Название | Benoni |
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Автор произведения | Hermann Moser |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347153578 |
Die Keystone Cops beobachteten das nächtliche Treiben in der Rudolfstiftung. Patienten hielten sich in den Raucherzonen auf, Ärzte und Schwestern gingen zu ihren Stationen, Verletzte kamen in die Notfallambulanz, der Nachtwächter drehte seine Runden. Bei der Zeitmarkierung 22 Uhr 45 sprang Nyoko auf. „Stopp! Hier ist zum ersten Mal eine Lücke, wo sich jemand unbeobachtet zum Wäschelager bewegen konnte, und zwar durch diesen Eingang, für den man einen Personalschlüssel braucht. Friedrich wird abgelegt und schon ein paar Minuten später kommt Kleindienst. Man hat das Kind in ein Krankenhaus gelegt, wollte, dass es versorgt wird. Warum in einen Kellerraum, der in der Nacht kaum frequentiert wird? Das war kein Zufall. Kleindienst hat etwas damit zu tun, wir müssen sie befragen.“
Christian bat Paul, die Zeit auf 20 Uhr zurückzudrehen. „Ich glaube auch, dass sie irgendwie verwickelt ist, sie war aber nicht die Mutter. Es gibt nur zwei Probleme. Erstens: Sie war seit 20 Uhr im Dienst und niemandem ist aufgefallen, dass sie einen Säugling dabei hatte …“
Nyoko kam in Fahrt. „… dann hatte sie eben Komplizen. Was immer damals war, ist jetzt 28 Jahre her. Es wird Zeit, dass sie es uns erzählt …“
„… das führt uns zum zweiten, größeren Problem. Es befindet sich in den Aktenstößen auf dem Wagen. Ich übergebe an Johann.“
Der Angesprochene öffnete eine der Schachteln, nahm ein Foto aus einem Ordner und legte es auf den Tisch. Sie betrachteten die Frau. Eine Schusswunde in der Brust und eine in der Stirn. Johann legte zwei Beutel mit den Projektilen und einen Zeitungsausschnitt daneben. „Geiseldrama in Bank! Eine Tote!“ Es war die Ausgabe vom 1. Dezember 1989, also drei Wochen nach Friedrichs Geburt. Paul zeigte die Fotos der Überwachungskameras auf dem Bildschirm. 5-Sekunden-Takt. Schwarz-weiß. Unscharf. Zwei maskierte Männer mit Maschinengewehren stürmten die Bank. Sie bedrohten die Kunden und Angestellten. Einer schoss auf eine Geisel. Sie lag am Boden, ein Gewehr auf ihren Kopf gerichtet. Die Männer liefen hinaus.
Johann nahm das Tatort-Foto. „Das ist Stephanie Kleindienst. Der Bankräuber hat ohne Grund plötzlich auf sie gefeuert. Den ersten Schuss in die Brust hat sie überlebt. Der zweite hat aus nächster Nähe ihren Kopf getroffen, das war eine sinnlose Hinrichtung. Die Täter sind ohne Beute geflüchtet.“
Klaus betrachtete ein Projektil mit der Lupe. „9 x 19 Millimeter. Sechs Züge. Rechtsdrall.“ Er ging zum Bildschirm, betrachtete die Waffen ebenfalls durch die Lupe. Paul schüttelte den Kopf und sagte: „Ich kann zoomen“. Klaus beachtete ihn nicht. „Das sind Heckler & Koch MP5, nicht unbedingt üblich bei Banküberfällen.“
Johann nickte. „Die Ermittler haben keine anderen Überfälle gefunden, bei denen Tatablauf, Waffen und die spärlichen Täterbeschreibungen mit diesem übereinstimmen. Für die Zeugen hat es nach einem gezielten Anschlag auf Kleindienst ausgesehen. War der Banküberfall eine verdeckte Exekution? Diese These ist verworfen worden, weil das Opfer eine harmlose Krankenschwester war.“
Nyoko nahm die Strampelhose in eine Hand und ein Projektil in die andere. „Das gefällt mir nicht.“
Sie lehnte sich zurück, dachte an Friedrich und Sayo. Ein kleines Findelkind in der Rudolfstiftung. Die Finderin wenige Wochen darauf ermordet. Nyoko erinnerte sich an Ernst, der bei der Erwähnung des Schachspiels plötzlich hellhörig wurde.
„Das gefällt mir gar nicht.“
Samstag, 11. November 2017
Heinrich und Fidelio – sie nannten sich noch immer mit ihren alten IM-Namen, wenn sie sich heimlich trafen – spazierten durch den Wiener Türkenschanzpark. Im November konnte man sich hier ungestört unterhalten.
Heinrich zündete sich eine Zigarre an. „Friedrich hat herausgefunden, dass er ein Adoptivkind ist. Die Keystone Cops ermitteln jetzt in der Kindesweglegung.“
„Sind sie wirklich so gut, wie alle sagen?“, fragte Fidelio.
„Sie feiern regelmäßig spektakuläre Erfolge. Vor allem sind sie sehr kreativ und unberechenbar. Wir müssen etwas unternehmen.“
Fidelio blickte Heinrich wütend und entschlossen in die Augen. „Wir werden sie ablenken, stoppen, und wenn das nicht funktioniert, eliminieren.“
„Das Polizisten-Traumpaar wohnt übrigens gleich dort vorne ums Eck.“
„Das weiß ich doch.“
Sonntag, 12. November 2017
Im Café Steinitz - benannt nach dem großen Schachtheoretiker und ersten Weltmeister - stieg die Spannung. Das Finale der Vereinsmeisterschaft des SK Steinitz. Ingrid Pichler gegen Friedrich Michael Laurent. Friedrich war in der Regel ein sehr schneller Spieler. Diesmal kämpfte er gegen die Zeit. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er spielte seine Lieblingseröffnung, Benoni-Indisch, gegen jene Frau, die ihm vor Jahren diese Variante beigebracht hatte.
Friedrichs Gedanken waren beim 1. Buch Mose. Rahel starb bei der Geburt ihres Sohnes, konnte aber noch den Namen „Ben-Oni“, das heißt „Kind des Schmerzes“, vorschlagen. Der Vater nannte seinen Sohn dennoch „Ben-Jamin“, „Kind des Glücks“. Warum musste er ein Ben-Oni sein?
Ein Blick auf die Schachuhr brachte ihn zurück ins Geschehen. Die Stellung war katastrophal. Er hatte einen Läufer weniger und Pichler drängte nach vorne. Eigentlich sollte er aufgeben.
Gab es da nicht doch einen Weg? Friedrichs Gedanken flogen weiter zur Jahrhundertpartie Donald Byrne gegen Bobby Fischer. Mit einigen spektakulären Opfern, als Höhepunkt die Dame, hatte der dreizehnjährige Fischer das Spiel umgedreht und den erfahrenen Meister geschlagen.
Friedrich dachte an seinen Sohn Benjamin, das Kind des Glücks. Jetzt sah er es genau. Er musste nicht den Vormarsch der Gegnerin stoppen, sondern sie in die Falle locken, und zwar möglichst schnell!
Das erste Springeropfer sah noch harmlos aus, wie ein Fehler unter Zeitdruck. Pichler nahm an. Friedrich schickte einen Turm an die ungedeckte Front. Raunen im Publikum. Pichlers Dame verließ ihre Verteidigungsstellung, um das Geschenk anzunehmen. Nun hatte Friedrichs Königin den großen Auftritt und zog heldenhaft in die Schlagrichtung eines Läufers. Pichler wurde angesichts des Vorsprungs leichtsinnig. Sie liebte es, wenn sie den Gegner demütigen konnte. Der Läufer schlug zu.
Pichler ging weiter nach vorne, aber ihr König stand nun ziemlich allein. Friedrich schlug zu und musste seinen Regenten entblößen. Doch er fuhr tief in die Reihen seiner Gegnerin und das mit atemberaubendem Tempo. Nun musste Pichler opfern, da sich eine Mattchance für Friedrich abzeichnete. Benoni führte oft zu heftigen Kämpfen auf dem Damenflügel.
Es war ein unscheinbarer Bauer aus Friedrichs Armee, dem sich nun eine freie Bahn zur Beförderung öffnete. Pichler konnte nichts dagegen tun. Die kleinste Figur wurde zur größten.
Pichler gab grundsätzlich nie auf. Nun versuchte sie verzweifelte Opfer im Stile ihres Gegners. Dafür hatte sie zu wenig Figuren. Am Ende war Pichlers König so allein, dass Friedrich sie mit einem Grundlinienmatt, wie es jeder Anfänger als erstes lernt, an die Wand spielte.
Montag, 13. November 2017
Nyoko und Christian kamen sehr spät ins Büro. Sie hatte am Vortag ein Turnier der japanischen Schachvariante Shogi in München gewonnen. Nach der Siegerehrung waren sie erst in den frühen Morgenstunden zurückgekommen. Das Büro war mit noch mehr Aktenordnern und Asservatenkartons vollgeräumt als in der vergangenen Woche.
Klaus nahm einen Beutel mit einem Reiseschach aus einer Schachtel. „Guten Morgen! Dein Strahlen sagt alles. Du bist eine Siegerin.“
„Hallo! Stimmt. Ich habe gewonnen und auch Friedrich