Dunkle Träume. Inka Loreen Minden

Читать онлайн.
Название Dunkle Träume
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия Wächterschwingen
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963700408



Скачать книгу

er anders als sein Vater Lothaire und immer wie ein Bruder zu ihm gewesen war. Die seltenen Male, an denen Kyrian seine Schwester sah, sprach sie nur gut von Dante.

      Sklaven zählten auch im Dunklen Land als Besitz und wer sich an diesen vergriff, wurde bestraft. Dante passte auf Myra auf; sie musste keine harten Arbeiten leisten, wurde nicht ausgepeitscht oder als Lustdienerin missbraucht … hoffte Kyr. Er hatte lediglich Dantes Wort. Wie viel war das Leben einer Frau wert, die nur zur Hälfte eine ihres Volkes war?

      Lichtelfen hingegen besaßen den höchsten Rang als persönliche Leibdiener. Dantes Mutter sollte eine Lichtelfe gewesen sein. Daher stammten auch sein blondes Haar und seine Güte. Der Königssohn war es auch, der Kyr vor den Listen der Hexen und Zauberer gewarnt und ihm viele Tipps mit auf dem Weg gegeben hatte. Eigentlich musste sich Kyr vor jedem in Acht nehmen, besonders vor Noir und Jenna … Diese kleine Hexe, die beinahe wie eine Elfe aussah, hatte ihn schon allein durch ihr Äußeres und ihre Art in ihren Bann geschlagen. Wie lange würde er ihr widerstehen können, wenn sie Tag und Nacht zusammen waren? Hoffentlich dauerte die gemeinsame Reise nicht zu lange.

      Kapitel 7 – Schwüre

      Nick klopfte an Jamies Tür. »Kommst du, Kleiner? Noir hat einen Auftrag für uns.«

      »Welchen denn?«, hörte er gedämpft durch das Holz. Jamie saß anscheinend auf der Couch, denn der Wohnraum befand sich gleich dahinter. Gut, er war also wach. Manchmal war der Kleine so früh am Morgen noch nicht munter.

      »Sie braucht ein großes Portal. In einer halben Stunde in der Tiefgarage«, erklärte er.

      »Und wozu braucht sie da mich? Du kannst das wunderbar allein.«

      Nick holte tief Luft. Was für ein sturer Bock. »Vielleicht will ich dich einfach dabeihaben?«

      »Ich weiß genau, dass dich meine Schwester beauftragt hat, den Babysitter zu spielen, aber den brauch ich nicht.«

      Am liebsten hätte er seine Faust in das Holz gerammt. »Dann komm wenigstens in den Gemeinschaftsraum und lass uns was frühstücken.«

      »Keinen Hunger«, murrte Jamie. »Und jetzt lass mich in Ruhe!«

      In Nick brodelte es. Dass man den Kleinen immer zu seinem Glück zwingen musste. Er brauchte sehr wohl mehr Fett auf den Rippen, außerdem zog er sich immer weiter aus der Gemeinschaft zurück und das gefiel Nicolas nicht. Wenn Jamie mit seinen Ängsten und vor allen Dingen mit Zorell allein war, machte das die Situation bloß schlimmer.

      »Ich komm jetzt rein!«

      Jamie murmelte etwas Unverständliches, aber er hatte ja keine Ahnung. Nick konnte seine Tür öffnen. Noir hatte den Scanner so eingestellt, dass er jederzeit in die Wohnung ihres Bruders gelangen konnte. Nick drückte den Daumen auf die kleine Glasplatte, die sich neben dem Klingelknopf befand, wartete, bis das Bedienfeld grün aufleuchtete, und trat ein.

      Jamie sprang von der Couch auf. Er trug bloß Jeans, sein nackter Oberkörper war mit Schnitten übersät, aus denen feine Rinnsale Blut liefen, und in der Hand hielt er ein Messer.

      »Verdammt, was tust du?« Nick war mit einem Satz bei ihm und entriss ihm die Klinge.

      »Das, was ich immer tue! Wieso hast du Zugang zu meiner Wohnung?«

      Anklagend hielt Nick ihm das Messer vors Gesicht. »Genau aus dem Grund!«

      Er versuchte sich so gut es ging zu beherrschen, denn er war kurz davor, Jamie mit Gewalt Vernunft einzubläuen. Entsetzt starrte er auf die zahlreichen Verletzungen, die sich langsam schlossen. Zorell heilte ihn.

      »Warum machst du das?« Fassungslos warf Nick die Tür ins Schloss. Er konnte kaum den Blick von Jamie abwenden. Einige Schnitte waren tief. Er musste höllische Schmerzen gehabt haben, als er sie sich zugefügt hatte, und auch jetzt brannten sie bestimmt heftig.

      Jamie setzte sich auf die Couch und ließ den Kopf sinken. »Ich brauche den Schmerz.«

      Nick hockte sich neben ihn. Nun sah er weitere zahlreiche Narben überall auf Jamies Körper. Er machte das also schon länger, vielleicht seit vielen Jahren.

      Sanft fuhr Nick über einen verblassten Schnitt. »Warum ist deine Haut nicht vollständig verheilt?« Der Dämon in ihm hätte das hinbekommen müssen.

      »Magische Klinge«, murmelte der Kleine. »Ich wollte bleibende Erinnerungen.«

      Nick legte das Messer auf den Beistelltisch und umarmte Jamie. Der ließ sich sofort gegen seine Brust sinken. Da Nick nie ein Oberteil trug, fühlte er Jamies Tränen an seinem Bauch hinablaufen.

      »Wenn ich mich schneide, spüre ich mich. Nur mich«, sagte Jamie leise. »Dann weiß ich, dass ich noch lebendig bin, dass ich gerade bei Verstand bin und nicht er über mich bestimmt.«

      »Hey …« Nick zog den Süßen fester an sich und legte eine Schwinge um ihn. »Alles wird gut. Wir finden eine Lösung.«

      Jamie hob den Kopf. Ihre Gesichter waren nur Millimeter voneinander entfernt. Wie gern wollte Nick die Tränen aus seinen Wimpern streichen, erlaubte sich aber diese Intimität nicht. Sie waren sich ohnehin viel zu nah.

      »Eins schwöre ich dir«, flüsterte Jamie. »Sobald Zorell vorhat, seinen Plan umzusetzen, bring ich mich um und niemand wird mich daran hindern.«

      »Seinen Plan?«, fragte Nick zögerlich. Offiziell wusste er ja nichts. Niemand sollte erfahren, dass er in Jamies Kopf herumgeschnüffelt hatte.

      Als Jamie lange schwieg, sagte Nick: »Er will Noirs Baby, stimmt’s?«

      »Woher …« Der Kleine sah alarmiert aus.

      »Das war nur geraten.« Es tat weh, ihn anzulügen. »Es ist doch offensichtlich. Zorell hat etwas Persönliches in Noirs Schreibtisch gesucht. Wahrscheinlich die Ultraschallbilder oder Aufzeichnungen, wie weit entwickelt das Baby bereits ist.« Zorell hätte alles Mögliche suchen können, aber anscheinend schluckte Jamie die Story.

      Er atmete auf. »Ich bin so froh, dass du es weißt.« Neue Tränen kullerten über sein Gesicht. »I-ich konnte es dir nicht sagen, weiß nicht, warum.« Hastig wischte er sich mit dem Handrücken über die Lider. »Jetzt weißt du, warum ich sterben muss, bevor er …« Seine Stimme brach.

      Nick schüttelte den Kopf. »So weit wird es niemals kommen.« Das würde er nicht zulassen.

      »Was willst du denn tun?« Jamie rückte näher, legte ihm die Arme um den Hals und setzte sich halb auf seinen Schoß. »Ah, ich weiß. Du bist ja zur Hälfte ein Inkubus. Wenn du mich stundenlang lieben würdest, raubst du mir sämtliche Lebensenergie.« Ein Lächeln huschte über seine Lippen, während er an Nicks geflochtenen Haaren spielte. »Das wäre ein schöner Tod für mich und ein fürchterlicher Abgang für Zorell.«

      Nick schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Allein die Vorstellung, sich in Jamies heißen Körper zu versenken, ließ ihn sofort hart werden. Sanft drückte er ihn von sich weg und stand auf, drehte der Couch jedoch den Rücken zu, damit Jamie nicht sah, wie es um ihn bestellt war. »Was redest du nur für einen Unsinn«, brachte er mühsam hervor, die Stimme rau vor Erregung. »Komm, zieh dich an und lass uns was essen. Und dann werden wir uns von Jenna und Kyrian verabschieden.

      Kapitel 8 – Die Reise beginnt

      Jenna stand der Mund offen, als sie mit Noir, Vincent, Kyrian, Jamie und Nicolas in die Tiefgarage ging und den Fuhrpark betrachtete. Ein heißer Schlitten reihte sich an den anderen. Jeder Goyle besaß sein eigenes Auto, sogar Nicolas, obwohl er sich mittels Portalen fortbewegen konnte. Während Räuber um sie herum sprang, steuerten sie auf einen anthrazitfarbenen Roadster mit schwarzem Stoffverdeck zu. Es war eine Dodge Viper. Jennas Herz schlug beim Anblick des Zweisitzers schneller. Sie hatte schon immer eine Leidenschaft für schnittige Fahrzeuge gehabt, jedoch nie ihren Führerschein gemacht. Das Medizinstudium, das sie in Rekordzeit durchgezogen hatte, hatte ihr alles abverlangt, außerdem fuhr Dad sie überall hin.