Название | Geschichtsmatura |
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Автор произведения | Christian Pichler |
Жанр | Документальная литература |
Серия | Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik.Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783706560856 |
6.5 Methodenwahl: Mixed Methods
Die Komplexität des Untersuchungsgegenstands, aber auch das Anliegen, die beiden Forschungsziele in ein Gesamtergebnis münden zu lassen und dabei dem Anspruch einer „intersubjektiven Gültigkeit“ der Aussagen637 zu entsprechen, hat die Wahl von Mixed Methods nach dem Transferdesign determiniert. Das methodische Vorgehen ermöglicht es, die Auswertungsergebnisse zweier verschiedener Datentypen (qualitativer und quantitativer) aufeinander zu beziehen. Qualitative Daten werden dazu herangezogen, um die Repräsentativität der Studie zu zeigen, um spezielle Phänomene zu verdeutlichen und miteinander zu vergleichen, um Relationen herzustellen und um signifikante Ergebnisse der qualitativen Untersuchung in Zahlen darzustellen und dort, wo es angezeigt ist, zu skalieren.638 Sind Sinnbildungen zu erforschen, kommt die Qualitative Inhaltsanalyse zur Anwendung. Gemäß der Intention der Analyse, individuelle Schüler*innen-Äußerungen sichtbar zu machen, werden die Aussagen induktiv kodiert. Die Codes ergeben sich aus der geschichtsdidaktischen Theorie und folgen dem System der Teilkompetenzen, wie sie das FUER-Modell entwickelt und beschrieben hat. Strukturiert werden sie nach den AFB, weil diese die rechtliche Vorgabe bilden und in der Regel die Abfolge des Gesprächsverlaufs bedingen. Es wird das Augenmerk aber auch deduktive Aspekte gelegt, sobald es sich um Auffälligkeiten handelt, die sich auf die inhaltliche Qualität der Aussagen auswirken und Ergebnisse beeinflussen.639 Durch die Einbettung des Materials in den Entstehungszusammenhang und das regelgeleitete Vorgehen (Qualitative Inhaltsanalyse) werden die Erfordernisse der Wissenschaftlichkeit erfüllt. Nachvollziehbarkeit ist durch das Kategoriensystem gewährleistet. Die Beachtung des Forschungsinteresses ist durch den Gegenstandsbezug, des Erfordernisses, theoriegeleitet zu forschen, die Berücksichtigung des Forschungsstands und des zu analysierenden Gegenstands gewahrt. Es gibt Gütekriterien, nämlich das Feststellen der Inter-Rater-Reliabilität beim Aspekt Graduierung der Kompetenzen. Dieses methodische Arrangement stellt sicher, dass die Studie den Kriterien der Regelhaftigkeit, Validität und Reliabilität entspricht. Um die Analyseeinheiten kontextgebunden kodieren und auswerten zu können, ist ein Kriterienraster entwickelt worden. Die Überlegungen zur Konzeption werden dargestellt.
7. Datenbasis und Auswertungsinstrumente
Die Datenerhebung erfolgte im Zuge der ersten kompetenzorientierten Reifeprüfung (2015) und umfasste zwei Phasen. Zunächst wurden bei der Schulbehörde statistische Materialien zur Reifeprüfung ermittelt und daraufhin Matura-Prüfungen tondokumentiert und transkribiert.
7.1 Forschungsumfeld
7.1.1 Auswahl der Proband*innen
Am 2. Oktober 2014 wurde vom Studienautor im Bildungsministerium der Antrag gestellt, Reifeprüfungen aus dem Fach GSPB in Kärnten videografisch dokumentieren und wissenschaftlichen auswerten zu dürfen. Der für die abschließende Prüfung an den AHS zuständige Abteilungsleiter erteilte die prinzipielle Zustimmung, allerdings mit der Auflage, die Prüfungen nicht zu filmen, sondern in diskreter Weise akustisch aufzunehmen. Das Führen einer Kamera und auffällige Mikrofone könnten als rechtlich relevante Störungen des Examens aufgefasst werden. Es sei das Einvernehmen mit der Schulaufsicht des Bundeslandes und mit den in Frage kommenden Direktionen, Lehrer*innen, Prüfungskommissionen und Kandidat*innen herzustellen. Diese Auflagen wurden in der Folge erfüllt.
An den 22 Kärntner AHS hatten sich im Jänner 2015 in 34 Maturaklassen 204 Kandidat*innen zur Reifeprüfung aus GSPB angemeldet (13,24 % aller potenziellen Maturanten*innen). 186 (7,06 %) traten zum Haupttermin (Juni 2015) im Fach GSPB tatsächlich zur Prüfung an.640 Es war ursprünglich daran gedacht, so viele Prüfungen wie möglich der Analyse zu unterziehen, um die Ergebnisse auf eine breite Datenbasis zu stellen und ihr Repräsentativität zu verleihen. Daher wurden im Dezember 2014 alle jene Geschichtslehrer*innen, die im Beobachtungszeitraum eine Maturaklasse unterrichteten, schriftlich eingeladen, am Projekt teilzunehmen und gebeten, in ihren Klassen die Bereitschaft der Schüler*innen zur Mitwirkung an einer wissenschaftlichen Untersuchung auszuloten. Die Resonanz war bescheiden. Von den 34 Lehrenden (n = 100) haben zwar 23 (67,65 %) geantwortet. 15 Personen (44,12 %) haben ihre Mitwirkung sofort abgelehnt, 8 (23,53 %) haben zugesagt und 11 Personen (32,35 %) haben nicht reagiert. Folgende Gründe wurden für die Ablehnung der Teilnahme angeführt:
Schüler*innen-Bedenken: (1) Dynamiken in der Gruppe der Schüler*innen: In zwei Klassen einer Schule waren die Schüler*innen von Anfang an gegen die Untersuchung ihrer Prüfung. Eine Begründung dafür wurde nicht erfragt.641 In einer Klasse einer anderen Schule stimmten die Schüler*innen zunächst der Mitwirkung am Forschungsprojekt zu, zogen ihre Einwilligung aber zurück, als es an die Unterfertigung der Einverständniserklärung ging. Die Lehrperson vermutete die Ursache für den Meinungsumschwung in dem Umstand, dass eine Parallelklasse von Haus aus nicht hatte mitwirken wollen. Das habe zu Diskussionen geführt, deren Resultat die Revision der ursprünglichen Zusage gewesen sei.642 Gruppendruck war in einer weiteren Klasse wirkmächtig. Von elf Kandidat*innen hatten sich acht von Anfang an gegen die Tonaufnahme ihrer Prüfung ausgesprochen. Drei waren zunächst einverstanden gewesen, schlossen sich jedoch allmählich der Meinung der Majorität an und zogen ihre Zusage zurück.643 (2) Einzelentscheidungen: Es gab Klassen, deren Maturant*innen sich zwar prinzipiell zur Mitwirkung entschlossen hatten. Einzelne Schüler*innen lehnten eine Prüfungsanalyse aber aus persönlichen und nicht näher ausgeführten Gründen ab.
Lehrer*innen-Bedenken: Elf Lehrpersonen wiesen die Mitwirkung am Forschungsprojekt von Haus aus zurück. Vier Gründe wurden angeführt: (1) Verweigerung von Tonaufnahmen: Zwei Lehrpersonen lehnten das Verfahren der Tonaufzeichnung von Prüfungsgesprächen aus prinzipiellen Erwägungen ab, ohne Argumente anzuführen.644 (2) Untersuchungszeitpunkt: Vier Lehrer*innen befanden eine Untersuchung der neuen Reifeprüfung im ersten Jahr ihrer Umsetzung für zu früh angesetzt, erklärten sich aber bereit, zu einem späteren Zeitpunkt an Forschungsvorhaben zur Reifeprüfung mitwirken zu wollen. Es sei „[…] ein verständlicher und legitimer Wunsch meinerseits, zunächst selbst zu prüfen, ob und wie ‚meine‘ Fragen in der konkreten Prüfungssituation funktionieren und ob Veränderungen und Adaptierungen notwendig sind.“645 Zwei Lehrende wollten im Beobachtungzeitraum deshalb nicht mitwirken, „da es für uns selbst vorne und hinten spannend und neu ist“.646 (3) Protest: Eine Lehrperson lehnte die Mitwirkung ab, weil „[…] weder ich noch irgendein Kollege oder Kollegin (sic!) wurden jemals im Vorfeld, also vor der Einführung, um unsere Meinung zur Neuen (sic!) mündlichen Matura befragt. Auch wurden Einwände, wie z. B. das (sic!) man das Schuljahr der 8. Klasse für den Themenpool gleich hoch berechnet (6 Themenbereiche) wie die anderen Schuljahre auch nicht berücksichtigt.“647 (4) Ohne Begründung: Drei Lehrer*innen sagten ihre Mitwirkung ohne jede Argumentation ab.
Daher musste das Untersuchungsvorhaben geändert werden. An die Stelle der angestrebten Analyse eines repräsentativen Kollektivs trat eine Ad-hoc-Stichprobe. Von den 185 in Frage kommenden Prüfungen an 19 Schulen wurden 30 Prüfungen (16,22 %) aus sieben Schulen (35 %) dokumentiert und ausgewertet.
7.1.2