Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Название Der Bergpfarrer Staffel 15 – Heimatroman
Автор произведения Toni Waidacher
Жанр Языкознание
Серия Der Bergpfarrer Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740951276



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      Als Brigitte dann in ihrem alten Bett lag – Rosel hatte das Zimmer genauso gelassen, wie alles andere – da dachte sie wieder an Tobias Rauchinger. Sie sah ihn ganz genau vor sich. Groß war er und schlank. Das Gesicht hatte immer einen lausbübischen Ausdruck gezeigt, und alle Madln waren ganz verrückt nach ihm gewesen.

      Heimlich mußten sie sich treffen, nachdem es auf der Kirchweih zwischen ihnen gefunkt hatte. Franz Rauchinger, der Vater, hätte nie geduldet, daß sein Sohn die Tochter eines Sägemühlenarbeiters liebt. Tobias hatte dennoch daran festgehalten, daß Brigitte die einzige Frau war, die er heiraten wollte. Irgendwann, hatte er gemeint, würde das auch der Vater einsehen müssen.

      Sie hingegen hatte schon immer den Drang verspürt, aus Waldeck fortzugehen. In dem Dorf war alles zu klein, die Leute zu engstirnig.

      Himmel, was war das für eine Befreiung, als sie auf das Gymnasium ging. Sie genoß schon allein die Tatsache, daß sie dadurch regelmäßig in die Stadt kam. Mit dem ersten Bus fuhr sie los und zögerte die Heimfahrt solange wie möglich heraus.

      Als dann ihr Vater verunglückte, schienen damit auch alle ihre Träume zu platzen. Rosel brach sofort die Schule ab, und Brigitte wollte es ihr gleichtun.

      »Das kommt überhaupt net in Frage!« hatte die Schwester aber kategorisch gesagt.

      Und heute war Brigitte ihr sehr dankbar dafür.

      *

      »Frau Granzinger, net wahr?« begrüßte Sebastian die Besucherin. »Herzlich willkommen.«

      »Grüß Gott, Hochwürden«, erwiderte sie. »Herzlichen Dank, daß Sie sich einen Augenblick Zeit nehmen.«

      »In so einer wichtigen Angelegenheit ist Eile fehl am Platze«, sagte der Bergpfarrer lächelnd. »Aber kommen S’ doch erst einmal herein. Am besten setzen wir uns nach draußen. Meine Haushälterin hat Kaffee gekocht und einen Kuchen gebacken. Oder möchten S’ lieber Tee trinken?«

      »Kaffee ist in Ordnung. Vielen Dank«, antwortete sie und folgte ihm durch den Flur und das Wohnzimmer, hinaus auf die Terrasse.

      Dort war schon der Tisch gedeckt.

      »Schön haben Sie’s hier«, sagte Brigitte und deutete auf den Pfarrgarten, in dem es prächtig grünte und blühte.

      »Überlegen S’ vielleicht, ob der Garten als Drehort auch geeignet ist?« scherzte Sebastian.

      Sie lachten beide. Dann kam Sophie Tappert und brachte den Kaffee und einen herrlichen Käsekuchen heraus.

      Brigitte zog einen Plastikordner aus ihrer Tasche und reichte ihn über den Tisch.

      »Das sind das Exposé und der vorläufige Drehplan«, erklärte sie. »Ich hab’ Ihnen die Unterlagen mitgebracht, damit Sie sich selbst ein Bild davon machen können, was hier passieren soll.«

      Der Bergpfarrer nahm den Ordner entgegen und nickte.

      »Danke. Bis wann brauchen S’ das zurück?«

      »Überhaupt net«, erwiderte sie. »Lesen S’ das in aller Ruhe durch. Es kann natürlich sein, das noch mal was geändert wird, aber das betrifft net die Szenen, die in der Kirche spielen sollen. Die würden wir drehen, wann es Ihnen paßt. Natürlich außerhalb der Gottesdienste.«

      Der gute Hirte von St. Johann war zwar kein Fachmann, aber er wußte, daß die einzeln gedrehten Szenen später erst zu einem Film zusammengefügt wurden.

      »Ich kann Ihnen auch jetzt schon mit ein paar Sätzen erklären, worum es in der Geschichte geht«, bot Brigitte Granzinger an.

      »Ja, das würd’ mich interessieren«, sagte Sebastian. »Aber nehmen S’ sich noch ein Stück von dem Kuchen.«

      »Der ist wirklich ganz ausgezeichnet«, wandte sich die Besucherin an Sophie Tappert. »So was Gutes hab’ ich lang’ net gegessen.«

      Sie trank einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück.

      »Also, die Handlung spielt im dörflichen Milieu«, erzählte sie. »Ein junger Mann kehrt nach Jahren im Ausland in die Heimat zurück. Seinerzeit ist er im Streit mit dem Vater davongegangen, und der alte Bauer hat den Hof mehr recht, als schlecht über Wasser halten können. Als sein Sohn zurückkommt, verweigert der Vater ihm die Hand zur Versöhnung. Dabei könnte er dessen Hilfe gut gebrauchen, der Hof steht kurz vor der Zwangsversteigerung, aber der Alte bleibt stur.

      Indes gibt es da noch eine junge Frau, der zweite Grund, warum der Sohn heimgekehrt ist. Sie war seine große Liebe, und er hat sie in der Fremde nie vergessen können.«

      Brigitte machte eine kurze Pause und trank erneut.

      »Na ja«, fuhr sie dann fort, »es gibt ein paar Verwicklungen, tragischer und humorvoller Art, und am End’ finden sich die zwei jungen Leute, und Vater und Sohn versöhnen sich wieder.«

      Sebastian hatte zugehört. Er lä­chelte.

      »Geschichten, wie sie das Leben schreibt«, sagte er. »Der Mensch, der sich das ausgedacht hat, muß sich aber doch sehr gut mit der Mentalität der Leute hier auskennen.«

      Die junge Frau zuckte die Schultern.

      »Na ja, die Drehbuchautoren arbeiten ja oft nach einer Vorlage, ein Roman oder so. In diesem Fall stammt die Grundidee von mir.«

      Der Bergpfarrer sah sie überrascht an. »Ach, tatsächlich?«

      »Ja. Ich hab’ lang’ überlegt, als es darum ging, dieses Format zu entwickeln, und dann…, dann bin ich einfach darauf gekommen, etwas als Grundlage zu nehmen, in dem ich mich auskenne.«

      »Sie stammen aber net aus St. Johann?«

      Brigitte schüttelte den Kopf.

      »Aus Waldeck.«

      Sebastian öffnete den Mund und schlug sich gegen die Stirn.

      »Granzinger!« rief er. »Der Na­me kam mir gleich so bekannt vor. Ich hätt’s mir eigentlich denken müssen. Sie sind die Tochter von Karl Granzinger, der vor sieben Jahren an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorben ist.«

      Sie nickte.

      »Ja, Hochwürden, so ist es.«

      »Aber wie sind Sie denn zum Fernsehen gekommen?« erkundigte sich Sebastian.

      »Ach, das ist eine lange Geschichte…«

      »Erzählen Sie«, forderte der Geistliche die Besucherin auf. »Geschichten interessieren mich immer.«

      Brigitte begann zu erzählen, wie sie damals fortgegangen war, was sie alles erlebt hatte, und wie das Heimweh sie schließlich dazu gebracht hat, die Idee für die Telenovela zu entwickeln.

      »In dieser Geschichte steckt auch ein großer Teil meiner persönlichen Erlebnisse«, erklärte sie. »Der Bauernsohn, der mir vorschwebt, hat einen realen Menschen als Vorbild. Es gibt einen Mann, den ich einmal sehr geliebt hab’. Ich hab’ mir vorgestellt, daß er uns’ren gemeinsamen Plan, zusammen fortzugehen, in die Tat umgesetzt hat.«

      »Er ist aber geblieben.«

      »Ja«, nickte Brigitte, und ein dunkler Zug huschte über ihr Gesicht.

      »Darf ich fragen, wer er ist?«

      »Er heißt Tobias. Tobias Rauchinger.«

      Sebastian kannte den jungen Bauern, dessen Hof unterhalb des Zwillingsgipfel lag.

      »Ich kenn’ den Tobias.«

      Brigitte richtete sich auf.

      »Wissen Sie, wie’s ihm geht?« fragte sie. »Ist er verheiratet? Leben seine Eltern noch?«

      Für den Seelsorger war es klar, was diese Fragen bedeuteten. Brigitte Granzinger schien Tobias Rauchinger nie ganz vergessen zu haben. Nicht nur, daß er als Vorlage für den Hauptdarsteller von ›Rosen und Tränen‹ hatte herhalten müssen, sie war zurückgekehrt, um ihn wiederzusehen.

      »Nein,