"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

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Название "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"
Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998712



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machte man sie miteinander bekannt. Die betreffenden jungen Eheleute hatten dann überhaupt kein Einspruchsrecht mehr. Viele der Töchter wurden förmlich als Heiratsgut verschachert. Was spielte es schon für eine Rolle, wie die Brautleute aussahen oder ob sie zueinander paßten! Erstaunlicherweise gab es aber doch genügend junge Leute, die sich aneinander gewöhnten und sich in gewissem Maße auch sympathisch waren.

      Die Doppelhochzeit von Wien war unter den gleichen Voraussetzungen vereinbart worden. Aber ein glücklicher Zufall wollte es, daß die zwölfjährige Anna zwar vorerst stellvertretend mit dem Kaiser selbst verheiratet wurde, dann aber einen Mann bekam, der im Alter gut zu ihr paßte. Zunächst aber mußten alle in Wien die langen und überaus prächtigen Zeremonien über sich ergehen lassen, und die wenigsten der Zuschauer dachten bei dem eindrucksvollen Schauspiel an die Menschen, die hier für ein Leben lang miteinander verbunden wurden. Nach der ersten Unterredung im Schloß Trauttmansdorff, die über eine Stunde gedauert hatte, zog sich Maximilian nach Laxenburg zurück, während der König von Polen in Enzersdorf übernachtete. Der ungarische König blieb mit seinen Kindern in Trauttmansdorff. Am 17. Juli wurde in Schwechat eine Zusammenkunft angesetzt, dann erst zog man mit großem Gepränge in Wien ein. Cuspinianus berichtet:

      »Aus der Stadt zogen dem Kaiser und den Königen auf eine Viertelmeile des Weges entgegen an tausend fünfhundert Bürger und Bürgersöhne, alle in Scharlach gekleidet; vor ihnen her ritten sechs mit ritterlicher Würde geschmückte Ratsherren in silbernem Harnisch, um die Fürsten im Namen der Stadt mit Gruß und Geschenken zu bewillkommnen. Nach diesen kamen fünfhundert deutsche Landsknechte mit langen Spießen und Handröhren, alle schön und gleich gekleidet. Bis an die steinerne Brücke vor dem Stubentor giengen sämmtliche Ordensgeistliche, die alle Heiligthümer ihrer Kirchen mit sich trugen. Diesen folgten Schulknaben in großer Menge, deren jeder ein mit dem ungarischen, polnischen und österreichischen Wappen bemaltes Fähnlein trug. Hierauf kam die übrige Clerisei von Wien, dann alle Studenten, Professoren und Doctoren der Universität, endlich die Zechen oder Handwerkszünfte mit ihren Fahnen, sechzig an der Zahl.«

      Macht und Ansehen des Kaisers waren auf ihrem Höhepunkt angelangt. Maximilian empfing nun den Lohn für sein jahrzehntelanges Bemühen, das Habsburgerreich nach bestem Wissen und Gewissen zu beherrschen, Recht und Ordnung walten zu lassen und trotzdem der neuen Zeit, wenn auch nur in geringem Ausmaß, die Türen zu öffnen.

      Nach den Vertretern des Volkes, des Adels, der Universität und der Handwerksleute folgten in dem farbenprächtigen Zug die Reitereien der verschiedenen Völker, Ungarn, Böhmen, Polen, Mährer, alle von ihrer Musik begleitet. Der österreichische Adel ließ es sich nicht nehmen, dem Kaiser die Ehre zu erweisen und war vollzählig erschienen, ebenso wie die Räte und Berater des Kaisers und der Könige. Der Kaiser und der König von Ungarn wurden in Sänften getragen, der König von Polen und Ludwig zogen es vor, auf prachtvollen Pferden durch das jubelnde Volk zu reiten. Die Damen, Anna von Ungarn, und Maria, die Enkelin Maximilians, fuhren in prächtigen Kutschen zum Dom St. Stephan, wo der Bischof von Wien, Georg von Slatkonia, über die Anwesenden den Segen sprach. Danach zogen sich alle in ihre Palais zurück, Maximilian, Wladislaw und die Kinder wohnten in der Burg, wo man sich von den Strapazen bei köstlichem Essen, einem edlen Tropfen und fröhlicher Musik erholte.

      Am 22. Juli 1515 fand die eigentliche Vermählung im Stephansdom statt. Es war eine eindrucksvolle Feier, ganz nach den Vorstellungen der Zeit. Der Kaiser, die Könige Wladislaw und Siegmund von Polen sowie der junge Ludwig waren in golddurchwirkten Brokat gekleidet. Sie standen auf der rechten Seite, die beiden Bräute nahmen in der Mitte Platz. Als apostolischer Legat war der Kardinal von Gran gekommen, der päpstliche Nuntius, der Kardinal von Gurk und weitere vierzehn Bischöfe und Prälaten sollten den Segen Gottes für die beiden Ehepaare erflehen. Die Kirche war prachtvoll mit Blumen und Teppichen geschmückt, Kerzen erhellten das dunkle Gemäuer. Nachdem Maximilian vor dem Grabmal seines Vaters, Friedrichs III., den kaiserlichen Ornat übergezogen hatte, den man auf eine Million Gulden schätzte, ließ er sich mit der kleinen Anna von Ungarn trauen, stellvertretend für einen seiner Enkel.

      Als Anna ihm einen kostbaren Blumenstrauß aus künstlichen Blüten überreichte, richtete der Kaiser folgende Worte an sie:

      »Wiewohl Wir itzt Euer Liebden das Wort gegeben, daß Ihr Unser Gemahlin seyn sollet, so ist doch solches geschehen im Namen Unserer beiden abwesenden Enkel und in der Meinung, Euer Liebden an einen von denselben zu vermählen, den Wir auch hiermit Euch ehelich versprechen. Und weil mein Enkel Carl die Königreiche Castillien und Arragonien, sein Bruder Ferdinand aber das Königreich Neapel zu erben und zu erwarten hat, so erklären und nennen Wir hiemit Euer Liebden eine Königin, und wollen Euch zu einer solchen gekrönet haben!«

      Nach diesen Worten setzte Maximilian der jungen Anna die Krone auf.

      Anschließend wurden Ludwig von Ungarn und Maria getraut. Ein allgemeines Lob des allmächtigen Gottes beschloß die Feier, bei der auch noch zweihundert Jünglinge zum Ritter geschlagen wurden.

      Noch eine weitere Heirat wurde an diesem Tage feierlich begangen: der besondere Liebling des Kaisers, Siegmund von Dietrichstein, heiratete die schöne Barbara von Rottal. Der Kaiser selbst und der ungarische König führten die Braut zum Altar.

      Das Fest der Vermählung war zwar vorüber, aber die Zeit der Feiern und Turniere noch lange nicht. Tagelang wurde gegessen und getrunken, mehr als dreihundert Speisen aufgetragen, der Wein floß in Strömen und die goldenen, mit Edelsteinen besetzten Pokale wurden nie leer. Erst am 29. Juli trennte man sich in herzlichster Freundschaft. Am 3. August wurde in Neustadt ein offizieller Freundschaftsbund besiegelt.

      Maximilian und Wladislaw sollten sich nicht mehr wiedersehen, denn schon ein Jahr später raffte der Tod den Ungarnkönig dahin. Sein Sohn Ludwig folgte ihm auf den Thron. Für den jungen König standen schwere Zeiten bevor, er hatte in einer verworrenen, unruhigen Zeit das Erbe seines Vaters angetreten. Die Türken stießen immer heftiger nach Westen vor, und jeder, der auf dem ungarischen Thron saß, wurde über kurz oder lang mit diesem gewaltigen Problem konfrontiert.

      Die schönen Tage von Wien waren auch für die jungen Mädchen vorbei. Anna wurde nach Innsbruck gebracht, um sich auf die Ehe mit einem der Kaiserenkel vorzubereiten. Noch hoffte sie im geheimen auf Karl als Gemahl; von Ferdinand hatte sie bis jetzt nur wenig vernommen. Sie stellte sich ganz auf Karl ein, und ihr Bruder, König Ludwig II. von Ungarn, forderte geradezu die Einlösung des »Versprechens« von Wien. Seine Schwester sollte Karl, den Kaiser heiraten! Für beide, für Ludwig und Anna war es zunächst eine große Enttäuschung, als sie erfahren mußten, daß man für den jungen Kaiser eine andere Frau vorgezogen hatte. Anna wußte natürlich nicht, daß sie mit dem jüngeren Bruder eigentlich das große Los gezogen hatte, denn Ferdinand hatte nicht nur ein fröhliches und gewinnendes Wesen, er war zudem äußerst gebildet und fähig, eine Frau von ganzem Herzen zu lieben. Außerdem führte er ein wesentlich ruhigeres Leben als sein Bruder, der ständig in dem riesigen Reich unterwegs war, alle Unbilden des Reisens auf sich nehmen mußte und dabei schon in jungen Jahren seine Gesundheit einbüßte.

      Ferdinand war von frühester Jugend auf gewöhnt, sich mit Büchern und Musik zu beschäftigen. Von seinem großen Lehrmeister Erasmus von Rotterdam hatte der junge Prinz viele Lebensweisheiten übernommen. Dazu kam ein reges Interesse an der Archäologie, der Geschichte und an allem, was seine Vorfahren betraf. Er stellte eine Münzsammlung zusammen und begann nach Kunstschätzen, die im Besitz der Familie waren, Ausschau zu halten, um sie im geeigneten Rahmen aufzubewahren. Er war ein in weiten Dimensionen denkender junger Mann, ganz im Stil der Renaissance, ohne allerdings persönlich in den lockeren Lebenswandel, der damals herrschte, zu verfallen. Sein Leben war eher asketisch, Schwelgereien und vor allem Völlerei, an der sein Bruder beinahe zugrunde ging, verachtete er zutiefst. War Karl V. ein ungewöhnlich großer Esser und Trinker, der die auserlesensten Leckerbissen liebte und selbst noch in der Einsiedelei des Klosters St. Yuste in Spanien, die er selbst gewählt hatte, täglich die raffiniertesten Speisen genoß, so pflegte Ferdinand nur einmal am Tag zu essen. Obwohl er schon sehr früh sein Tagwerk begann – er stand im Morgengrauen auf –, aß und trank er nichts bis zu Mittag. Dann wurden ihm einfache Speisen serviert, denen er aber auch nur mäßig zusprach. Allerdings war Ferdinand ein toleranter Mensch und achtete die Gewohnheiten anderer. In persönlichen Dingen zwang er niemandem