Die zerbrochene Flöte. Maj Bylock

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Название Die zerbrochene Flöte
Автор произведения Maj Bylock
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711464915



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die Ladung gehörten, war zu Mutter gekommen und hatte all ihre Habe verlangt. Haus und Möbel, sogar den Ring, den Mutter als Hochzeitsgabe von Vater erhalten hatte, nahm er ihnen weg.

      Dan erinnerte sich nur an das kleine Zimmer, das sie danach hatten. Er erinnerte sich an einsame Tage, als Mutter fortging, um bei Fremden zu waschen. Nur dort, wo man Aushilfskräfte benötigte, erhielt sie Arbeit. Niemand wollte der Frau eines Mörders eine feste Anstellung geben.

      Und ich, dachte Dan. Was hätte ich dort für ein Auskommen gehabt? Niemand hat mich als Lehrbub aufnehmen wollen. Ich war nur gut genug, um Botengänge zu erledigen, wenn sonst niemand zur Hand war.

      Nein, jetzt, da Mutter nicht mehr da war, gab es nichts, was ihn noch in der Stadt hielt.

      Dan stand still und ließ die Nebelschwaden der Erinnerungen an sich vorüberziehen. Sie waren dunkel und schmerzlich. Aber es gab auch ein anderes Bild in seiner Erinnerung. Eines Abends, kurz vor Mutters Tod, hatte er gespürt, wie ihre weichen Hände ihm einen Riemen um den Hals banden. An dem Riemen hing der Sonnenstein. Auf der einen Seite war er flach und eben, auf der anderen scharf und gezackt.

      Dan konnte ihre Worte immer noch hören: „Die andere Hälfte habe ich deinem Bruder Jakob um den Hals gehängt, als er groß genug war, um zur See zu gehen!“

      Am selben Abend, als Mutter ihm den Stein um den Hals gehängt hatte, schwor sich Dan, Jakob zu finden. Und wo sollte Jakob sein, wenn nicht auf dem Meer?

      Wer zur See wollte, mußte auf ein Schiff, und Schiffe gab es im Hafen. Aber der Hafen lag in der Stadt, und dorthin wollte Dan nicht zurückkehren.

      Dennoch folgte er dem Strand nach Norden, der Stadt zu. Den ganzen Tag wanderte er am Strand entlang, und schließlich sah er die Stadtmauer, die sich schwer und grau gegen den Abendhimmel abzeichnete. Wie ein Drache ringelte sich die Mauer um die Häuser der Stadt, während die hohen Wachtürme wie die Stacheln auf dem Rücken des Drachen hochragten.

      Die Wächter hatten die Stadttore noch nicht geschlossen, und so konnte Dan noch durch die modrig kühle Dunkelheit des Südtores hineinhuschen.

      In dem Moment, als er auf den dahinterliegenden Platz treten wollte, hörte er den Gleichschritt der Wache auf dem Straßenpflaster näherkommen. Rasch verbarg er sich hinter ein paar Steinblöcken, die aus der Mauer herausragten und sah, wie die Männer gemeinsam den schweren Balkenriegel auf der Innenseite der beiden Torhälften vorschoben.

      Heute nacht konnte kein ungebetener Gast mehr in die Stadt eindringen. Jetzt konnten sich die Wächter einen oder zwei Becher Bier in der Schwarzen Tonne gönnen.

      Dan blieb vorerst noch in seinem Versteck. Obwohl bisher niemand nach ihm gefragt hatte, mochte er sich nicht auf den Straßen sehen lassen. Wenn die Leute Plattnas erblickten, würden sie bestimmt neugierig. Dann würden sie Dan zwingen zu spielen, um den Affen tanzen zu sehen.

      Andererseits, dachte er, würden wir dann vielleicht etwas zu essen bekommen!

      Aber Dan verabscheute die Menschen in der Stadt und wollte ihnen nicht vorspielen. Außerdem schmerzte seine Hand jetzt viel zu sehr. Er könnte nicht mehr gut genug spielen.

      Plattnas ... Plötzlich wurde ihm klar, daß er etwas finden mußte, in dem er das Tierchen verstecken konnte.

      Dan wartete, bis es ganz dunkel geworden war. Dann schlich er durch die engen Gassen zu dem Haus hinüber, wo Mutter und er ihr Zimmerchen gemietet hatten. Vielleicht ist das Zimmer noch leer, dann könnten wir dort schlafen, dachte er.

      Doch aus dem Fenster schien Licht. Enttäuscht schlüpfte er statt dessen durchs Gartentor des Nachbarn. Dort im Garten wuchsen sowohl Maulbeeren als auch Birnen. Das wußte er genau, er hatte sich dort schon häufig insgeheim sattgegessen.

      Dan tastete an den vertrauten Zweigen entlang. Maulbeeren gab es keine mehr. Aber die Birnen! Plattnas hatte schon entdeckt, daß oben im allerhöchsten Wipfel noch mehrere Birnen hingen. Er hüpfte wild durch die Äste, so daß fast alle neben Dan ins Gras plumpsten.

      In dieser Nacht schliefen Dan und Plattnas auf der Erde unter den Bäumen.

      Schlafen ... Dan fand nicht viel Schlaf. Das Gras war taunaß, und seine Kleider wurden bald feucht. Außerdem wurde die Nachtluft um diese Jahreszeit allmählich kühl. Die sommerliche Wärme war dahin.

      Dan wälzte sich hin und her, streckte sich, rollte sich zusammen und sehnte sich nach dem weichen Heuhaufen am Dorfrand.

      Plattnas schlief fest. Er schnarchte sogar ab und zu und scharrte mit seinen kleinen Händen. Ob er wohl träumte? Vielleicht befand er sich gerade in einem fernen Land? In einem fremden Land, in dem Bäume, Blumen und Menschen ganz anders aussahen als hier. Was mochte das Äffchen alles erlebt haben, bevor es zu Dan kam? Er wußte so wenig von ihm.

      In dieses fremde Land werden wir reisen, überlegte Dan. Vielleicht sind wir morgen schon dorthin unterwegs. Er rollte sich noch fester zusammen und dachte an das wunderbare Land. Zu essen gab es dort sicher reichlich, und nachts war es dort warm und angenehm.

      Doch kaum war er eingeschlafen, kehrte der Seeräuber von gestern nacht zurück. Genau wie gestern durchbohrte er Dans Hand mit seinem glühenden Schwert. Dan begann zu schwitzen, obwohl die Nachtluft kühl war. Er schwitzte und fluchte über seine verflixte Hand, die so sehr schmerzte.

      Dann endlich brach der Morgen an. Jetzt mußte Dan aus dem Garten verschwinden, bevor die Menschen ringsum aufwachten. Und Plattnas! Er hatte ja immer noch keine Ahnung, wo er das Äffchen verbergen sollte.

      Dan sah sich im Morgenlicht um. Dort hinten hing Wäsche zum Trocknen. Eine dieser gestreiften Schürzen würde sich gut eignen, dachte er. Ich könnte sie zu einem Bündel zusammenschnüren, so ähnlich wie das der alten Bettlerin. Dann könnte ich Plattnas hineinstecken.

      Aber Plattnas würde sofort seinen Schwanz hinausstrecken, und seine vier kräftigen Hände würden die Knoten aufscharren. Bevor sie halbwegs unten am Hafen wären, würde der neugierige kleine Kopf bestimmt auch schon herausschauen. Dan brauchte einen Sack. Einen richtigen, dichten Sack, den er ordentlich zubinden konnte, in dem Plattnas aber trotzdem noch Luft bekam.

      Doch einen Sack warf man nicht so einfach weg, daher konnte er kaum hoffen, einen zu finden. Während er eine Birne frühstückte, überlegte er.

      „Plattnas, komm herunter!“ flüsterte er plötzlich. „Ich habe eine Idee!“

      Aber Plattnas wollte nicht. Er sprang hoch oben in den Baumwipfeln von Ast zu Ast und wollte, daß Dan mit ihm spielte. Erst als Dan einen vorsichtigen Ton auf der Flöte blies, kam der Affe herunter.

      Inzwischen war es fast ganz hell. Da hörte Dan, wie die Haustür aufging, er riß Plattnas an sich und schlüpfte zum Gartentor hinaus.

      „He, du da!“ rief eine morgenheisere Stimme aus dem Garten hinter ihm her.

      Doch da war Dan schon unterwegs zum Hafen.

      Die Gassen waren eng und krumm, aber Dan kannte hier jeden Winkel. Die Lybsche Gasse, dann hinaus auf die Strandstraße. Jetzt war er bald am Hafen. Bisher war er niemandem außer einem verschlafenen Schreinerlehrling begegnet, der aber nur Augen für das Straßenpflaster vor seinen Zehen hatte.

      Da zuckte Plattnas plötzlich erschrocken zusammen, und bevor Dan überhaupt einen Gedanken fassen konnte, hatte der Affe schon einen Satz auf den Bretterzaun neben der Gasse gemacht. Dort oben hockte eine Katze, und Plattnas verabscheute Katzen!

      Dan stürzte hinterher und erwischte Plattnas am Schwanz, kurz bevor die Rauferei losging. Plattnas schnatterte wütend auf die Katze ein, die fauchte, mit den Augen funkelte und ihren aufgeplusterten Schwanz in die Luft streckte.

      Rasch rannte Dan davon. Das hätte vielleicht einen Aufruhr gegeben! Jetzt begriff er erst recht, wie dringend er den Sack benötigte. Nicht nur, um Plattnas darin zu verstecken, sondern auch, um die Stadt vor dem Äffchen zu verbergen. Wenn es alle spannenden Dinge zu sehen bekäme, hinter denen es herjagen könnte, hätte Dan nichts anderes zu tun, als das Tierchen zu hüten.

      Er blieb stehen und band Plattnases Schnur an seinem