Es hat uns sehr gefreut. Georg Markus

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Название Es hat uns sehr gefreut
Автор произведения Georg Markus
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998460



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dasselbe: Navratil läutete, Stolz wußte, daß der »Kuckuck« drohte, und die Uhr wurde auf Ottos Nachttisch plaziert. Der Gerichtsvollzieher betrat das Zimmer, lächelte wohlwollend und sagte: »Ich seh’ schon, Herr Stolz, Ihr Nachtkastl is’ leer, bei Ihnen is’ nix zu pfänden.« Und ging wieder.

      Eines Tages war Navratil wieder da. Die Uhr wanderte, Robert Stolz schaute unschuldig – doch der Herr Gerichtsvollzieher ging diesmal schnurstracks auf Otto Heins Nachtkastl zu. Und nahm die Uhr an sich.

      »Was ist los, um Gottes Willen?« protestierte der fassungslose Robert Stolz.

      »Regen S’ Ihna net auf«, sagte Herr Navratil, »heut’ pfänd’ ich den Hein!«

      Sprach’s, steckte die Uhr ein und ging. Stolz war um seinen letzten Wertgegenstand gekommen.

      Bald übrigens nicht nur um diesen. Freund Hein nahm ihm noch etwas ab: Seine damalige (zweite) Ehefrau Franzi Ressel ging mit dem Zimmergenossen des Komponisten auf und davon.

      »Wenn ich die Einzi zur Witwe hätt’«

      Nach Verlust von Uhr (und Frau) ließ Robert Stolz seinen damaligen Spitzbart abrasieren, um von den zahlreichen Gläubigern nicht erkannt zu werden. Daß er selbst in dieser Situation seinen Humor behielt, bestätigte mir eine alte Dame – ihr Name ist Friedl Weiss, und sie war zwischen den beiden Weltkriegen eine beliebte Soubrette an Wiener Bühnen und Kabaretts. Frau Weiss, die im August 1996 in bewundernswerter Frische ihren hundertsten Geburtstag feierte und die seinerzeit noch alle Berühmtheiten persönlich gekannt hatte, verkehrte einst im legendären Künstlercafé Dobner am Naschmarkt, zu dessen Gästen – neben Lehár, Kálmán und vielen anderen – auch Robert Stolz zählte. Als er dort aus obigem Grund erstmals ohne Bart erschien, gingen selbst seine besten Freunde grußlos an ihm vorbei, weil sie Stolz mit blankem Gesicht nicht erkannten. Eines Tages erblickte der frischrasierte »Unbekannte« im Dobner die fesche Friedl Weiss. Er kam an ihren Tisch und fragte: »Sagen Sie Fräulein, kennen Sie den Robert Stolz?«

      »Ja, natürlich«, antwortete die Angesprochene.

      »Ist das nicht ein unsympathischer Kerl?«

      »Nein, ganz im Gegenteil, das ist ein überaus feiner Mann.«

      Da lachte Robert Stolz und gab sich zu erkennen: »Friedl, ich dank’ dir, du bist die erste, die nicht über mich schimpft!«

      Sein wahres Glück hatte Stolz dann erst mit Ehefrau Nummer fünf, mit seiner »Einzi«, gefunden, die sich auch als perfekte Managerin (und später dann als Nachlaßverwalterin) des Komponisten erwies. Ernst Haeusserman sagte nach dem Tod von Robert Stolz: »Ja, wenn ich die Einzi zur Witwe hätt’, könnt ich auch beruhigt sterben.«

      »Der größte Blödsinn,

      der je geschrieben wurde«

      Karl Farkas, der 1930 gemeinsam mit dem Komponisten Robert Katscher das musikalische Lustspiel Die Wunder-Bar verfaßt hatte, erzählte einmal, wie der populärste Schlager dieser Revue entstanden ist: »Der Katscher und ich hatten die Ambition, literarisch und niveauvoll zu sein, und wir haben feine Texte ziseliert, da kam der Direktor der Wiener Kammerspiele und sagte zu uns: ›Das ist zu schwach, man muß da noch einen Schlager hineintun, irgend etwas Derbes‹.«

      Farkas und der Komponist waren bitterböse. »Der Katscher setzt sich zum Klavier«, berichtete Farkas weiter, »haut lieblos in die Tasten, singt aus Zorn dazu: Bibibibibibi.« Und das war auch schon die Melodie eines späteren Welterfolgs.

      Die beiden lachten und Farkas sagte: »Paß auf, dem Direktor werden wir’s zeigen, wir machen einen Schlager, der ganz unmöglich ist, ein Lied, das morgen wieder abgesetzt wird, weil es so schlecht ist. Du nimm ruhig dieses Bibibibibibi und ich mach den blödesten Text meines Lebens, und zwar so, daß er abgesetzt werden muß.«

      Der Kabarettist nahm die damalige Mode zum Anlaß für seinen Text. In der Inflationszeit waren die Damenkleider kurz gewesen, jetzt wurden sie wieder länger. Innerhalb weniger Minuten entstanden die Reime:

      Wenn die Elisabeth, nicht so schöne Beine hätt, hätt sie viel mehr Freud, an dem neuen langen Kleid. Doch da sie Beine hat, tadellos und kerzeng’rad, tut es ihr so leid um das alte kurze Kleid . . .

      »Und jetzt«, sagte Farkas, »das Reimlexikon zur Hand und weitergedichtet«:

      Das kann man doch verstehen, beim Gehen, beim Drehen, kann man jetzt nichts mehr sehen, und niemand weiß Bescheid . . .

      Farkas: »Das ganze in einem Zorn heruntergedichtet – und wieder den Anfang genommen. Ohne Pointe«:

      Wenn die Elisabeth, nicht so schöne Beine . . .

      »Der schlechteste Text der Welt also«, meinte Farkas. »Hab’ ich mir gedacht, das wird schon bei der Premiere nicht gefallen und spätestens in ein paar Wochen, wenn die Mode wieder kürzer ist, ist auch die Aktualität vorbei . . . Was soll ich Ihnen sagen: der Blödsinn ist zugleich mit dem ganzen Stück in sämtliche Sprachen der Welt übersetzt worden. Die Wunder-Bar wurde mit My friend Elisabeth am Broadway aufgeführt und in Paris, man sang auf italienisch Lisetta va alla moda, auf spanisch und was weiß ich noch alles. Und das alles für den größten Blödsinn, der je von einem Menschen geschrieben wurde.«

      Der ungarische Komödienautor Ladislaus Bus-Fekete besuchte 1933 im Wiener Scala-Theater den Komponisten Paul Abraham, als dieser seine Operette Ball im Savoy vorbereitete. Obwohl er nur Gast war und mit der bevorstehenden Premiere nichts zu tun hatte, redete er dem Regisseur und den Sängern ununterbrochen drein. Schließlich lachte der Dichter auch noch mehrmals an völlig falschen Stellen lauthals auf. Abraham, am Dirigentenpult, klopfte mit dem Taktstock ab und sagte zu dem ungezogenen Besucher: »Ich muß schon bitten, Herr Bus-Fekete! Ich habe ja bei Ihren Lustspielen auch nicht gelacht!«

      Veronika, der Lenz ist da

      Wiens große Komponisten müssen ein Faible für Frauen mit dem Namen Yvonne gehabt haben. »Einzi« Stolz heißt eigentlich so, Emmerich Kálmáns Tochter ebenfalls. Und auch die Witwe nach Walter Jurmann hat – erraten – den Vornamen Yvonne. Sie lebt seit vielen Jahren in Los Angeles.

      Dabei müßte Yvonne Jurmann eigentlich in San Francisco zu Hause sein, denn das ist der Titel des berühmtesten Liedes, das ihr Mann – ein gebürtiger Wiener – geschrieben hat: San Francisco, du bist die Stadt für mich . . . zählt zu den erfolgreichsten Schlagern aller Zeiten.

      Walter Jurmann war Pianist im Panhans am Semmering, wo ihm Richard Strauss eine große Zukunft prophezeite. In der Berliner Eden-Bar traf er Lehár, Kálmán und den Textdichter Fritz Rotter, mit dem er seinen ersten Schlager schrieb: Was weißt denn du, wie ich verliebt bin wurde von Richard Tauber gesungen. Aus einer Blödelei entsteht ein weiterer Hit: Als ein Plattenproduzent namens Grenzebach ein Kaffeehaus betrat, improvisierte Jurmann am Klavier eine Melodie, zu der er selber sang: »Wer kommt denn da, der Grenzebach . . .« Der Produzent erkannte den Rhythmus und beauftragte Jurmann, daraus ein Lied zu schaffen. Es entstand Veronika, der Lenz ist da.

      Jurmann komponierte mehr als vierhundert Melodien, deren Interpreten Jan Kiepura, Mario Lanza, die Marx-Brothers, Duke Ellington, Judy Garland, Gene Kelly, José Carreras, Hans Moser und Hans Albers sind. Zu seinen »Ohrwürmern« zählen Du bist nicht die erste, Ein spanischer Tango, Nino, Cosi Cosa.

      1936 gelang Jurmann mit San Francisco der Durchbruch. Ohne je in dieser Stadt gewesen zu sein, schrieb er das Lied für den gleichnamigen Film mit Clark Gable, Jeanette McDonald und Spencer Tracy. Dreizehn Jahre nach Jurmanns Tod kam es dann zum »Krieg« seines größten Hits mit der nicht minder berühmten Melodie I left my Heart in San Francisco: Die Bewohner der Stadt an der Golden Gate-Brücke wurden aufgerufen, sich in einer Volksbefragung zu entscheiden, welche der beiden Melodien die offizielle Hymne der Metropole werden sollte. Das Ergebnis war eindeutig: Achtzig Prozent stimmten für das Lied des Wieners.

      1971