PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION. Greig Beck

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Название PRIMORDIA 3 - RE-EVOLUTION
Автор произведения Greig Beck
Жанр Языкознание
Серия Primordia
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354890



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      »Irgendjemand zu Hause?«, flüsterte er und kicherte dann. Er konnte es kaum abwarten, über die Reling zu springen und sich die Beine zu vertreten. Doch wenn er in all den Jahren eines gelernt hatte, dann, dass die Kreaturen des Dschungels Meister der Tarnung waren und man deshalb jederzeit mit einem Angriff rechnen musste. Vorsicht und Geduld hatten ihn bis jetzt am Leben erhalten, und das wollte er fortführen.

      Der Schrei, der jetzt die Stille durchschnitt, ließ ihn unwillkürlich zusammenzucken. Selbst das kleine Reptil an seiner Seite drückte sich für einen Moment flach auf die Planken. Andy schaute hoch und dann noch weiter nach oben. Am Ufer stach ein einzelner Baum aus der uniformen Wand des Dschungels hervor, der an die fünfundzwanzig Meter hoch war. Die Äste, die dem Meer zugewandt waren, sahen so aus, als hätte man sie mit einem Sandstrahler bearbeitet. In den verbliebenen Ästen waren gerade einige mittelgroße Pterosaurier in eine Auseinandersetzung verwickelt, bis sie sich schließlich beruhigten und sich wieder niederließen, dann drehten sie sich in Andys Richtung und beobachteten ihn mit ihren tiefschwarzen Knopfaugen.

      »Sind das etwa Freunde von dir?«, fragte er seinen kleinen Kompagnon, doch der blieb stumm. Wahrscheinlich hatte ihm die rüde Ausdrucksweise seiner größeren Artgenossen die Sprache verschlagen.

      Andy hatte schon lange den brennenden Wunsch gehabt, sein Heimatland zu sehen, lange bevor es überhaupt Länder gab. Er wollte auf Anhöhen stehen, Täler durchqueren und die zerklüfteten Küsten betrachten und all die Landschaften in ihrer frühesten Entstehung erkunden, und dann würde er sich vorstellen, wie sie in der Zukunft aussehen würden.

      Er wollte die größten Fundorte von Fossilien besuchen, um dort die später versteinerten Kreaturen lebend anzutreffen. Wie cool wäre das denn bitteschön? Unglaublich cool, dachte er.

      Sein Wunsch forderte zwar jegliche Logik und sogar die Realität heraus, aber noch lebte er, und bis jetzt hatte er mit nur zwei Fingern einen lächerlich geringen Preis dafür bezahlt.

      »Sind wir endlich da?«

      »Häh?« Andy schaute hinab auf das kleine Wesen, das den Kopf schief legte und zu ihm aufsah. Er wusste genau, dass ihm seine Wahrnehmung gerade einen Streich spielte und die immerwährende Einsamkeit mit einem imaginären Freund zu kompensieren versuchte. Ich bin doch nicht wahnsinnig, dachte er und grinste. Jedenfalls noch nicht ganz.

      Das kleine, vogelartige Reptil kletterte auf sein Bein und er streichelte zärtlich die ledrige Haut. »Ja, wir sind endlich da.«

      Andy schaute lächelnd auf seinen winzigen Freund hinunter. Er hatte das Tier als Baby gefunden, als es nach dem Schlüpfen von der Mutter verstoßen worden war. Einer seiner Flügel war verkrüppelt gewesen und Andys erster Gedanke war es gewesen, es einfach zu essen, doch dann hatte er an die vielen Studien gedacht, die sich um die Intelligenz von Dinosauriern drehten. Wie schlau sind sie wirklich gewesen? Hätte man sie trainieren können? Das wollte er unbedingt herausfinden, also behielt er das kleine Wesen, das schnell eine Bindung zu ihm aufbaute. Umgekehrt galt absurderweise dasselbe.

      Was als wissenschaftliches Experiment begonnen hatte, brachte ihm schließlich seinen einzigen Freund in dieser Welt ein. Vor ein paar Jahren hatte Andy sogar angefangen, mit ihm zu reden, und eines Tages hatte der Saurier geantwortet.

      Nein, das hat er nicht, rief er sich selbst ins Bewusstsein. Er war ein Wissenschaftler und wusste genug über Medizin, um sich selbst eine Psychose zu attestieren. Tief in seinem Inneren wusste er, dass die Worte, die er immer hörte, lediglich aus seinem eigenen Gehirn kamen. Das Problem war nur: Es war ihm vollkommen egal.

      Obwohl er es nicht gern zugegeben hätte, war es wichtig für seine Motivation, einen Gesprächspartner zu haben, selbst wenn es nur ein Tier war. Eigentlich hatte er gedacht, dass es ihm nichts ausmachen würde, allein zu sein, doch das tat es. Von daher war es schön, seine Gedanken mit einem anderen Lebewesen teilen zu können.

      Gluck legte seinen länglichen Kopf jetzt auf Andys Oberschenkel und machte es sich auf dem von der Sonne erwärmten Bein bequem. Wahrscheinlich wollte der kleine Pterosaurier das Boot ebenso gerne verlassen wie er selbst.

      Auf seiner Reise hatte Andy schon oft das Ufer angesteuert, doch übernachtet hatte er meistens in seinem Boot, das er mit einem primitiven Anker, der aus einem Stein und einer Liane bestand, festmachte. Danach hatte er sich mit dem Segel zugedeckt und gebetet, den nächsten Morgen erleben zu dürfen.

      Er wusste, dass der Ozean voller Gefahren war, aber wenn man im Dschungel übernachten wollte, musste man zuerst einen richtigen Unterschlupf finden, zum Beispiel eine Höhle und sich dort verbarrikadieren. Alternativ konnte man auch auf einen Baum klettern oder sich im Schlamm eingraben, so wie es ihm Ben Cartwright erzählt hatte. Doch keine dieser Möglichkeiten war leichter oder sicherer, als einfach nur in einem schaukelnden Boot zu liegen und auf das Beste zu hoffen.

      Andy war Paläontologe und was er von seinen Ausgrabungen wusste, war, dass in solchen Flussmündungen, wo Süßwasser auf Salzwasser traf, richtig große Viecher lebten. Sie kamen dorthin, um Eier zu legen, ihre Jungen aufzuziehen und zu jagen. Wenn er sich noch ein Stück den Fluss hinaufbegeben würde, wäre er also auf jeden Fall sicherer als hier, immerhin gab es auch im Wasser Raubtiere, und zwar richtig große.

      Andy wartete immer noch ab und beobachtete seine Umgebung. Ungeduld war hier der Killer Nummer eins. Allerdings hatte er nichts mehr zu Essen und sein Trinkwasser bestand nur noch aus einem letzten Tropfen in einem ausgehöhlten Kürbis. Er brauchte dringend Nachschub.

      Sein Equipment bestand aus einem Speer, einer Steinschleuder und etwas, das aussah wie ein prähistorischer Tennisschläger – sein selbst gemachtes Fischernetz. Es war irre, wie viele kleine Meereslebewesen ganz nahe an sein Boot heranschwammen, um es zu untersuchen. Er konnte sie einfach aus dem Wasser fischen.

      »Hallihallo.« Andy sah eine kleine Herde aus etwa einem Dutzend zweibeiniger Kreaturen bestehend, die sich jetzt dem Wasser näherten. Sie bewegten sich wie Vögel und waren schiefergrau mit pechschwarzen Schwänzen, die sie steif nach hinten richteten. Er wettete, dass sie blitzschnell rennen konnten, und bewunderte die wie choreografiert wirkende Abfolge, in der sie tranken. Es blieben immer ein paar Köpfe in der Luft, die die Umgebung im Auge behielten, doch Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit halfen ihnen nur bedingt, da sie nicht unter die Wasseroberfläche schauen konnten, und mit dieser Einschätzung hatte Andy recht, denn der Angriff ließ nicht lange auf sich warten. Eine Art lebendiger Torpedo schoss plötzlich mit unglaublicher Geschwindigkeit und brutaler Kraft aus dem Wasser.

      »Wusste ich es doch«, murmelte Andy fasziniert. »Es ist also jemand zu Hause.«

      Die Kreatur war über drei Meter lang und sah aus wie eine Mischung aus einem Alligator und einer Robbe. Er leierte daraufhin einige mögliche Kandidaten herunter: »Uberasuchus, auf jeden Fall ein Mosasauroider, vielleicht sogar eine Unterart des Pannoniasaurus – wunderschön!«

      Der winzige Pterosaurier richtete sich daraufhin auf und spähte über die Reling.

      »Gluck

      »Ja, schon klar, aber denkst du auch, was ich gerade denke?« Andy grinste. »Für uns war das jetzt echt gut.«

      Der Vorteil von diesem Angriff war, dass dieser Räuber zwar groß genug war, um ihn anzugreifen, aber dem Boot konnte er nichts anhaben. Außerdem hatte er gerade erst gefressen.

      »Wir schaffen das schon.«

      Er hob das Paddel auf und manövrierte das Boot langsam in Richtung der Flussmündung. Das Wasser wurde schnell flacher, nachdem sie eine Sandbank passiert hatten. Im Fluss selbst war das Wasser klar und er sah dünne, silberne Fische darin hin- und herflitzen.

      Weiter unten entdeckte er eine zwei Meter lange, ledrige Scheibe, die über den Sand glitt. Der urzeitliche Vorfahre des Rochens war gefleckt wie ein Teppich und hatte einen Schwanz wie ein Hai, kein peitschenartiges Anhängsel wie seine modernen Nachkommen. Andy wusste, dass dieses Tier einer uralten Spezies von Knorpelfischen angehörte, die es schon vor zweihundert Millionen Jahren gegeben hatte – also, aus seiner jetzigen Perspektive seit hundert Millionen