungen, die mit der widerspenstigen Stadt bevorstanden.

      Bevor der jüngere Plauen nach Danzig abging, berief der Hochmeister ihn in sein Gemach und unterrichtete ihn genau über alles, was ihm zu wissen not täte. Denn er war meist in Deutschland gewesen und kannte wenig des preußischen Landes Eigenart und seiner Bewohner Denkweise. Der junge Komtur hörte nicht sonderlich aufmerksam und zuletzt etwas ungeduldig zu und sagte dann: Dergleichen lernt man an Ort und Stelle besser kennen durch Erfahrung und Übung als in der Ferne durch guten Rat. Zunächst kommt es darauf an, das Schloß in guten Verteidigungszustand zu setzen, daß es einer Belagerung so gut zu widerstehen vermöge als die Marienburg, und dazu bin ich nach zehnwöchiger Lehrzeit hier wahrlich gut vorbereitet. Dann müssen wir das Gebiet der Komturei reinigen von allem polnischen Volk und dem Orden zurückbringen, was man ihm in den Zeiten der Not entzogen hat. Ich habe gehört, daß der Pfleger von Grebin sein Gestüt dem Ratsherrn Barthel Groß zur Bewahrung übergeben, der aber sein Vertrauen mißbraucht und dem König des Ordens Besitz verraten hat. Auch soll dem Fischmeister sein ganzes Gerät genommen sein und allerhand Gut der Kirchen und Klöster versteckt gehalten werden. Darüber will ich strenge Rechenschaft fordern von den ungetreuen Schelmen, so hoch sie jetzt auch den Kopf heben mögen. Zum dritten aber, sobald ich erst fest im Sattel sitze, will ich in die Rechte Stadt Danzig einreiten, daß die Funken stieben sollen, und wehe dem, der mir in den Weg tritt! Wie die Buben haben die Danziger an ihrer Herrschaft gehandelt und schnödesten Verrat geübt. Ging's nach ihrem Willen, so wäre das Schloß in des Königs Händen, und wir könnten uns an seinen festen Mauern den Kopf einrennen. Das soll ihnen lange gedacht sein.

      Er ballte die Faust um den Schwertgriff und stieß die Scheide gegen die Ziegelplatten des Fußbodens. Der breite Mund lachte höhnisch und zeigte zwei Reihen kernfester, glänzend weißer Zähne. Der Zorn hatte die starkknochige Nase gerötet, und von der Nasenwurzel aufwärts legte sich eine tiefe Furche in die niedrige, noch zur Hälfte von dem dichten Haar überschattete Stirn. Der Hochmeister wiegte bedenklich den Kopf. Ich kenne dich als tapfer und willenskräftig, Heinrich, sagte er nach einer Weile, und darum eben vertraue ich dir das Danziger Schloß, das mir das wichtigste scheint nach der Marienburg. Ich weiß, daß es nicht in des Königs Gewalt kommen wird, solange du atmest, und ich weiß auch, daß du dem Orden nicht verloren geben wirst, was sich mit dem Schwerte zurückgewinnen läßt. Aber gegen die Bürger von Danzig sieh dich vor, daß deine Hitze nichts verdirbt. Die großen Städte in Preußen haben von alters her viel Freiheiten und eine absonderliche Stellung im Lande, denn sie sind Glieder des großen Hansabundes, und vorzüglich Danzigs Stimme gilt in Lübeck viel. Mit der Hansa dürfen wir's aber nicht verderben, weil sie unsern Handel schützt, unsere Kriegswerbungen fördert und unsere Wechsel in Geld wandelt. Darum ist's besser, Beleidigungen zu vergessen, die uns in so unruhiger Zeit angetan sind, wo auch die Treuesten wankten, und Milde walten zu lassen gegenüber den Verirrten. Wenig nutzt es dem Orden, Zwang zu brauchen und denen Ketten anzulegen, die er zu Freunden haben muß, wenn er gedeihen soll. Darum rate ich ernstlich zu gütiger Nachsicht, damit sich ihr Vertrauen stärke.

      Das hieße den Übermütigen das Feld räumen und den Verrat lohnen, fuhr der Komtur auf. Schon zu nachsichtig ist der Orden gegen seine Untertanen in den großen Städten gewesen, und wir haben die Frucht gesehen, die er davon geerntet hat. Der Geist der Widersetzlichkeit ist großgezogen und hebt nun bedrohlich sein Haupt, da sich unsere Schwäche offenbart. Vor allen die Danziger stehen in üblem Ruf, sich als die Herren zu fühlen, wo sie doch gehorchen sollten. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt haben sie ihre Gerechtsame erweitert, sehr zu des Ordens Schaden, und was sie nun für ihr Recht ausgeben, steht schwerlich in ihren Briefen. Frei möchten sie sich machen wie die Städte im Reich, die nur den Kaiser über sich erkennen wollen, und da ihnen der Kaiser zu fern ist, wählen sie sich den König von Polen zu solchem Oberhaupt und sagen ihrem Landesherrn frech ab. Leiden wir solche Ungebühr, ohne sie zu strafen, so werden wir in wenig Jahren alles Ansehen verloren haben. Nein, zeigen wir ihnen den strengen Herrn, damit sie erst wieder Gehorsam lernen! Dann, wenn sie sich vom Trotz zur Bitte wenden, mag Milde und Güte vielleicht am Platze sein.

      Der Meister legte die Hand auf seine Schulter. Ich spräche wahrscheinlich wie du, sagte er, wenn ich noch Komtur wäre und nur erfahren hätte, was man im Reiche den preußischen Städten Übles nachsagt. Der Landesfürst hat andere Rücksicht zu nehmen, und wer längere Zeit hier unter den Leuten gelebt hat, lernt ihre Eigenart schätzen. Auch ich bin für strenges und gerechtes Regiment und stimme bei, daß man jeden Teil bei dem erhalte, was ihm gebührt. Aber viel ist auch vom Orden gefehlt, und es geziemt uns nicht, an andern zu richten, was wir uns selbst verzeihen wollen. Darum lassen wir Vergangenes vergangen sein und bauen mit gemeinsamer Hand für die Zukunft. Jeder soll bei seinem Rechte bleiben.

      Bei seinem Rechte! murrte der Komtur. Aber nichts darüber! Ging's nach meinem Willen, sie sollten bald klein werden und ihr trotziges Wesen ablegen. Gib mir Vollmacht, den Danziger Rat zu entsetzen und den Bürgermeistern den Prozeß zu machen, so soll schnell Ruhe und Ordnung zurückkehren und unsere Brüderschaft Herr bleiben im Lande. Sie sind allesamt Verräter.

      Unwillig schüttelte der Meister den Kopf. Das sei fern! rief er. Wenden sie sich wieder zu uns, so wollen wir ihnen nicht anrechnen, was die Not sie hat sündigen machen. Nur daß sie in Zukunft willige und gehorsame Untertanen sind. Ich kenne Konrad Letzkau: er war sonst dem Orden sehr ergeben, und ich hoffe noch, daß er uns gute Dienste leistet. Manchem mag er unfügsam scheinen, der nur ein Herr sein will über Knechte. Aber es ist in ihm viel Mannhaftigkeit, und immer habe ich ihn bedacht und billigdenkend gefunden. Das Kontor in Kauen ist sein Werk, und hat er's auch nicht zu des Ordens Gewinn, so hat er's doch zu des Ordens Ehre gegründet. Wir können leicht durch ihn mit dem Großfürsten verhandeln, sobald sich das Bündnis mit Jagello lockert. Das muß nun unsere Aufgabe sein, die beiden Feinde des Ordens, die sich zu seinem Unheil vereinigt haben, wieder zu trennen, und dazu kann Letzkau helfen. Auch gibt es im Reiche viele, die auf ihn hören, und wie er dort die Sache des Ordens darstellt, so erscheint sie. Darum halte mir den Mann in Ehren und stütze seinen Einfluß im Rat in allen redlichen Dingen, denn ich habe guten Grund zu glauben, daß dort manches geschehen ist, was nicht nach seinem Sinne war.

      Der Komtur zog den gelben Schnauzbart zwischen die Zähne. Schicke einen anderen nach Danzig, sagte er nach kurzem Bedenken; es ist nicht meine Art, die Katzen zu streicheln, wenn sie mir die Krallen zeigen.

      Dann taugtest du auch wenig zu jenem Amt, antwortete der Hochmeister. Wäre mir's darum zu tun, so hätte ich Johann von Schönfels dort gelassen. Es soll aber im Schlosse ein Komtur sitzen, dessen Strenge man fürchtet und den man einig weiß mit des Landes Oberhaupt. Dann wird der Rat von selbst kopfscheu werden und einlenken. Man sucht nicht Streit mit dem, der ihn sicher aufnimmt, und ermäßigt seine Forderungen, bevor es mit ihm zur Verhandlung kommt. Einen andern mahnte ich lieber zur Festigkeit und Schärfe, dich mahne ich zur Nachgiebigkeit und Milde, weil ich im Kampfe deiner sicher bin, nicht aber im Frieden. Noch ist Kampf die Losung, aber Friede das Ziel.

      Der Komtur bot ihm die Hand. Wohl, sagte er, ich will zusehen, daß ich mich zwinge. Wenn's aber doch hart auf hart kommt, so muß ich gewiß sein, daß ich dazu des Ordensmeisters Vollmacht habe. Denn der Arm ist lahm, der zwar das Schwert heben, aber nicht zuschlagen darf. Anders sehen sich die Dinge in der Nähe an als aus der Entfernung, und Briefschreiben war niemals meine Sache. Vertraust du mir, so vertraue mir ganz!

      Darauf magst du dich allezeit verlassen, antwortete der Hochmeister, sein Wort mit einem festen Blick seines mächtigen Auges bekräftigend, und entließ ihn.

      In der nächsten Nacht aber empfing der Hochmeister heimlich in seinem Gemache den Mann, den er gegen seinen Bruder vertreten hatte: Konrad Letzkau.

      Er hatte nach Danzig geschrieben und ihn zu sich berufen zu einem wichtigen Dienst, zu dem er ihn brauchen