Название | CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind... |
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Автор произведения | Werner Meier |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347112346 |
„Nun ja, in Anbetracht aller Gegebenheiten...Exitus vor dreißig Stunden plus minus…“
Mit eingerechnet einige Stunden, die das Mädel schon am Flussufer lag. Honigmann hatte grimmig zurückgerechnet.
„In aller Herrgottsfrüh ersäuft.“
Als gäbe es eine humanere Zeit so zu enden.
Forster hatte die Leiche hin und her gewendet, Schädel und Körper in Blick genommen. Risse durch aufgeweichte Haut an Armen und Beinen vorne und hinten erzählten, dass starke Unterströmungen die Leiche übers Flussbett gewälzt und geschleift hatten. Spuren von Gewalt durch andere Fremdeinwirkung waren davon oberflächlich nicht zu unterscheiden, falls vorhanden. Forster klappte seinen silbern glänzenden Metallkoffer zu. Er hatte seine vorläufige Arbeit an der Leiche beendet, richtete sich zu voller Größe auf und wischte die Kapuze vom Kopf, behielt aber Schutzmaske über Nase und Mund und Handschuhe an. Mit seinen zwei Metern Länge und dem dottergelben Bürstenhaarschnitt ragte Forster aus jeder Menge wie ein Leuchtturm. Die Nickelbrille ließ ihn altersweise wirken, obwohl er erst 43 war. Mit ihren knapp über Einssechzig wirkte die Kommissarin kindlich neben dem langen Pathologen.
Beide schauten stumm auf die Tote, ein paar Schritte Abstand zwischen sich haltend. Ein Automatismus, der sich seit Corona bei Vernünftigen eingebürgert hatte. Nicht, dass der Pathologe und die Mordermittlerin sich sonst menschlich nähergekommen wären. Der Zug war abgefahren.
Wasserleichen tauchten nie appetitlich auf. Trotzdem war die zarte feingliedrige Schönheit des Mädels mit dem auffallend langen Haar immer noch zu erahnen. Forster brach das Schweigen.
„Nun ja…Ein gefallener Engel.“
Honigmann reagierte barsch, ohne den Kopf zu Forster zu heben. Sie mochte nicht zu anderen aufschauen, schon gar nicht zu dem Pathologen.
„Das Mädel ist nicht vom Himmel ins Wasser gfalln. Und auch nicht bei einem Waldspaziergang in scharfer Bettwäsch.“
Forster hatte sich noch nicht festgelegt, ob das Mädel ertrunken war. Aber keine Zweifel daran gelassen, dass der Fluss es ausgespuckt hatte. Auch wenn der sich inzwischen zurückgezogen und jetzt dahin plätschernd seine Unschuld beteuerte, mit der strahlenden Sonne am heiteren Himmel als Zeugin. Kein wasserdichtes Alibi. Die Gewitterböen der Nacht hatten den Fluss durchwühlt. Normalerweise trieben Verwesungsgase Tote frühestens nach Tagen hoch, sofern Sauerstoffmangel in großer Tiefe und Kälte sie nicht als Leichenwachsfiguren konservierte. Aber der Fluss war nicht die Tiefsee und wälzte sich zwischen den Flutmulden unter den Auen höchstens drei Meter hoch dahin. Alle Indizien deuteten darauf hin, dass das Unwetter das Mädel frühzeitig aus seinem Totenbett geholt hatte und Sturmflut es an den Puppenstrand geworfen, wie Heiligbrücker die Landzunge hier an der Flussbiegung nannten. Wegen des Freiluftspektakels, das der Förderkreis Weiße Frau Heiligbrück e. V. jedes Jahr in der ersten Juliwoche um die alte Legende aufführte. Die beschrieb eine schöne junge Herzogin, zum Übel aller untreu. Mit einem jungen Ritter setzte sie dem alten Herzog Hörner auf. Als der ihnen draufkam, ließ er den Ritter aufs Rad spannen, die Herzogin ins höchste Turmzimmer sperren, lud die ahnungslosen Schwiegereltern zu einem Festmahl und ließ sie und ihr kleines Gefolge kurzerhand abstechen. Nachdem er selber ein paar Tage nach dem Massaker eine tödliche Herzattacke erlitten hatte, machten die Ratsherren der Stadt die Ehebrecherin für die ganze Tragödie verantwortlich, unterwarfen sie einem Gottesurteil und übergaben sie von der Brücke den Fluten.
>Übergeben wir sie Gottes allmächtigem heiligen Urteil, in ihrem Gott lästernden weißen Hochzeitsgewande<.
Es war nicht Sinn der Sache, einem Gottesurteil Unterworfene überleben zu lassen. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten lieferten sie nur den Vorwand, sie als vom Teufel Besessene erst recht umzubringen. Da konnte Gott Zeichen geben, wie er wollte. Bevor sie den Fluten überlassen wurde und darin, Gott hin, Gott her, alternativlos ersoff, weil Hände auf dem Rücken zusammengebunden und Füße gefesselt, verdammte die Herzogin Heiligbrück mitsamt der ganzen Bagage.
„Geflucht bin ich, und geflucht seid ihr!“
Kaum war sie untergegangen zuckten Blitze aus heiterem Himmel, und Nebelschwaden krochen aus dem Fluss.
So viel Realitätsnähe am Untertauchen des Stadtgespensts hätte dem Freiluftschauspiel eher geschadet, Blitz und Donner Publikum vertrieben, das sich gerne gruselte, aber bittschön bei sonnigem Grill-Wetter. Ausgerechnet zum 50jährigen Jubiläum hatte das Spektakel dieses Jahr ausfallen müssen, inklusive schaurigem Höhepunkt unten am Fluss, bei Schweinenacken, Würschtl und Bier. Wobei man aus nicht allen immer nachvollziehbaren Gründen statt der aktuellen Darstellerin nur eine Strohpuppe von der Brücke ins Wasser schmiss. Mit Wollperücke und Leinenhemd statt Hochzeitskleid. Aus Kostengründen. Und frisch gewaschen und gebügelt sogar wiederverwendbar. Weil es die strohigen Weißen Frauen immer auf der gleichen Landzunge anschwemmte. Die deshalb bald volksmundig „Puppenstrand“ getauft wurde.
Zwei Spusis in bei ihrem Job sowieso üblicher Vermummung suchten in weißen Überschuhen, Kapuzenoveralls, Schutzmasken und Handschuhen am Ufer entlang noch nach Verwertbarem. Ihre Körpersprache drückte wenig Hoffnung aus, relevante Spuren aus dem ganzen Müll, losem Laub und Zweigen filtern und dem mit ihm angeschwemmten Tod zuordnen zu können. Einer der Spusis gesellte sich ungebeten und achselzuckend zur Kommissarin.
„Unklare Spurenlage, mehr wird unterm Strich nicht rausspringen.“
„Und? Wollens jetzt neben mir Wurzeln schlagen und ein Seuchenbaum werden?“
Fuhr Honigmann dem Spusi übers maskierte Maul, worauf der sich trollte.
„Nun ja, das sieht mir nach unangenehmen Ermittlungen für denjenigen aus, der die Fragen stellen muss. Ich würde sagen Sie stehen bereits auf einem Minenfeld, Frau Kommissarin.“
Orakelte Forster bei der Vorstellung gut gelaunt mit einem schrägen Blinzeln von oben herab auf Honigmann. Die geradeaus über die dreckigen Wellen auf die sauberen Fassaden des Villenviertels am gegenüberliegenden Ufer starrte. Honigmann spürte den Hauch von Todsünde herüberwehen und eine Menge Ärger auf sich zu rauschen.
„Klugscheißerns mit ihrem Nunja in Ihrem Kellerloch, Leichenschänder.“
Forster hob seinen Koffer auf und verabschiedete sich unbeeindruckt.
„Seien Sie dankbar, Frau Kommissarin. In meinem Kellerloch reden die Toten mit mir. Oder haben Sie auch nur einen lebenden Zeugen?“
„Ich hab die zwei nicht zum Fischerlzähln raufgschickt.“
Raunzte Honigmann grob und meinte Diewald und Dillinger gut 50 Meter flussabwärts auf der Brücke, die Verbindung zwischen Villenviertel und Flussauen. Schon im frühen Mittelalter hatte dort eine über den Fluss geführt, wo es seit 1904 wieder eine gab. In den letzten Kriegstagen 1945 war sie gesprengt, bis 1949 originalgetreu wiederaufgebaut worden. Inzwischen stand sie unter Denkmalschutz.
Doppelde, wie Diewald und Dillinger auf der PI 14 genannt wurden hatten die Leiche gesichert, bis die Todesermittler eintrafen und Honigmann das Duo zum Einfangen von Waldspaziergängern als potentielle Zeugen wofür auch immer auf die Brücke geschickt hatte. Zusammen mit mir.
„Lassens den Teufel nicht aus den Augen! Und lassens Hund aus meinem Wagen.“
Hatte Honigmann dem Uniformpärchen eingeimpft, das jetzt links und rechts von mir respektvollen Sicherheitsabstand hielt. Aus Respekt vor dem Virus, nicht vor mir. Nach uns allen dreien war Covid-19 noch auf der Jagd. Aber hier oben hatten wir einvernehmlich die Masken abgenommen, hielten uns fern voneinander und atmeten frei Waldluft von den Auen herüber, unter der Sonne feucht dampfend vom Unwetter der Nacht. Hund lag mit dem Schädel zwischen den Vorderpfoten zwischen Diewald und mir.
Die Leiche unten konnte man auch von hier oben sehen! Bis jetzt hatte sich niemand bei uns blicken lassen. Man hätte inzwischen Schaulustige erwarten können. Aber das hier war ein diskretes Viertel mit Mauern um die Grundstücke. Man schützte sich vor Neugierigen und entblößte auch die eigene Neugier nicht, schon gar nicht wollte man sich in polizeiliche Befragungen reinziehen lassen, die dann