Einführung in die germanistische Linguistik. Karin Pittner

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Название Einführung in die germanistische Linguistik
Автор произведения Karin Pittner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783534741083



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Schwingen oder Nicht-Schwingen der Stimmbänder entscheidet über die Stimmhaftigkeit der Laute. Stimmhafte Konsonanten werden häufig auch als Lenis (lat. ‚schwach, ungespannt‘), stimmlose als Fortis (lat. ‚stark, gespannt‘) bezeichnet. Dahinter steht die Vorstellung, dass bei den stimmhaften Konsonanten weniger Muskelanspannung vorliegt als bei den stimmlosen, was sich allerdings mit den Mitteln der Phonetik nicht nachweisen lässt (Pompino-Marschall 2009:191).

      Sonoranten und Obstruenten

      Bei den Konsonanten unterscheidet man nach dem Grad der Behinderung des Luftstroms und damit der Schallfülle der Laute zwischen Sonoranten und Obstruenten. Zu den Sonoranten gehören die Nasale, Laterale und Vibranten, während die Plosive, Frikative und Affrikaten, bei denen der Luftstrom stärker behindert wird, zu den Obstruenten gehören.

      Eigenschaften

      Bei den Vokalen wird der Luftstrom nicht wie bei den Konsonanten behindert. Vokale sind stimmhaft und weisen mehr Schallfülle auf als die Konsonanten. Der Luftstrom wird wesentlich durch die Stellung der Zunge geformt. Vokale werden unterschieden nach der

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      Abb. 3 Vokaltrapez im Mundraum (aus: Bieswanger/Becker 2010, S. 49)

      – Zungenlage: Wo ist der höchste Punkt der Zunge? (horizontale Lage)

      – Zungenhöhe: Wie hoch ist der höchste Punkt der Zunge? (vertikale Lage)

      – Form der Lippen: Sind die Lippen gerundet oder nicht?

      – Länge: Ist der Vokal lang oder kurz?

      – Spannung: Sind die Muskeln im Mundtrakt angespannt oder eher nicht?

      Position der Zunge

      Die Zungenhöhe kann (nach der Vokalklassifikation der IPA) hoch (bzw. geschlossen), obermittelhoch (bzw. halbgeschlossen), untermittelhoch (bzw. halb offen) oder tief (bzw. offen) sein. Die Zungenlage meint die horizontale Lage des höchsten Zungenpunkts: Sie kann vorne, zentral oder hinten sein.

      Vokaltrapez

      Der Artikulationsort der Vokale wird meist in einem Vokalviereck oder Vokaltrapez dargestellt, das den Mundraum schematisch abbildet. Die Vokale sind an der Stelle eingezeichnet, an der die höchste Hebung der Zunge lokalisiert ist:

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      Abb. 4 Die Vokale im Deutschen (nach Ramers 2015:79)

      Beispiele:

      [i:] Lid, Lied

      [image] Wippe

      [u:] Mus

      [image] muss

      [y:] Wüste

      [image] müsste

      [e:] Ehre

      [ε:] Ähre

      [ε] Wette

      [image] Suppe

      [ø:] Möhre

      [œ] Plörre

      [o:] groß

      [image] Ross

      [image] Tür

      [a] in Massen

      [image] in Maßen

      Rundung

      Gerundete Vokale liegen etwas zentraler im Mundraum als ihre ungerundeten Pendants. Vgl. die folgenden Beispiele für ungerundete und gerundete Vokale:

      liegen [i:]

      missen [image]

      Besen [e:]

      Helle [ε]

      lügen [y:]

      müssen [image]

      bösen [ø:]

      Hölle [œ]

      Gespanntheit

      Umstritten ist die Rolle der Spannung der Zunge. Sie gilt häufig als eines der zentralen Merkmale von Vokalen, das an die Stelle der Unterscheidung nach der Quantität in lange und kurze Vokale tritt, da lange Vokale meist gespannt seien, d. h. dass bei gespannten Vokalen ein größerer Grad der Muskelanspannung im Mundraum vorliegen soll, wofür bislang allerdings kein überzeugendes phonetisches Korrelat nachgewiesen werden konnte (Pompino-Marschall 32009:227). Ungespannte Vokale liegen zentraler im Mundraum, sie tragen das Merkmal [zentralisiert], während gespannte Vokale eine periphere Position einnehmen. In der Abbildung des Vokalvierecks finden sich die zentralisierten Vokale innerhalb des Kreises.

      Länge und Gespanntheit

      Bezüglich der Zahl der Vokale im Deutschen und bezüglich ihrer Beschreibung besteht keine Einigkeit. Manchen gilt die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen als grundlegend, andere halten die Unterscheidung zwischen gespannten und ungespannten Vokalen für zentral. Einig ist man sich darin, dass ungespannte Vokale kurz ausgesprochen werden, mit der Ausnahme von [ε:] wie in Ähre image, das einen langen ungespannten Vokal darstellt. In unbetonten Silben werden gespannte Vokale kurz realisiert. Wir halten daher sowohl die Länge als auch die Gespanntheit für unverzichtbar für die Beschreibung der Vokale.

      Beispiele für Gespanntheit vs. Ungespanntheit bei Vokalen:

Miete [i:]Mitte [image]
Hüte [y:]Hütte [image]
Beet [e:]Bett [ε]
Höhle [ø:]Hölle [œ]
Pute [u:]Putte [image]
Ofen [o:]offen [image]
Bahn [image]Bann [a]

      Zentralvokale

      Alle kurzen Vokale sind ungespannt und daher zentralisiert. Der zentralste Vokal ist [image], der sogenannte Schwa-Laut. Er wird auch als Reduktionsvokal oder Murmelvokal bezeichnet, da er den geringsten artikulatorischen Aufwand bedingt. Etwas tiefer liegt der Vokal [image], der als r-Variante auftritt.

      Bei [a] und [image] besteht keine Einigkeit darüber, wo diese beiden Vokale zu lokalisieren sind. [