Название | Kojas Waldläuferzeit |
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Автор произведения | Alois Theodor Sonnleitner |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711570043 |
Was du recht vorbedenkest,
Das wird einst recht getan.
Agi hatte mit angehaltenem Atem gelauscht und vom Gesichte Hans Pauls keinen Blick gewendet. Sie hatte ja noch nie einen Dichter gesehen; jetzt hatte sie einen vor Augen, einen wirklichen Dichter! — Wann hätte sie das zu hoffen gewagt?
Und so treuherzig schauten seine braunen Augen auf sie hernieder, dass sie den Mut fand, den Wunsch auszusprechen: „Bitte, singen Sie das Lied noch einmal, ich möcht’ es nachschreiben.“ Da taten ihr die beiden den Willen. Ja, Urban riss ein paar Blätter aus seinem Notizbuch, zog aus freier Hand rasch die Notenlinien und schrieb die Melodie auf samt dem Text. Agi war selig.
Als die beiden dankend Abschied nahmen, gab’s ein kräftig Händeschütteln und von beiden Seiten klang es aufrichtig und zuversichtlich: „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen!“
Und sie ahnten es nicht, wo und wie sie einander wiedersehen würden. Wer vermag in die Zukunft zu schauen?
Das Beste
Als die warme Zeit kam, wo die wilden Kirschbäume, die am Mühlbachufer standen, von Sperlingen, Kernbeissern und Kojas Spielkameraden nach Herzenslust geplündert wurden, da erreichte das Glück der Kinder den Höhepunkt: Im Mühlbach floss das klare Wasser kaum hüfttief über feinkörnigen Wellsand dahin. Mit lustigen Gefährten zu plätschern, einander zu necken, im durchsonnten Grase sich auszuwärmen oder sich warm zu laufen und dann in den Kronen der Kirschbäume zu stehen und zu schmausen — gab’s ein herrlicheres Leben für muntere Jungen, wie sie sich so gerne bei Koja einfanden?
An einem sonnigen Donnerstage unternahm der neue Oberlehrer mit den 60 Schülern der Oberklasse, welche die drei letzten Schuljahre umfasste, den versprochenen Ausflug in die Neuda. Hier zeigte er ihnen die Flussinsel, den Betrieb der Mühle und der Milchwirtschaft. Die ganze Schar badete mit viel Gejauchze und Gekirre im Mühlbach. Auf der gemähten Wiese vor der Puhuhütte lagerte das junge Volk und verzehrte seine mitgebrachten Jausenbrote. Die besten Kletterer durften in die Kronen der Wildkirschbäume hinauf. Sie warfen die Früchte mit vollen Händen unter die Kameraden. Es war ein Balgen und Streiten, ein Purzeln und Übereinanderrollen, dass der aufsichtsführende Unterlehrer schliesslich zum Singen antreten liess, um Unheil zu verhüten. Und bald ertönte, die Gemüter besänftigend, der Blumenwalzer:
Die Wiesenblumen, die sprachen:
Wir wollen tanzen einmal — Ha, ha, ha.
Die Freude woll’n wir uns machen
Im grünen Wiesensaal — Ha, ha, ha,
Das Bächlein sprach: ja Schritt für Schritt
Da hüpf’ und tanz’ ich auch noch mit;
Ich will die Blümlein haschen,
Die sich die Füsschen waschen — .........
Die erste wie die zweite Stimme hatten gleichen Anteil an der wundersam rhythmischen Bewegung des Liedes. Es fuhr den zwei Mägden in die Beine, die auf der Wiese nebenan mit Heuwenden beschäftigt waren. Sie fassten einander anmutig um Hüfte und Schulter und tanzten, dass die Röcke flogen.
Indessen sass unter der Hauslinde der Oberlehrer mit den Müllerleuten beim Oberskaffee.a) So eilig er’s hatte, die Schale zu leeren, um bald mit dem jüngeren Amtsbruder Platz zu tauschen, nahm er sich doch die Zeit, über Koja ausführlich zu sprechen. Agis Blicke hingen an dem länglichen, ausdrucksvollen Gesicht des Schulmannes, dessen Ausdrucksfähigkeit vom üppigen Schnurrbart und den buschigen Augenbrauen erhöht wurde. Seine stahlblauen Augen leuchteten, als er, dem Vater zugewandt, sagte: „Ihr Koja ist ein gottbegnadeter Bursch, ein Besonderer. Gesund an Seel’ und Leib, lebensfroh, kein Duckmäuser, kein Streber. Mir so lieb wie seinen Kameraden. Er nimmt am Unterricht mit jener Freudigkeit teil, die mir verbürgt, dass ihm das Lernen, das Einsichtgewinnen, das Blickfelderweitern ein ehrliches Bedürfnis ist. Der um ein Jahr ältere Busch-Edi und Koja sind die findigsten Schlussrechner, die besten Zeichner, sie sind die tüchtigsten im Aufsatz; nur in der Satz- und Wortanalyse steht Koja dem Edi nach. Man merkt, dass er das Deutsch noch nicht ganz erworben hat. Aber auf dem Kirchenchor geigt einer so gut wie der andere und wenn’s nötig ist, singt jeder von beiden mit gleichem selbstverständlichen Vertrauen zu sich ein Solo, dem die Leute unten mit angehaltenem Atem lauschen; und keiner scheint sich dessen bewusst zu sein, dass er im grossen Raum vor mehr als tausend Menschen seine Stimme erschallen lässt. Ich hab’ die Gepflogenheit, vor dem Einüben der Melodien den Kindern die Bedeutung der lateinischen Wörter zu erklären, damit der Vortrag durchs Verständnis gewinne. Beim Abfragen versagen die meisten, es scheint ihnen eine unnütze Lernarbeit zu sein. Edi und Koja versagen nie. Wie lange schon mögen die sich darnach gesehnt haben, die Bedeutung der mit soviel Aufwand musikalischer Kunst ausgestatteten Worte zu erfahren! Der kleine, sehr ernste, fast zu ernste Busch-Edi ist der gebor’ne Schulmeister; den sollten Sie sehen, wie der unter seinen Kameraden mehr durch den Blick als durch Worte Ordnung hält! — Über Kojas künftigen Beruf trau’ ich mir noch kein vorgreifendes Urteil zu. Noch ist er unausgegoren, neigt zum Träumen und Tändeln; auch ist er noch unbesonnen, reizbar und gerät leicht in Zorn. Aber das wird sich geben, wenn er in eine andere Umgebung kommt. Das Hänseln und Raufen ist Bubenbrauch. Geben sie ihn nach Melk ins Gymnasium. Studieren soll er. Ich weiss wohl, dass er auch am Basteln seine Freude hat und gewiss ein guter Handwerker würde. Aber als allseitig gut beanlagter Junge, soll er sich zu einem ganzen Menschen auswachsen zum Kopfwerker und Handwerker. Er soll erst dann, wenn er die gymnasiale Maturab) hinter sich hat, sich seinen Beruf wählen. Wenn ihm der Beruf nicht Last sein wird, sondern Lust, wird er Grosses leisten zum Nutzen vieler. — Ich hab’ mich hier auf der Neudainsel und in der Mühle gut umgesehen; auch die Puppenmöbel, die Koja gebaut hat, sind mir nicht entgangen. Inmitten einer reichen Natur und eines auf Arbeitsteilung beruhenden landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebes, unter dem Einfluss guter Eltern, deren Leben ihm ein Vorbild ist, lebt Koja hier in einem Optimum, d. h. in seinem Besten, unter besterfüllten Bedingungen seiner Entwicklung. Ich kann Sie nur beglückwünschen und Ihnen raten: Lassen Sie ihn studieren.“ Damit erhob sich der hochgewachsene Mann und eilte, ohne eine Entgegnung der Eltern abzuwarten, in langen, wippenden Schritten quer über die gemähte Wiese, um seinen Unterlehrer in der Aufsicht abzulösen.
Als längst das von sechs Geigen begleitete Marschlied der heimkehrenden Ausflügler in der Ferne verklungen war, sass Agi noch unter der Linde. Sie sann dem fremden Worte nach, das eine so grosse Bedeutung hatte. „Optimum“ lispelte sie in Andacht vor sich hin, als spräch’ sie eine Gebetformel aus. — Was war das Optimum? — Was war das Beste? — Das eigne Haus auf eignem Grund, darin verträgliche, arbeitsfrohe Menschen, mit ihnen in guter Gemeinschaft die wohlgehegten Haustiere; rund umher der blühende Garten, Wiese und Hain, der rieselnde Bach, die singenden Vögel, die bunten Falter und als liebe Gäste fröhliche Spielgenossen. Ja, ja, das war für den Bruder das Beste, das war sein Optimum.
Koja, der die Mitschüler bis zum Erlafsteg begleitet hatte, langte mit geröteten Wangen bei der Schwester an. „Schön war’s!“ Da umfing ihr Blick die Gestalt des Bruders und blieb an seinen ausdrucksvollen Augen haften. — Ja, der war ein Besonderer. — Sie kam sich neben ihm so unbedeutend vor, als wär’ alles rund herum nur da, um als Optimum zu dienen, dass dieser besondere Bub sich auswachse zu einem ganzen Menschen. Und er sollte zunächst Student werden wie Hans Paul und Peter Urban. —
Von Haus und Hof
Die Getreideernte war in der Scheune geborgen. Auf den Stoppelfeldern machten sich die Sternmieren breit; und zwerghafte Rittersporne, die jetzt erst zum Blühen kamen, trugen mehr Blüten als Blätter. Der Spätsommer war da, die Pflaumen wurden blau bereift, die Äpfel bekamen rote Backen. Und es ward Herbst. Da kam eines Tages ein Brief von der Grossmutter: Sie lag seit Wochen krank und konnte nicht schlafen vor Sorgen.
Ihr Wittuma) war verschuldet und ihre Erntehoffnungen hatten sich nicht erfüllt. Die Rüben waren missraten. Sie hatten zu wenig Zuckergehalt, die Fabriken zahlten dafür weniger als sonst. Jeder Bauer hatte sich verrechnet, die meisten hatten von den Fabriken zu hohe Vorschüsse genommen. Von