Explosion und dann?. Hady Jako

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Название Explosion und dann?
Автор произведения Hady Jako
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347145870



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      Hady Jako

       Explosion und dann?

       Mein Weg – mit Hoffnung im Gepäck

      © 2020 Hady Jako, Neu-Ulm

      Autor & Herausgeber: Hady Jako, Neu-Ulm Sprachliche Gestaltung: Stephanie Evertz, Neu-Ulm Lektorat: Carmen Dörfler, Reichau Lektorat & Nachwort: Liane Süßmuth-Wemhöner, Bielefeld Umschlaggestaltung & Buchsatz: © Alexander Kaya, Leipheim Titelfoto: © Alexander Kaya, Leipheim

      Alle Rechte vorbehalten

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, Hamburg

      978-3-347-03966-7 (Paperback)

      978-3-347-14586-3 (Hardcover)

      978-3-347-14587-0 (e-Book)

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Widmung

      Dieses Buch widme ich meinem Vater Jako Asmail Atto, der in friedlicheren Zeiten an einer Krankheit starb, und meiner Mutter Messeri Habash Koro, die seit dem Terror in unserer alten Heimat in einem Flüchtlingslager auf die Rückkehr ihrer verschleppten Söhne und Enkel wartet.

      Inhaltsverzeichnis

      Vorwort

      01: Bombenexplosion – Tage der Finsternis

      02: Mein neues Leben – Mit Behinderung im Irak

      03: Raus aus der Sackgasse – Mit Hoffnung im Gepäck

      04: Vom Aufnahmelager bis zur eigenen Mietwohnung

      05: Anerkannter Asylant - Endlich Zugang zum Sprachkurs

      06: Einwanderer mit Behinderung sucht Arbeit

      07: Meine berufliche Zukunft – Das ist es!

      08: Sport mit Susanne und Einstein

      09: Mein sardischer Freund

      10: Lotti gehört auch dazu

      11: Meine Familie, mein Volk – Erneut dem Genozid ausgeliefert

      12: Verraten und ausgeliefert

      13: Der Sohn verschleppt, die Töchter ertrunken

      14: Flucht und Weiterleben – Trauer und Hoffnung

      15: Mutter von Vermissten, Ermordeten, Geflüchteten

      16: Spenden für Geflüchtete und ein Fahrrad für mich

      17: Besuch für meine Mutter

      18: Mama Christa und Familie

      19: Freunde, so vertraut wie Eltern

      20: Neue Heimat – urkundlich besiegelt

      Schlusswort

      Danksagung

      Anhang mit Nachwort und Sachinformationen

      Vorwort

      Am 27.3.2006 ging die Bombe hoch und man legte mich zu den Toten.

      Ihr werdet nichts von diesem Anschlag (*) gehört haben. Über 70 Menschen starben. Und noch mehr wurden verwundet. Es waren Leute, die ich kannte. Es waren Nachbarn, Verwandte, Freunde. Wir waren zusammen aufgewachsen, sie gehörten zu meinem Dorf, zu meiner Heimat.

      In diesem Moment wusste ich noch nicht, was passiert war. Später erzählte mein Bruder mir von einem Selbstmordattentat. Er sagte, ich sei zu nah dran gewesenzu nah an der Bombe. Und alle, die mich sahen, sagten, es sei ein Wunder, dass ich überlebt hatte. Ohne dieses Wunder wäre ich jetzt nicht hier. Meine Geschichte würde bereits mit diesen Zeilen enden.

      Aber es war nicht das Ende, und deshalb soll diese Geschichte hier auch nicht enden! Sie soll nicht bei Mord und Tod aufhören. Sie soll von deren Überwindung erzählen und von Menschen, die die Überwindung des Todes möglich machten, von Menschen, die Hoffnung schenken, Hoffnung auf Freiheit und Frieden!

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      (*) hierzu Sachinformationen im Anhang

      Ja, man hatte mich zu den Toten gelegt. Aber dann traf ich solche Menschen, die sich für mich einsetzten, die etwas wagten, auch wenn die Lage hoffnungslos schien. Ich hatte mehrmals in meinem Leben das Glück, von solchen Menschen gefunden zu werden.

      Und hier fand mich der Erste – inmitten der Leichen. Ich kenne seinen Namen nicht. Aber ohne diesen Menschen würde ich immer noch bei den Toten liegen. Dann wäre ich längst selbst ein Toter.

      Es war bestimmt nicht leicht zu erkennen, dass ich noch lebte. Ich war bewusstlos, ein Explosionsopfer. Mein linker Arm war abgesprengt, ein Bein zerfetzt, Blut überall, das Gesicht verwüstet, Auge und Ohr verwundet … Vermutlich sah ich kaum noch aus wie ein Mensch. Und es muss gestunken haben, nach verbranntem Fleisch und Blut, nach Erbrochenem. Überall lagen Körperteile, der Rauch der Explosion hing in der Luft, und inmitten der Leichen lag ein halbtoter Ezide. Mein ‚Finder‘ – er hatte nicht aufgegeben, und daher beginnt genau hier und mit ihm meine Geschichte.

      1: Bombenexplosion – Tage der Finsternis

      Ich bin Hady Jako vom Stamm (*) der Raschka. Ich wurde am 01.01.1985 in Gohbal (*) geboren, einem Dorf im Norden des Distriktes Shingal (*), Provinz Ninive (*), Zentralirak. (*)

      27.03.2006: An diesem Montag ging ich zu einer Rekrutierungsstelle in der Nähe der Stadt Mosul (*) im Distrikt Mosul. Dort wollte ich mich als Soldat registrieren lassen. Meine Freunde, einige Verwandte und viele junge Männer aus dem Dorf waren auch dabei. Wir wollten zusammen stark sein, für unser Dorf, für unsere Heimat. Wir wussten, dass die Folgen dieser Entscheidung gefährlich werden könnten. Meine Tante Khefsche hatte mich zuvor noch angefleht, ich möge nicht gehen. Sie habe in der Nacht geträumt, es gäbe ein Unglück …

      Auf dem Platz vor der Kaserne befanden sich ca. 700 Männer, die sich registrieren lassen wollten. Überwiegend junge Männer waren das. Es gab keine Kontrollen, als wir uns zu den Wartenden stellten. Erst beim Einlass in die Kaserne wurde kontrolliert. Die Stimmung war aufgeladen, entschlossen, die Gemeinschaft machte Mut, wir standen wild durcheinander, doch das Ziel vor Augen einte uns. Das letzte, an das ich mich sehr viel später erinnerte, war dies: Ich rauche eine eilige Zigarette mit Freunden …

      Da ertönte ein dröhnender, feuriger Knall! Eine brennende Wucht schlug mich nieder! Wie von weit her sprach eine Stimme: „Hady, was ist mit dir“? „Ich weiß nicht, aber Gott wird mir helfen.“ Hilfesuchende Blicke, wildes Gedankenkreisen … „ Es hat sich jemand in die Luft gesprengt, du warst nah dran Hady!“ Kathan, ein Bekannter aus dem Dorf sprach mit mir, aber ich hörte ihn nicht mehr. Das Koma trug mich fort, eine ganze Woche lang. Später erzählte man mir, dass ich ins amerikanische Lazarett gebracht worden war. Mein Bruder Ali hatte überall in verschiedenen Krankenhäusern im Irak nach mir gesucht. Schließlich hatte er vor mir gestanden – und mich doch nicht gesehen. Unmöglich war es, mich zu erkennen. Die Ärzte wussten auch nicht, wen sie da vor sich hatten – mehr tot als lebendig.

      Das Koma bescherte mir seltsame Träume: Ich war zu Hause mit meinen Geschwistern, im Garten und bei meinen Schafen. Es gab einen riesigen, wunderschönen Saal. Mein Onkel Yousef und mein Onkel zweiten Grades Alo waren auch anwesend; sie wollten mich nach Hause holen - aber dann sah ich im Traum meine Lieben sterben und aus dem Saal hinauf in den Himmel fliegen.

      Das Erwachen aus dem Koma geschah voller Verwirrung und Schmerz. Ich quälte mich, griff nach meinen Wunden – was war das, wo war mein Arm? Ich konnte meine Hände nicht zusammenführen, mir fehlte eine Hand! Voller Grauen merkte ich, dass mir der ganze linke Unterarm fehlte, der Oberarm war ein Stumpf! Was war das, überall