Es hat uns sehr gefreut. Georg Markus

Читать онлайн.
Название Es hat uns sehr gefreut
Автор произведения Georg Markus
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998460



Скачать книгу

wie gar nichts, und die medizinische Wissenschaft ist leider noch in einem Stadium, daß die Doctoren – selbst wenn sie einen umgebracht haben – nicht einmal gewiß wissen, ob er todt ist.« Nestroy starb am 25. Mai 1862. »Die Würmer können nicht reden«, hatte er einmal geschrieben, »sonst verrateten sie’s vielleicht, wie gräßlich langweilig dem Todten das Todtsein vorkommt.«

      Herr von Goethe und der General

      In seinen Karlsbader Gesprächen schildert Johann Wolfgang von Goethe die Begegnung mit einem österreichischen General, »etwa 78 bis 80 Jahre alt, aus einem sehr vornehmen Geschlechte«. Während eines Spaziergangs sprach der Offizier den auf Kur befindlichen Dichter an – und lud ihn nach Wien ein.

      »Nicht wahr, Sie nennen sich Goethe?« eröffnete der alte General das Gespräch.

      »Schon recht«, antwortete der Geheimrat.

      »Nicht wahr, Sie haben Bücher geschrieben?«

      »O ja.«

      »Und Verse gemacht?«

      »Auch.«

      »Es soll schön sein.«

      »Hm!«

      »Haben Sie denn viel geschrieben?«

      »Es mag so angehen.«

      »Ist das Versemachen schwer?«

      »So, so.«

      »Es kommt wohl auf die Laune an: ob man gut gegessen und getrunken hat?«

      »Es ist mir fast so vorgekommen.«

      »Schaun S’! Da sollten S’ nach Wien kommen.«

      »Hab’ auch schon daran gedacht.«

      »In Wien wird gut gegessen und getrunken. Und man hält was auf Leute, die Verse machen können.«

      »Hm!«

      »Dergleichen Leute finden in den vornehmsten Häusern Aufnahme.«

      »Hm.«

      »Kommen S’ nur; melden S’ sich bei mir; ich habe Bekanntschaft, Verwandtschaft, Einfluß. Schreiben S’ nur: ›Goethe aus Weimar, bekannt von Karlsbad her.‹ Das letzte ist notwendig zu meiner Erinnerung, weil ich viel im Kopf habe.«

      »Werde nicht verfehlen.«

      »Aber sagen S’ mir doch, was haben S’ g’schrieben?«

      »Mancherlei von Adam bis Napoleon, vom Arat bis zum Blocksberg . . .«

      »Es soll berühmt sein.«

      »Hm! Leidlich!«

      »Schade, daß ich nichts von Ihnen gelesen und auch nichts von Ihnen gehört habe. Sind schon neue, verbesserte Auflagen von Ihren Schriften erschienen?«

      »O ja, wohl auch.«

      »Und es werden auch noch mehr erscheinen?«

      »Das wollen wir hoffen!«

      »Schaun S’, da kauf ich Ihre Werke nicht; sonst hat man immer den Ärger, ein schlechtes Buch zu besitzen, oder man muß dasselbe Buch zum zweiten Male kaufen. Darum warte ich, um sicher zu gehen, immer den Tod der Autoren ab, ehe ich ihre Werke kaufe. Das ist Grundsatz bei mir, und von diesem Grundsatz kann ich halt auch bei Ihnen nicht abgehen.«

      Goethe hat die Einladung nicht angenommen. Er war nie in Wien.

      Schnitzler ist unbegabt

      Arthur Schnitzler wurde lange verkannt. Da sein Vater auch Theaterarzt und mit vielen Schauspielern befreundet war, ließ dieser eines Tages den berühmten Burgschauspieler Adolf von Sonnenthal das Schauspiel Liebelei lesen. Der gab es ihm mit den Worten »Völlig unbegabt« zurück. Als wenige Wochen später eben dieses Stück vom Burgtheater angenommen wurde, fragte man »Burg«-Direktor Max Burckhard, wie Sonnenthal darauf reagieren werde. »Da ich ihm die Hauptrolle gebe«, antwortete der Direktor, »wird er im Brustton der Überzeugung tremolieren: ›Ich habe ja immer gesagt – Arthur ist ein Genie!‹«

      So war’s dann auch.

      Welches Risiko das Burgtheater seinerzeit einging, Schnitzler aufzuführen, belegt der Ausspruch einer Dame der Gesellschaft, die ihrer Tochter eingeschärft hatte: »Wenn ein Mädchen bei einem Schnitzler-Stück gesehen wird, bekommt es keinen Mann.«

      Eine Ohrfeige für Karl Kraus

      Einige der großen Schriftsteller unseres Jahrhunderts saßen im Kaffeehaus und dichteten, hört und liest man immer wieder. Also werden sie »Kaffeehausliteraten« genannt. Die Geschichte freilich entspricht nur bedingt der Wahrheit. Die »Kaffeehausliteraten« schrieben ihre Werke nämlich meist zu Hause.

      Ausnahmen waren nur Karl Kraus und Peter Altenberg, die an den runden Marmortischen des Griensteidl und des Central tatsächlich Literatur schufen. Alle anderen kamen ins Kaffeehaus, um Kaffee zu trinken, Ideen zu sammeln, Freunde zu treffen.

      Und Feinde. Auf diesem Gebiet war Karl Kraus der ungekrönte König. In seinem Feuilleton Die demolirte Literatur, das der erst 23jährige verfaßte, als das Café Griensteidl 1897 für immer gesperrt werden sollte, rechnete er mit der gesamten literarischen Szene Wiens ab: Er attackierte Hermann Bahr und Hugo von Hofmannsthal, von dem er behauptete, er hätte schon als Gymnasiast seine »letzten Worte« einstudiert. In Arthur Schnitzler sah er den »Dichter, der das Vorstadtmädl burgtheaterfähig machte«. Und Felix Salten warf er vor, die deutsche Grammatik nicht zu beherrschen. Dafür erhielt Kraus von Salten anderntags im Kaffeehaus eine schallende Ohrfeige, »was allseits freudig begrüßt wurde«, notierte Schnitzler in sein Tagebuch.

      Das Wort war Kraus heilig. »Was fehlt«, sagte er, »sind Strafbestimmungen gegen die öffentliche Unzucht, die mit der deutschen Sprache getrieben wird.« Gegen eine Zeitung, die einen Beistrich in einem von ihm verfaßten Artikel falsch gesetzt hatte, führte er einen Prozeß.

      Als Polgar 1936 eine Abendgesellschaft relativ früh verlassen wollte, fragte Friedell: »Polgar, was ist, du gehst so zeitlich?«

      Polgar erwiderte: »Wie kannst du zeitlich sagen?«

      Worauf Friedell meinte: »Jetzt, wo der Kraus tot ist!«

      Heiratsantrag nach fünf Minuten

      In einem anderen Literatencafé wurde einer der seltsamsten Heiratsanträge aller Zeiten ausgesprochen. Peter Altenberg, Egon Friedell und Adolf Loos saßen 1902 im Löwenbräu hinterm Burgtheater, als sie an einem benachbarten Tisch eine achtzehnjährige Schauspielerin sahen, die auf den schönen Namen Lina Obertimpfler hörte (daß das kein Künstlername war, scheint glaubwürdig). Die drei Freunde waren von dem bildhübschen Mädchen begeistert und baten es an ihren Tisch. Architekt Loos zeigte eine wunderschöne Zigarettendose, die Lina zu öffnen versuchte, wobei der Deckel brach. Erschrocken fragte sie: »Wie kann ich das wieder gutmachen?«

      Loos sah sie lächelnd an und sagte: »Heiraten Sie mich!«

      Glaubten die Umsitzenden vorerst an einen Scherz, so traten die beiden sehr bald tatsächlich vor den Standesbeamten. Der Heiratsantrag war fünf Minuten nach dem Kennenlernen erfolgt.

      Leider ohne Happy-End. Drei Jahre nach der Hochzeit ging die Ehe wieder in die Brüche.

      Peter Altenberg, der nie eine eigene Wohnung besaß, sondern immer nur im Hotel wohnte, galt zur Jahrhundertwende – zu einer Zeit also, da das noch gar nicht modern war – als Gesundheitsapostel. Er lebte nach strengen Diätvorschriften und behauptete, sogar in der kältesten Nacht des Jahres bei offenem Fenster zu schlafen. Einmal sagte ein Freund im Café Central zu ihm: »Peter, ich bin gestern nacht am Grabenhotel vorbeigegangen, aber dein Zimmerfenster war fest verschlossen.«

      »Na und«, erwiderte Altenberg, »war