Dunkle Träume. Inka Loreen Minden

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Название Dunkle Träume
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия Wächterschwingen
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963700408



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macht sich Sorgen. Um all ihre Goyles«, sagte sie hastig zu ihrer und Noirs Verteidigung. »Ansonsten hätte sie mir nichts davon erzählt.«

      Sein Gesicht entspannte sich; sein Blick blieb jedoch starr auf sie gerichtet. »Ich habe sie meistens nach dem Aufwachen.«

      Sein tiefes, melodiöses Timbre schickte ein Kribbeln über ihre Wirbelsäule. »Wie lange haben Sie das schon?«

      Er nahm die Arme über den Kopf und legte die Stirn auf seinem Unterarm ab. »Ewig.«

      Jenna trat zu ihm an die Liege. »Darf ich Ihren Nacken abtasten?«

      »Hm.«

      Sie legte die Finger an seinen Hals und fuhr daran abwärts; spürte die kräftigen Muskelstränge. »Sie sind total verspannt. Das kann auch Kopfschmerzen auslösen.« Sie drückte fester zu und knetete die Muskeln. Sein Nacken fühlte sich an, als wären Drahtseile unter der Haut verlegt. »Wie ist das?«

      »Angenehm«, murmelte er. Die Muskeln in seinen Armen spannten sich an und er ballte die Hände zu Fäusten.

      Jenna beobachtete seine Reaktionen. Er sah alles andere als entspannt aus. »Sie müssen lockerer werden, Kyrian«, sagte sie, während sie tiefer an seinem Rücken hinabfuhr. Der Mann schien nur aus Muskeln zu bestehen; er besaß kein Gramm Fett. Für einen Goyle war er schmal gebaut, eher athletisch. Er war kein muskelbepackter Bodybuilder, sondern hatte den Körper eines Ausdauersportlers. Ob ihn seelisch etwas belastete, weil er verspannt war? Jenna machte sich so viele Gedanken um ihn, dass sie erst bemerkte, dass sie seine Pobacken massierte, als Kyrian aufkeuchte.

      Hastig ließ sie ihn los und räusperte sich. »Ich verschreibe Ihnen gern ein paar Massagen. Ich kenne einen ausgezeichneten Masseur.«

      »Hm«, brummte er abermals und setzte sich auf.

      Er schwang die Beine über die Liege und stellte sich hin, doch er schwankte, als wäre er betrunken. Taumelnd griff er sich an die Stirn. Jenna stützte ihn; hielt ihn an den Schultern fest. »Langsam. Bleiben Sie lieber noch einen Moment sitzen.« Durch das OP-Hemd spürte sie die Wärme seiner Haut. Jenna war ihm viel zu nah. Hastig wich sie einen Schritt zurück.

      Folgsam setzte sich Kyrian auf die Liege und fuhr sich durchs Haar. Dann schaute er an sich hinunter, zog am Hemd und schlüpfte aus den Ärmeln. Seine blauen Augen wirkten eine Nuance dunkler, als er Jenna ansah und mit rauer Stimme fragte: »Wo sind meine Sachen?«

      Sie schluckte, den Blick auf seinen perfekten Bauch gerichtet. Jeder Muskel zeichnete sich ab. »Ähm …« Schnell deutete sie auf einen Schrank im hinteren Teil des Raumes. »Ihre Kleidung ist in diesem Spind.« Sie räusperte sich. »Wenn Sie sich angezogen haben, kommen Sie bitte noch kurz in mein Sprechzimmer und wir reden über die Nachbehandlung Ihrer Wunde.«

      Nickend erhob er sich, wobei ihm das Hemd vom Schoß rutschte. Für einen Augenblick erkannte Jenna den Ansatz seines Schambereichs. Er war rasiert. Doch was sie am meisten faszinierte, war ein geschwungenes Tattoo: schwarze und rote Linien schlängelten sich flammenartig bis in die Leistenregion. So verschlossen konnte er demnach nicht sein, wenn er sich an solch einer intimen Stelle tätowieren ließ. Ob das Muster auch auf seinem Geschlecht war?

      Meine Güte, schon wieder hatte sie Gedanken, die in ihrem Kopf nichts zu suchen hatten. Kyrian war ihr Patient. Außerdem hatte sie den Männern ja erst einmal abgeschworen. Anstatt den Raum zu verlassen, blieb sie wie festgewurzelt stehen, als er sich umdrehte und zum Schrank ging. Er schämte sich seiner Nacktheit kein bisschen. Warum war er sonst so verschlossen? Kyrian war ein sehr interessanter Mann und trug irgendein düsteres Geheimnis mit sich herum, das spürte sie instinktiv und machte sie neugierig. Jenna wollte plötzlich alles über ihn wissen. Er war bestimmt nicht so langweilig und normal wie Ben. Sie hatte ihr langweiliges Leben satt und wollte endlich daraus ausbrechen.

      Kapitel 4 – In Jamies Kopf

      Mehrmals war Nick in den letzten Tagen Jamie heimlich in die Unterwelt gefolgt, wo er früher mit Ash gewohnt hatte. Jamie hatte ihm von ihrem Wohnloch erzählt, einer kleinen Höhle, in der zwei Pritschen standen, nur durch einen schmalen Gang getrennt. Auf einer stapelten sich Wasserflaschen und Nahrungsmittel, die Jamie hier wohl hortete, weil er öfter herkam, auf der anderen lag er, starrte die Höhlendecke an und weinte lautlos. Es zerriss Nick das Herz, nicht zu ihm zu können, um ihn zu umarmen. Aber weder Jamie noch Zorell sollten erfahren, dass er von ihrer Rückzugsmöglichkeit wusste. Also stand Nick im Dunkeln verborgen und passte auf, dass sich sein Kleiner nichts antat.

      Leider hatte Jamie ihm immer noch nicht erzählt, was ihn zu dem Selbstmordversuch getrieben hatte. Nick hatte ihm lediglich hoch und heilig versprechen müssen, Noir nicht zu erzählen, was passiert war. Sie machte sich schon genug Gedanken wegen des Babys und durfte nicht zaubern oder sich aufregen, weil sie zwischendurch leichte Wehen hatte. Jamie wollte nicht, dass sie das Kind verlor, wo sie sich so darauf freute. Ihre Schwangerschaft war ohnehin ein Wunder, denn die Ärzte hatten ihr einmal versichert, sie könne nie Kinder bekommen.

      Nick beobachtete, wie Jamie die Decke vom anderen Bett holte und sich darin einkuschelte. Ob sie Ash gehört hatte?

      Es war seltsam, einem erwachsenen Mann, der dazu noch einen bösen Dämon in sich trug, beim Weinen zuzusehen. Jamie war groß und besaß Zauberkräfte und doch war er verletzlich. Er hatte viel durchgemacht. Nicks Beschützerinstinkt war niemals stärker gewesen als bei ihm.

      Er verharrte eine Zeit, die ihm wie die Ewigkeit vorkam, bis Jamie eingeschlafen war. Langsam näherte er sich ihm. Nick sah seine Chance gekommen, endlich die Wahrheit herauszufinden. Wozu war er ein Inkubus? Wenn die Menschen schliefen, konnte er besonders tief in ihren Geist eindringen. Vorsichtig strich Nick ihm über die Stirn und murmelte einen Zauber, damit er nicht erwachte. Dann hob er ihn mitsamt der Decke auf die Arme. Nick spürte die Rippen durch das Shirt. Der Kleine aß zu wenig. Wollte er Zorell etwa aushungern? Daran würde er scheitern, denn der Dämon ernährte sich von Seelenfetzen, die Jamie ihm beschaffte. Der Zash würde seinen Wirtskörper immer wieder heilen und ihn am Leben erhalten.

      Nick wollte nicht hier unten in seinem Kopf herumsuchen, wenn er abgelenkt und Angriffen ausgeliefert war. In diesem Teil der Unterwelt war ihm zwar noch nie jemand begegnet, doch sicher war sicher. Er würde Jamie in seine Wohnung bringen und später hierher zurück, solange er noch schlief. So würde der Kleine niemals erfahren, was geschehen war.

      Nick tat etwas hinter seinem Rücken. Wie sollte Jamie da Vertrauen fassen? Hoffentlich bekam er niemals mit, was er gerade tat.

      Es zog in seinem Magen, als er ein Portal erschuf, das sich an der einzigen Stelle auf der Dachterrasse des Hochhauses öffnete, an der das möglich war. Über die Terrassentür gelangte er in seine Wohnung und legte Jamie auf dem Bett ab. Obwohl er ein sehr großer Mann war, wirkte er in Nicks Bett verloren. Seine Möbel waren größer als die Norm, ebenso die sanitären Einrichtungen. Noir hatte an alles gedacht. Sie und Vincent hatten ihnen allen ein neues Heim gegeben und sie in eine Gemeinschaft aufgenommen. Das Mindeste, wie er sich revanchieren konnte, war, sich um Noirs Bruder zu kümmern.

      Nicolas legte sich neben ihn und zog ihn an sich, sodass sie sich berührten, Stirn an Stirn. Sanft stieß Jamies Atem gegen seinen Mund. Nick seufzte und es kribbelte in seinem Magen. Wie gern wollte er erneut von den sündhaften Lippen kosten. Als Inkubus kannte er keine Scheu, sich von Schlafenden zu nehmen, was er wollte, doch bei Jamie fühlte sich das nicht richtig an. Außerdem wollte er seinen Körper nicht noch mehr schwächen. Wenn Nick sämtliche Energien aus ihm saugte, immer und immer wieder, könnte ihn das töten.

      Mit der Hand fuhr er in Jamies braunes Haar, um seinen Kopf in Position zu halten. Dann legte Nick noch eine seiner Schwingen um ihn wie eine Zudecke und schloss die Augen. Es wurde Zeit, Zorell einen Besuch abzustatten.

      Als Nick die Augen aufschlug, befand er sich in einem Raum, den er nicht kannte. Es war ein Jugendzimmer unter dem Dach, eingerichtet mit Bett, Schreibtisch, Stereoanlage und einem dieser älteren Computermodelle, die einen dicken Monitor besaßen. An den Wänden hingen gerahmte Poster von Leuten, die Nick nicht kannte, und in dem Bett schlief … ein Junge?