Malvina Moorwood (Bd. 1). Christian Loeffelbein

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Название Malvina Moorwood (Bd. 1)
Автор произведения Christian Loeffelbein
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649633716



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Schokofrösche«, sagte Tom.

      Da das Hotel von Moorwood Zur fetten Forelle hieß, starrte ich ihn mit großen Augen an.

      »Na, deine Wette«, erklärte Tom. »Fünf Schokofrösche, dass Mr Beaumel nicht in der Fetten Forelle ist.«

      Ach, daher wehte der Wind!

      »Na klar«, sagte ich siegessicher.

      Und dann standen wir auch schon vor unserem ersten Einsatzort.

      Und jetzt?

      »Und jetzt?«, fragte Tom, obwohl ich ihm diesmal gar keine stumme Botschaft übermittelt hatte.

      Ein Plan musste her, und zwar sofort. Ich wollte auf keinen Fall, dass Tom mir noch mal einen Vortrag darüber hielt, wie ein richtiger Detektiv vorging.

      »Ich marschiere jetzt da rein«, beschloss ich. »Und dann sage ich, dass ich Betty Bommel bin und zu meinem Onkel will, der hier wohnt. Und dann sagt mir der Typ an der Rezeption, in welchem Zimmer der Bommel wohnt, und wir wissen Bescheid.«

      »Aber …«, fing Tom an, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. Statt mit ihm zu diskutieren, stieß ich die schwere Eingangstür der Fetten Forelle auf und ging hinein. Drinnen war es ziemlich dunkel und es roch noch feuchtem Mörtel. Merkwürdig. Aber gut, wenn die hier Strom sparen wollten, umso besser, das erhöhte wenigstens die Chancen, dass mich keiner erkannte.

      Ich ging zu dem Typen am Empfangstresen, der damit beschäftigt war, einen großen Karton mit Styroporplatten auszupacken.

      Komische Tätigkeit für einen Empfangstresen-Typen.

      Hier stimmte etwas nicht. Aber was?

      »Oh, hallo, ist das nicht die kleine Lady Malvina?«, flötete er mir entgegen.

      Mist.

      »Was verschafft mir denn die Ehre?«, wollte er wissen.

      Doppel-Mist.

      »Nichts«, sagte ich. Was Besseres fiel mir einfach nicht ein. Ich drehte mich auf dem Absatz um und rannte nach draußen, wo mich Tom mit einem Grinsen empfing. Sah man mir meinen Misserfolg so deutlich an?

      »Was ist?«, knurrte ich. Leider war ich nicht gut darin, schlechte Laune zu verbergen.

      »Die haben geschlossen, weil renoviert wird.« Tom zeigte auf ein großes Schild, das neben dem Eingang stand. Man musste schon sehr blind sein, das zu übersehen.

      »Mr Beaumel ist nicht hier«, schlussfolgerte er überflüssigerweise.

      »Was du nicht sagst«, zickte ich ihn an. Das war nicht fair, aber mein Reinfall setzte mir ziemlich zu.

      »Vielleicht ist er im Blutigen Schinken«, sagte Tom.

      Zum Blutigen Schinken, so hieß das Wirtshaus in einer Seitenstraße vom Marktplatz, übrigens eine etwas weniger aufgeräumte Gegend von Moorwood. Die Erwachsenen sagten zwielichtig dazu, und es gab ein ungeschriebenes Gesetz, dass Kinder am Blutigen Schinken nicht vorbeigehen durften, ohne die Straßenseite zu wechseln.

      »Im Blutigen Schinken gibt es ein paar Fremdenzimmer«, sagte Tom. »Vielleicht ist dein Mr Beaumel ja dort abgestiegen, falls er sich tatsächlich noch in Moorwood aufhält.«

      »Genial!«, lobte ich ihn für seine gute Idee und klatschte etwas albern in die Hände.

      »Na ja«, meinte Tom, »das steht da auf dem Schild.«

      Er drückte seinen Daumen auf die Tafel und las vor: »Gästezimmer vermietet Mr J. Randolf, Gasthaus Zum Blutigen Schinken, Marktstraße 11. Ein größeres Hotel finden Sie in unserem Nachbarort West Bucklington. Ab September sind wir dann wieder für Sie da

      Tom sah mich mit funkelnden Augen an. »Ich habe einfach eins und eins zusammengezählt.« Er grinste breit. »So machen das doch gute Detektive. Hast du selbst gesagt.«

      »Hm«, brummte ich.

      Vergnügt pfeifend zog Tom los, ich trottete hinterher. Das passte mir zwar eigentlich gar nicht in den Kram, aber ich hatte keine andere Wahl.

      »Da ist es«, sagte Tom, als ob ich auch noch zu blöd wäre, das Gasthaus im Halbdunkel der Seitenstraße zu erkennen. An einer Eisenstange über der Eingangstür baumelte eine hölzerne Schinkenkeule, deren rote Farbe schon etwas verblichen und verwittert war. Im Mauerwerk klafften Risse und die Fenster mussten auch mal wieder geputzt werden … Schon als ich klein war, hatte dieses Haus eine dunkle Anziehungskraft auf mich gehabt, und ich war immer traurig gewesen, wenn Mama mich schnell daran vorbeigezerrt hatte.

      Inzwischen war ich allerdings alt genug, um zu verstehen, warum sie das getan hatte.

      Aus der Tür des Gasthauses trat gerade ein Mann, dessen ungesunde Gesichtsfarbe ein wenig dem über ihm baumelnden Holzschinken glich. Eine Wolke aus Tabakqualm und der scharfe Geruch von noch schärferen Getränken waberten uns entgegen.

      »Heudehamwirallelampenan«, lallte der Mann, nachdem sich die Tür hinter ihm wieder geschlossen hatte. Er torkelte auf uns zu, und wenn Tom nicht zur Seite gesprungen wäre, hätte der Mann ihn angerempelt.

      »Puh«, machte Tom.

      Ich nickte und hielt mir die Nase zu.

      »Und jetzt?« Er sah mich fragend an.

      Erfreut darüber, dass er nicht mehr die Führungsrolle beanspruchte, reckte ich mich auf die Zehenspitzen. Das Dumme war nur, dass ich auch nicht so richtig weiterwusste. Durch die verschmierten Glasscheiben konnte ich nicht besonders viel erkennen, aber doch genug, um einzusehen, dass weder Tom noch ich so einfach in den Schinken hineinspazieren konnten.

      Zu allem Überfluss kam mir jetzt in den Sinn, dass Jack Randolf, der Wirt des Schinkens, den Spitznamen Jack the Ripper trug. Und dass er schon mal im Gefängnis gewesen sein soll, und zwar nicht nur zu Besuch. Auf einmal hatte ich gar keine große Lust mehr, in den Blutigen Schinken hineinzuspazieren …

      »Was macht ihr denn da?« Mama war auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufgetaucht und schaute uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich glaube, sie hätte mich sofort am Arm gepackt, wenn sie nicht in jeder Hand eine Papiertüte mit Geschenken getragen hätte.

      Mit Geschenken für mich, da war ich mir ziemlich sicher. Aber das war jetzt natürlich nicht so wichtig.

      »Öh«, machte ich.

      »Äh«, machte Tom. »Hallo, Lady Moorwood!«

      »Hallo, Tom«, grüßte Mama zurück.

      Für mich hatte sie lediglich einen ihrer mitteilsamen Blicke übrig.

      Ab ins Auto, sagte der Blick.

      Mama drückte mir eine der Papiertüten in die Hände, holte den Wagenschlüssel aus ihrer Tasche, und gleich darauf machte es neben uns klack, als die Zentralverriegelung unseres Landrovers aufsprang. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der am Straßenrand stand.

      Mama wandte sich Tom zu. »Sollen wir dich nach Hause fahren?«, fragte sie.

      Das heißt, eigentlich fragte sie das nicht. Es war eher ein Befehl.

      Tom beeilte sich einzusteigen und ich war ebenso schnell im Wagen.

      Und dann geschah es:

      Während Mama die Papiertüten im Kofferraum verstaute, ging erneut die Tür vom Blutigen Schinken auf. Und erneut trat ein Mann heraus. Diesmal allerdings alles andere als so eine traurige wankende Gestalt wie gerade eben, wenn auch nicht weniger gruselig.

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      Genau genommen: viel gruseliger!

      Tom hielt den Atem an.

      Ich auch.

      Der Mann war Jack »the Ripper« Randolf persönlich.

      Zwei Meter groß, mindestens.

      Glatze.