Weil sie eine schlechte Mutter ist .... Sheila Catz

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Название Weil sie eine schlechte Mutter ist ...
Автор произведения Sheila Catz
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347184718



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und Gerüchen. Das gesamte Anwesen war unterhöhlt, das Wasser tropfte von den Wänden, ihre Schwiegermutter erzählte immer wieder von den Kellergängen. Die führten bis zur Schlossruine, die noch teilweise intakt waren, alles Relikte aus den Schwedenkriegen. Und wahrscheinlich führten sie bis zur Stadtfestung, Auf diesem Weg wurden damals die Belagerten versorgt, das mussten doch etliche Kilometer Gänge sein, ob die noch alle begehbar waren? Und wenn man da durchgehen konnte, das war ja auch in ihre Richtung möglich, oder? Diese Gedanken gingen Betty durch den Kopf und verstärkten noch ihre Angst.

      Mist, sie hatte vergessen, ihre Eier einzuschließen. Alles musste eingeschlossen werden, so was Blödes. Das Kostbarste im Keller verwaltete ihre Schwiegermutter: Die Buttervorräte.

      Aus modrigem Dunkel drangen Stimmen zu ihr hinauf.

      Nach einer Weile erkannte sie, wer da flüsterte. Katie und Martha waren da unten, vielleicht auch Elly. Sie blieb stehen und konnte jetzt einzelne Satzfetzen verstehen.

      »Nimm nicht so viel, dir wird schlecht«.

      »Du brauchst reden, du hast doch schon mindestens ein halbes Pfund gefressen«. Betty hörte Schleifgeräusche, als würde etwas Schweres über den Boden gezogen.

      Es war das Schleifgeräusch vom Butterfass. Sind die an den Buttervorräten? Ihr Herz klopfte wild, sie konnte kaum atmen.

      Eine Welle der Übelkeit überflutete sie, ihr Herz schlug bis zur Kehle, ihre Hände und Füße waren eiskalt und sie wurde stocksteif.

      Die Butter war rationiert, es waren sehr schlechte Zeiten, die Schwiegermutter musste für 15 Personen Lebensmittel einteilen. Immer wieder klagte sie, dass etliches fehlen würde, vor allem Butter.

      Jeder verdächtigte den anderen, Betty war schon oft die Zielscheibe von Anschuldigungen der beiden Schwägerinnen gewesen, manchmal machte auch Elly mit, je nach Laune.

      Betty fror und konnte nicht richtig klar denken. Elsie war bestimmt nicht da unten, die anderen hätten sie schon längst hochgejagt. Sie löschte zitternd die Petroleumlampe und zog sich ganz langsam an der rissigen Wand nach oben zurück, darauf bedacht, ja kein Geräusch zu machen. Oben wurde die Tür zur Gaststube aufgerissen, mit schweren Schritten tappte jemand nach draußen zur Pissrinne, der Wind schlug die Haustür zu.

      Jetzt erst merkte Betty, dass sie am ganzen Körper zitterte, sie hob mühsam die Füße auf den schmutzigen Fliesen, um an die Treppe zum Oberstock zu kommen. Dort sank sie in sich zusammen, sie fühlte einen Kloß im Hals, der Herzschlag war noch schneller geworden und sie merkte, dass sich der Boden unter ihr drehte.

      Dann hörte sie schwere Schritte auf der Kellertreppe. Ich muss weg, die finden mich sonst. Sie klammerte sich an die Stufen, schob sich langsam hinauf.

      Die Stufen waren ausgetreten und richtige Stolperfallen. Das fehlt mir noch, dass die mich hier ertappen.

      Dann stimmte das doch, dass die Vorräte gestohlen wurden. Ihre eigenen Leute? Nein, das sind nicht meine Leute, entschied sie. Sie haben mir das bei der Schwiegermutter anhängen wollen. Drecksbande, fressen die Butter blank und die anderen haben das Nachsehen.

      Schließlich fiel sie in ihr Bett, eiskalt, die Kleine neben ihr atmete laut und machte kleine Schnarchgeräusche.

      Während die Erinnerung an die vergangene Nacht wie ein Film vorüberzog, stieg ihr beim Heimweg ins Dorf das Schluchzen in der Kehle hoch, sie konnte es nicht unterdrücken. Es waren noch etliche Kilometer. Ich muss die roten Augen wegkriegen, es werden sonst alle sehen.

      Ich werde mich wehren, ich werde sagen, was ich gehört habe. Ja und dann?

      Würde sich die Schwiegermutter gegen ihre Töchter stellen? Und wie würden die 4 Söhne reagieren, die schon aus dem Krieg daheim waren, während sie noch auf ihren Mann warten musste?

      Nein, die hatte schon genug Kummer, sie sah zur zeit richtig krank aus. Das ist ja lächerlich, dass ich die Butter gestohlen hätte, mir schlottern die Kleider am Leib, die Schwägerinnen wiegen fast das Doppelte von mir.

      Jetzt tauchten die ersten Häuser auf, Betty war erleichtert, sie wischte sich mit ihrem Taschentuch das Gesicht ab. In den Flüchtlingsbaracken, an denen sie vorüberging, wohnten fast nur Frauen. Sie schauten auf, prüfend und misstrauisch, als Betty langsam vorbeiging.

      Einige standen hoch geschürzt an ihren Waschbottichen, die schlecht bezahlte Feldarbeit war geschafft, jetzt folgte die Plackerei mit der Hausarbeit.

      Eine erkannte sie und sprach sie an.

      »Betty, hast du wieder Arbeit für mich?«

      »Nächste Woche Leni, heute nicht.«

      Leni war Weißnäherin und konnte richtig gut kochen, obwohl sie noch so jung war. Mit hängendem Kopf drehte Leni sich um, der Boden knirschte unter ihren Holzschuhen, als sie zur Baracke zurück schlurfte.

      Dass Leni bei ihr arbeitete, wurde von der Verwandtschaft nicht gern gesehen. Das sind doch alles Zigeuner, Betty hatte die Stimme ihres Schwagers im Ohr, die stehlen doch nur.

      Zigeuner? dachte Betty, die kommen doch alle aus Schlesien, sie können wunderschön sticken, stricken, klöppeln. Betty verstand nicht immer ihren Dialekt, aber ihr gefiel die singende Sprechweise.

      3.Generation:

      Mary sprach mit dem Therapeuten

      »Was ist eigentlich Ihr größter Wunsch?

      „Frei zu sein“.

      „Frei von Mann, Kindern, Beruf?«

      »Nein, nein. Um Gottes Willen, mein Mann ist das Wichtigste in meinem Leben. Aber ich fühle mich so belastet von den ständigen Pflichten, auch von Angstgefühlen, die werden nicht weniger, sondern mehr. Wenn ich morgens aufwache, kann ich mich nicht von den ständigen schweren Gedanken befreien, das wird erst besser, wenn ich aufgestanden bin und den Alltagstrott erledige.«

      »Was sind das für Gedanken?«

      »Ach die wechseln. Früher war es immer der ständige Existenzdruck der Praxis, was wird heute wieder sein, wer fällt aus, was kommen für Beschwerden, haben die Kinder Mist gebaut?

      Und jetzt, wer wird von uns beiden zuerst gehen, was wird mit unserem Sorgenkind und dessen Scheidung, war ich nicht lange genug im Geschirr, jeder Tag - vor allem im Winter - ist so ohne Höhen und Tiefen. Ich fühle mich gefesselt, innerlich und äußerlich.

      Und dann möchte ich mich mal wieder ganz schmerzfrei bewegen.«

      »Aber Sie haben doch ihre Krankheit gut im Griff?«

      Oder die mich, dachte Mary, was weiß ich, wer oder was mich steuert.

      »Ja, ich habe mich mit ihr arrangiert, aber die Krankheit ist wie ein Chamäleon, sie kommt heute so und morgen so daher.

      Oft habe ich stundenlang Schmerzen in den Beinen, dann verschwindet das wieder und taucht am nächsten Tag in den Armen oder am Rücken auf. Es kommt urplötzlich, ich kann gar nichts dagegen machen. Es gibt Tage, da denke ich, ups heute geht es doch ganz gut. Und als sollte ich bestraft werden, sieht der Nachmittag völlig anders aus als der Vormittag.«

      »Dazwischen gibt es schon mal schmerzfreie Stunden oder einen halben Tag. Ich tue ja auch viel dafür.«

      Mary registrierte mal wieder ihre große Spannung in den Beinen und versuchte eine andere Sitzposition. Sie fühlte sich angespannt, wie bei einem Verhör und wusste, das war nicht hilfreich bei einer Therapiesitzung. Aber ich kann gar nicht anders, ich will mich unter Kontrolle haben. Aber muss ich wirklich meine Worte abwägen, sortieren und auf Wirkung prüfen? Das ging ihr immer wieder durch den Kopf.

      Wieder versuchte sie, eine Reaktion bei ihrem Gegenüber zu entdecken. Sie dachte:

      Ich kann in diesem emotionslosen, gelassenen Gesicht nicht lesen. Ich bräuchte Bestätigung oder Einwände oder Kritik, nicht

      dieses lauwarme Gerede. Das hilft mir nicht, ich drehe mich doch auch hier nur im Kreis.

      Sie war bei einem männlichen