Die Familiensaga der Pfäfflings. Agnes Sapper

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Название Die Familiensaga der Pfäfflings
Автор произведения Agnes Sapper
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955016395



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Herr Pfäffling mit fröhlichem, warmem Blick auf seinen Jungen und sagte: »Es gibt allerlei Heldentum, das war auch eines; nein, Kind, du bist doch kein Feigling!«

      7. Kapitel Immer noch nicht Weihnachten.

      Der letzte Schultag vor Weihnachten war gekommen. Wer sich von der Familie Pfäffling am meisten freute auf den Schulschluss, das war gerade das einzige Glied derselben, das noch nicht zur Schule ging, das Elschen. Ihr war die Schule die alte Feindin, die ihr, solange sie zurückdenken konnte, alle Geschwister entzog, die unbarmherzig die schönsten Spiele unterbrach, die ihre dunkeln Schatten in Gestalt von Aufgaben über die ganzen Abende warf und die auch heute schuld war, dass die Geschwister, statt von Weihnachten, nur von den Schulzeugnissen redeten, die sie bekommen würden.

      Sie saßen jetzt beim Frühstück, aber es wurde hastig eingenommen, die Schulbücher lagen schon bereit, und gar nichts deutete darauf hin, dass morgen der heilige Abend sein sollte. Die Kleine wurde ganz ungeduldig und missmutig. »Vater,« sagte sie aus dieser Stimmung heraus, »gibt es gar kein Land auf der ganzen Welt, wo keine Schule ist?«

      »O doch,« antwortete Herr Pfäffling, »in der Wüste Sahara zum Beispiel ist zurzeit noch keine eröffnet.«

      »Da musst du Musiklehrer werden, Vater,« rief die Kleine ganz energisch. Aber da alle nur lachten, sogar Frieder, merkte sie, dass der Vorschlag nichts taugte, und sie sah wieder, dass gegen die Schule ein für allemal nichts zu machen war.

      Heute sollte sie das besonders bitter empfinden. Als sie nach der letzten Schulstunde den großen Brüdern fröhlich entgegenkam, wurde sie nur so beiseite geschoben; die Drei waren in eifrigem, aber leise geführtem Gespräch und verschwanden miteinander in ihrem Schlafzimmer. Es waren nämlich die Zeugnisse ausgeteilt worden, und da zeigte es sich, dass Wilhelm in der Mathematik die Note »4« bekommen hatte, die geringste Note, die gegeben wurde. Das war noch nie dagewesen, die Zahl 4 war bisher in keinem Zeugnisheft der jungen Pfäfflinge vorgekommen. »So dumm sieht der Vierer aus,« sagte Wilhelm, »was hilft es mich, dass ein paar Zweier sind, wo das letzte Mal Dreier waren, der Vater sieht doch auf den ersten Blick den Vierer.«

      »Ja,« sagte Karl, »gerade so wie unser Professor auch in der schönsten Reinschrift immer nur die eine Stelle sieht, wo etwas korrigiert ist.«

      »Wenn wir es nur einrichten könnten, dass wir die Zeugnishefte erst nach Weihnachten zeigen müssten. Meint ihr, das geht?«

      »Nein,« sagte Karl, »man hat sonst jeden Tag Angst, dass der Vater darnach fragt. Aber es kann freilich die Freude verderben; hättest du es nicht wenigstens zu einem schlechten Dreier bringen können?«

      Wilhelm blieb darauf die Antwort schuldig. Die Schwestern waren inzwischen auch mit ihren Zeugnissen heimgekommen und suchten die Brüder auf. Marie warf nur einen Blick auf die Gruppe, dann sagte sie: »Gelt, ihr seid schlecht weggekommen?« und da keine Antwort erfolgte, fuhr sie fort: »Unsere Zeugnisse sind gut, besser als das letzte Mal, und der Frieder hat auch gute Noten. Dann wird der Vater schon zufrieden sein.«

      »Nein,« sagte Wilhelm, »er wird nur meinen Vierer sehen.«

      »O, ein Vierer?« »O weh!« riefen die Schwestern.

      »So jammert doch nicht so,« rief Wilhelm, »sagt lieber, was man machen soll, dass der Vater die Zeugnisse vor Weihnachten nicht ansieht?«

      Sie berieten und besannen sich eine Weile, ein Wort gab das andere und zuletzt wurde beschlossen, die Noten sollten alle zusammengezählt und dann die Durchschnittsnote daraus berechnet werden. Diese musste, trotz des fatalen Vierers, ganz gut lauten, so dass die Eltern wohl befriedigt sein konnten. Die Mutter hatte überdies selten Zeit, die Heftchen anzusehen, und dem Vater wollte man die schöne Durchschnittsnote in einem geschickten Augenblick mitteilen, dann würde er nicht weiter nachfragen; erst nach Neujahr mussten die Zeugnisse unterschrieben werden, bis dahin hatte es ja noch lange Zeit, so weit hinaus sorgte man nicht. Wilhelm war sehr vergnügt über den Gedanken, Otto, der das beste Zeugnis hatte, war zwar weniger damit einverstanden, wurde aber überstimmt, und sie machten sich nun an die Durchschnittsberechnung.

      Wilhelm holte Frieder herbei, der hatte der Mutter schon sein Zeugnis gezeigt, nun wurde es ihm von den Brüdern abgenommen. »Seht nur,« sagte Wilhelm, »wie der sich diesmal hinaufgemacht hat!«

      »Dafür kann ich nichts,« sagte Frieder, »die Mutter sagt, das kommt nur von der Harmonika. Wahrscheinlich, wenn ich eine neue zu Weihnachten bekomme, werden die Noten wieder schlechter. Gibst du mir mein Heft wieder, Karl?«

      »Nein, das brauchen wir noch, sei nur still, dass ich rechnen kann.«

      »Geh lieber hinaus, Frieder,« sagte Marie mütterlich, »das Elschen hat sich so gefreut auf dich,« und sie schob den Kleinen zur Türe hinaus.

      Es ergab sich eine gute Durchschnittsnote, und Marie wollte es übernehmen, sie dem Vater so geschickt mitzuteilen, dass er gewiss nicht nach den Heften fragen würde. Sie wartete den Augenblick ab, wo Herr Pfäffling sich richtete, um zum letztenmal vor dem Fest in das Zentralhotel zu gehen. An seinen raschen Bewegungen bemerkte sie, dass er in Eile war. »Vater,« sagte sie, »wir haben alle unsere Zeugnisse bekommen und die Noten zusammengezählt. Dann hat Karl berechnet, was wir für eine Durchschnittsnote haben, weißt du, was da herausgekommen ist? Magst du raten, Vater?«

      »Ich kann mich nicht mehr aufhalten, ich muss fort, aber hören möchte ich es doch noch gerne, eine Durchschnittsnote von allen Sechsen? Zwei bis drei vielleicht?«

      »Nein, denke nur, Vater, eins bis zwei, ist das nicht gut?«

      »Recht gut,« sagte Herr Pfäffling; er hatte nun schon den Hut auf und Marie bemerkte noch schnell unter der Türe: »Die Zeugnisheftchen will ich alle in der Mutter Schreibtisch legen, dass du sie dann einmal unterschreiben kannst.« »Ja, hebe sie nur gut auf,« rief Herr Pfäffling noch von der Treppe herauf.

      Die kleine List war gelungen, die Heftchen wurden sehr sorgfältig, aber sehr weit hinten im Schreibtisch geborgen; ungesucht würden sie da niemand in die Hände fallen.

      Herr Pfäffling freute sich jedes Mal auf die Stunden im Zentralhotel, denn es war dort mehr ein gemeinsames Musizieren als ein Unterrichten und so betrat er auch heute in fröhlicher Stimmung das Hotel. Diesmal stand die große Flügeltüre des untern Saales weit offen, Tapezierer waren beschäftigt, die Wände zu dekorieren, der Besitzer des Hotels stand mitten unter den Handwerksleuten und erteilte ruhig und bestimmt seine Befehle. »Das ist auch ein General,« dachte Herr Pfäffling, nachdem er einige Augenblicke zugesehen hatte. Große Tätigkeit herrschte in den untern Räumen. An der angelehnten Türe des Speisezimmers stand ein kleiner Kellner, die Serviette über dem Arm, einige Flaschen in der Hand und sah zu, wie eben zwei hohe Tannenbäume in den Saal getragen wurden. Aber plötzlich fuhr der kleine Bursche zusammen, denn hinter ihm ertönte eine scheltende Stimme: »Was stehst du da und hast Maulaffen feil, mach dass du an dein Geschäft gehst!« Es war Rudolf Meier, der den Säumigen so anfuhr. Als er Herrn Pfäffling gewahrte, grüßte er sehr artig und sagte: »Man hat seine Not mit den Leuten, heutzutage taugt das Pack nicht viel.« Eine Antwort erhielt Rudolf nicht auf seine Rede, ohne ein Wort ging Herr Pfäffling an ihm vorbei, die Treppe hinauf.

      Rudolf sah ihm nachdenklich nach. Es kam ihm öfters vor, dass er auf seine verständigsten Reden keine Antwort bekam, und zwar gerade von den Leuten, die er hoch stellte. Andere rühmten ihn ja oft und sagten ihm, er spreche so klug wie sein Vater; ob wohl solche Leute, wie Herr Pfäffling noch größere Ansprüche machten? Rudolf stellte sich die Brüder Pfäffling vor. Wie kindisch waren sie doch im Vergleich mit ihm, sogar Karl, der älteste; diesen Unterschied musste ihr Vater doch empfinden, es musste ihm doch imponieren, dass er schon so viel weiter war! Der kleine Kellner konnte es wohl noch bemerkt haben, wie geringschätzig Herr Pfäffling an ihm vorübergegangen war: so etwas erzählten sich dann die Dienstboten untereinander und spotteten über ihn, das wusste er wohl. Ja, er hatte keine leichte Stellung im Haus.

      Indessen war Herr Pfäffling die ihm längst vertraute Treppe hinaufgesprungen. Droben empfing ihn schon das flotte Geigenspiel seiner Schüler, und nun wurde noch einmal vor Weihnachten ausgiebig