Malvina Moorwood (Bd. 1). Christian Loeffelbein

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Название Malvina Moorwood (Bd. 1)
Автор произведения Christian Loeffelbein
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649633716



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Blutige Schinken

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      Obwohl ich vor nicht allzu langer Zeit bereits eine Portion Rührei verdrückt hatte, langte ich bei den Baxters ordentlich zu. Ein zweites Frühstück war ja nie verkehrt und im Gegensatz zu der etwas trüben Vorstellung bei uns heute Morgen im Schloss ging es bei Tom ziemlich fröhlich zu.

      Mr Baxter quetschte sich mitsamt seiner Polizeiuniform in die Küche und erzählte Tomatenwitze. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob Toms Vater nicht seinen Beruf verfehlt hatte, denn er war wirklich gut darin, Tomatenwitze zu erzählen. Das hätte er auf jeder Bühne machen können und bestimmt wären alle Plätze im Zuschauerraum besetzt gewesen. Na ja, immerhin hatte Moorwood auf diese Weise den lustigsten Polizeichef von England.

      Dann unterhielten sich Tom und sein Vater über eine Denksport-Olympiade, die gerade live im Internet lief. Das war stinklangweilig, aber Mrs Baxter versorgte mich währenddessen mit Geschichten aus ihrem Laden, in dem sie allen möglichen merkwürdigen Krimskrams verkaufte und dementsprechend merkwürdige Kunden hatte. Ein Mann mit einer knallroten Krawatte, die noch dazu mit den Symbolen verschiedener Sternzeichen bedruckt gewesen war, hatte sich in ihrem Laden die Vitrine mit den magischen Heilsteinen angeschaut. Und dann die Kristallkugeln. Und dann hatte er alle Postkarten gekauft, auf denen unser Schloss abgebildet war. Und etwas später am Tag war ein anderer Mann in den Laden gekommen, der trotz der Hitze eine schwarze Lederjacke getragen hatte und der ebenfalls alle Postkarten haben wollte, die Moorwood Castle zeigten. Nur dass eben keine mehr da waren. Da hatte der Mann angefangen zu schimpfen, aber nicht auf Englisch.

      »Ich glaube, es war Russisch«, erklärte mir Mrs Baxter.

      Daraufhin hörte Mr Baxter auf, mit Tom über Denksport zu sprechen, und gab einen Tomatenwitz zum Besten, in dem außer Tomaten auch ein Russe, ein Chinese und ein Eisbär vorkamen. Der Witz war so komisch, dass selbst Tom vor Lachen fast vom Stuhl fiel, und er war einiges an Tomatenwitzen gewohnt.

      Schließlich ging Mr Baxter zu seiner Polizeistation, Mrs Baxter in ihren Laden und Tom und ich gingen in Toms Zimmer.

      »Wir haben eine erste Spur«, verkündete ich.

      »Echt?« Tom machte so große Augen wie der Teddybär, der auf dem Oberteil seines Pyjamas prangte.

      »Schickes Teil«, sagte ich.

      Tom wurde rot. Er nuschelte etwas, das ich nicht verstand, und verschwand mit seinen Klamotten im Badezimmer.

      »Hast du nicht gehört, was deine Mutter erzählt hat?«, rief ich durch die geschlossene Tür.

      »Was denn?«, fragte Tom.

      »Da waren diese beiden Herren, die Ansichtskarten von Moorwood Castle kaufen wollten. Der eine hat alle abgestaubt und der andere ging leer aus.«

      »Und das ist eine Spur?« Tom erschien wieder auf der Bildfläche.

      »Jetzt denk doch mal nach«, forderte ich ihn auf. Als Detektiv war Tom gerade eindeutig nicht in Bestform. Warum eigentlich nicht?

      Aha!

      Sein Blick ging an mir vorbei, geradewegs auf den Bildschirm seines Computers zu, den er auf dem Weg ins Badezimmer noch schnell angeschmissen hatte. Auf dem Monitor war ein Feld zu sehen, das aus verschiedenen Plättchen bestand, so ähnlich wie ein Schachbrett, aber ziemlich bunt. Ein verpeilt aussehender Typ stand vor dem Feld und schien die bunten Plättchen auf irgendeine Art ordnen zu müssen. Meine Güte, war das langweilig. Ich machte einen Schritt zu Toms Schreibtisch, bückte mich und zog den Stecker vom Computer.

      »He!«, protestierte Tom.

      »Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun«, sagte ich.

      »Die Denksport-Olympiade ist auch wichtig«, maulte Tom.

      »Aber nicht so wichtig wie unsere Detektivarbeit«, widersprach ich.

      Tom seufzte. Er wusste, dass ich recht hatte.

      »Also, da waren diese beiden Typen, die Postkarten kaufen wollten«, setzte Tom an. Jetzt kam er so langsam in Fahrt. »Der eine hat gleich alle gekauft, die da waren. Auch Motive, die er dann doppelt hat«, folgerte er.

      »Gehen wir mal davon aus, dass er sie nicht gekauft hat, um seiner Verwandtschaft Urlaubsgrüße aus Moorwood zu schicken«, sagte ich.

      Tom nickte. »Dann hat er vielleicht so viele Postkarten gekauft, weil er nicht wollte, dass noch andere Leute Postkarten von eurem Schloss abbekommen.«

      »Und wer könnte daran ein Interesse haben?«, fragte ich und wedelte mit den Armen, um anzudeuten, dass ich die Antwort auch selbst wusste und die Frage nur stellte, um Tom auf die Sprünge zu helfen.

      »Du meinst, dieser Mr Bommel, der euer Schloss kaufen will?«, sagte Tom etwas träge. Er rieb sich über die Stirn.

      »Na klar.« Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, Tom zu schütteln. Aber ich tat es nicht. »Natürlich war er das. Deine Mutter hat gesagt, dass der Typ eine alberne rote Krawatte trug. Das passt doch genau zu jemandem, der den albernen Namen Mr Bommel hat. Du brauchst nur eins und eins zusammenzuzählen. So machen das gute Detektive. Übrigens spricht man den Namen Beaumel aus, der Kerl ist nämlich Franzose. Aber ich sage weiter Mr Bommel.«

      »Ich weiß nicht«, brummte Tom noch träger.

      Mein Schüttel-Bedürfnis verstärkte sich um ein Vielfaches.

      »Ich weiß nicht«, wiederholte er.

      »Was weißt du nicht?«, fragte ich ungeduldig. »Wie man den ausspricht, ist ja total egal. Und alles andere ist doch klar. Dieser Bommel war gestern im Laden deiner Mutter, das heißt, dass er hier im Städtchen herumlungert und nur darauf wartet, sich unser Schloss unter den Nagel zu reißen. Bestimmt wohnt er in einem Hotel und genau dort werden wir ihn jetzt aufspüren und ausquetschen.«

      »Ich weiß nicht …«

      Schütteln reichte eigentlich nicht mehr. Am liebsten hätte ich Tom gegens Schienbein getreten oder wäre ihm auf die Füße gesprungen, aber ich hatte Angst, dass er dann nicht mehr mitspielte.

      »Hallo-ho!«, rief ich stattdessen. »Ist jemand zu Hause? Malvina an To-hom! Ich denke, wir wollen Detektive sein!«

      »Ja eben«, brummte Tom. »Und Detektive halten sich an die Fakten und ziehen Schlussfolgerungen«, erwiderte er neunmalklug.

      »Ja, ja, genau.« Ich lief zur Tür. »Eins und eins macht zwei. So geht’s!«

      »Na ja, aber das sind alles keine echten Schlussfolgerungen«, widersprach er. »Wenn jemand Bommel oder Beaumel heißt, bedeutet das nicht, dass er rote Krawatten trägt. Und wenn jemand Postkarten von eurem Schloss kauft, bedeutet das nicht, dass er euer Schloss auch kaufen will. Und selbst wenn es so wäre, bedeutet das nicht, dass er in Moorwood übernachtet.«

      Ich wurde sauer. Erstens, weil ich nie und nimmer gedacht hätte, dass mein bester Freund so ein mieser Spielverderber war. Und zweitens, weil er recht hatte.

      Wütend stampfte ich mit dem Fuß auf. »Dieser Bommel lauert im Hotel, um was wollen wir wetten?«

      Tom zuckte mit den Schultern. Ich sah ihm an der Nasenspitze an, dass er kurz davor war, seinen dämlichen Computer wieder hochzufahren und die noch dämlichere Denksport-Olympiade anzuglotzen. Mit zusammengekniffenen Augen blitzte ich ihn an und versuchte den Mama-Trick, also die wortlose Übermittlung einer wichtigen Botschaft. Sie lautete: Du. Kommst. Jetzt. Mit.

      »Na gut«, brummte Tom und schlurfte mir entgegen.

      Na, wer sagt’s denn!

      Wenig später gingen wir gemeinsam durch die immer noch ziemlich leeren Straßen. Das Städtchen Moorwood war zwar nicht ganz so alt wie unser Schloss, aber dafür um einiges hübscher, zumindest der Stadtteil, in dem Tom wohnte, und wenn man auf Blumenbeete, Strohdachhäuser und sehr saubere Straßen stand. Für mich war das alles ein wenig zu aufgeräumt, aber es gab eine