Wenn man trotzdem lacht. Georg Markus

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Название Wenn man trotzdem lacht
Автор произведения Georg Markus
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия
Издательство Афоризмы и цитаты
Год выпуска 0
isbn 9783902998613



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      Das Problem für jeden Wiener: Man kann es in Wien nicht aushalten. Aber woanders auch nicht.

      Neben diesen und Dutzenden anderen Großen des Wiener Humors haben sich die »kleinen Leute«, wie erwähnt, ihren eigenen Schmäh geschaffen: den Witz – und mit ihm eine Reihe von Witzfiguren. Da wären einmal der Altgraf Bobby und dessen nicht minder vertrottelter Gefährte Rudi.

       Bobby und Rudi sind zu den Olympischen Spielen geladen. Bobby fragt, während er die Leichtathleten beobachtet: »Sag, verstehst du das, Rudi, warum rennen denn die Leut’ ständig auf dem Platz hintereinander her?«

       »Natürlich«, entgegnet der Freund, »das ist ein Wettrennen. Einer wird der Erste und gewinnt.«

       »Aha, verstehe«, sagt Bobby. »Aber warum rennen dann die anderen?«

      Zum ehernen Bestand unter Österreichs Witzfiguren zählt auch die neureiche Frau Pollak, die parvenühaft und ungeübt im Gebrauch von Fremdwörtern als Quelle immer wieder neuen Gelächters lebendig bleibt:

       »Stellen Sie sich vor, Frau Pollak, in New York wird alle fünf Minuten ein Mann überfahren!«

       »Mein Gott, der Arme!«

      Zu den Fixpunkten im österreichischen Humor gehören des Weiteren die Witze über die Burgenländer, die ausgerechnet dann ihre Hochkonjunktur erlebten, als einer aus ihren Reihen – nämlich Fred Sinowatz – österreichischer Bundeskanzler wurde:

      Warum lagern die Burgenländer so viele leere Weinflaschen im Eiskasten? – Es könnt’ einmal wer kommen, der nix trinken mag.

      »Was Humor ist, das hat wohl noch niemand zu erklären vermocht«, meinte Egon Friedell, »und ich glaube, schon der bloße Versuch, diesen Begriff näher bestimmen zu wollen, ist ein Beweis von Humorlosigkeit.«

      Da ich mich dieser Gefahr nicht aussetzen will, wende ich mich der ungleich humorvolleren Praxis zu.

»Das Schönste am Seitensprung ist der Anlauf«

       »Am liebsten ließe ich mich von mir scheiden« Die Kabarettgenies Fritz Grünbaum und Karl Farkas

      Mit diesem Zitat von Egon Friedell sind wir in den 1920er Jahren, der Blütezeit des Kabaretts und der Satire, angelangt. Unterhaltungskanonen wie Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Hermann Leopoldi, Armin Berg und Paul Morgan brachten das Publikum zum Lachen, dazu kamen die literarischen Kabaretts um Peter Hammerschlag und Jura Soyfer und geniale Satiriker wie Karl Kraus, Anton Kuh, Roda Roda, Alfred Polgar und Friedell eben. Egal, ob es damals um bloße Unterhaltung oder um politisch-zeitkritische Texte ging – alles spielte sich auf höchstem Niveau ab.

      Die Zeiten waren schlecht. Und das war die beste Voraussetzung dafür, dass Kabarett und Satire mehr Zuspruch fanden als je zuvor. Die mächtige Monarchie war nach einem grausamen Krieg zur kleinen, bedeutungslosen Republik geworden, deren Bewohner hungern und frieren mussten und auch noch in eine gigantische Inflation schlitterten. Der kürzeste Witz in dieser Zeit:

       Treffen sich zwei Kaufleute: »Servus, was treibst du?«

       »Preise!«

      Die Tristesse erweckte eine Sehnsucht nach befreiendem Lachen, die Menschen wollten Kummer und Sorgen wenigstens für ein paar Stunden loswerden. Kabaretts, Revue- und Operettenhäuser schossen aus dem Boden und boten Humoristen reichlich Gelegenheit für ihre Aufführungen.

      Da waren zunächst zwei Brettlgenies, die füreinander bestimmt waren, die einfach zusammenkommen mussten: Fritz Grünbaum und Karl Farkas galten in der Zwischenkriegszeit als die unumschränkten Herrscher des Kabaretts, denen das Publikum zu Füßen lag. Grünbaum war zuerst da, er war um dreizehn Jahre älter, und sein Stern ging wie ein Komet auf. Das Publikum brüllte vor Lachen, wenn er etwa sein Gedicht Die Schöpfung vortrug.

      Wenn man so näher betrachtet die Welt,

      Die ganze Schöpfung: den Wald und das Feld,

      Die Ochsen zu Land und im Wasser die Fischel,

      Die Christen in Linz und die Juden in Ischl,

      Die Sonn, die bei Tag ist, und den Mond, der bei Nacht ist,

      Kurz wenn man bedenkt, wie schön das gemacht ist,

       Und weiß, dass das Ganze mit Haut und mit Haar

      Doch eigentlich nur eine Postarbeit war,

      Weil alles, der Körper, der Geist und die Seele,

      Die Hunde, die Pferde, das Schwein, die Kamele,

      Die Antisemiten und Israeliten,

      Die Rosen, die Lilien und die Banditen,

      Die Bankdirektoren, die Schuster und Affen,

      Kurz, alles in nur sieben Tagen geschaffen.

       Da kann man nur sagen, bewundernd die Pracht:

       »Besser, pardon, hätt ich’s auch nicht gemacht« …

      Grünbaum war am 7. April 1880 in Brünn als Sohn eines jüdischen Kunsthändlers zur Welt gekommen und begann als Stegreifsprecher, um sein Jusstudium in Wien zu finanzieren. Schon seine ersten Auftritte waren so komisch, dass man ihn als professionellen Conférencier ins Kabarett Hölle holte.

      Gestern war ich bei Kopplers geladen.

      Wir sind schon befreundet aus Grado, vom Baden.

      Das heißt, Freunde vom Baden sind wir nicht,

      Wenn ich schon ganz erzählen soll die Geschicht’.

       Das Baden macht nämlich uns beiden kein’ Spaß:

      Die Luft ist zu trocken, das Meer ist zu nass,

      Dann spritzen die Wellen, man hat keine Ruh’,

       Man badet und badet und weiß nicht, wozu!

      Na, schließlich war uns das beiden zu fad,

      Er schimpfte aufs Schwimmen und ich auf das Bad.

      Er ging nicht ins Wasser, und ich blieb am Strand,

      Was brauch ich viel reden? Heut sind wir bekannt.

      Und gestern war ich zum Essen dort.

      Also bei Kopplers ist Essen ein Sport.

      Alles ist frisch, was dort kommt auf den Tisch,

      Nur die Frau Koppler ist nicht mehr ganz frisch.

       Aber, was schadet ein übles Gesicht?

      Wenn man nicht hinschaut, bemerkt man es nicht.

      Ich bin sogar bei der Hausfrau gesessen.

      No, ich hab nicht geschaut, ich hab nur gegessen,

      Den Blick auf den Teller, das Auge voll Glanz,

       Ich kann Ihnen sagen: Das war eine Gans!

      Ich meine natürlich nicht die neben mir,

       Sondern die Gans auf dem Essgeschirr …

      Die Hölle befand sich im Keller des Theaters an der Wien und nützte diese Lage insofern, als sie sich über die »oben« gespielten Operetten lustig machte. Während etwa auf der großen Bühne Lehárs Lustige