CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind.... Werner Meier

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Название CORONA - Lasst sie sterben, wo sie sind...
Автор произведения Werner Meier
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347112346



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der Steuer ab. Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum, die an AsOs verramscht wurden, Fleisch-, Wurst- und Schinkenpakete zu einem Euro das Kilo aus der »Salmonellenkiste«, wie die Kundschaft das Angebot in den Kühltruhen mit bitterer Dankbarkeit auszeichnete. Hämer sprachen von gezielter Ausrottung der Armut durch legalisiertes Gammelfleisch. Die Discounterketten sparten jeden Monat fünfstellige Summen an Abfallgebühren, und als Gesellschafter des AsO-Markts kassierten sie nochmal Zigtausende an Subventionen aus dem Sozialtopf. Als Einkaufsberechtigung galt ein ALGII-Ausweis mit digitalem Fingerabdruck, der an der Kasse gescannt und sofort über ein Register des Amtes für soziale Sicherung auf Berechtigung geprüft wurde. Ein Pilotprojekt zur möglichen bundesweiten Einführung. Datenschutzbeauftragte begrüßten es, dass die Ärmsten vorrangig mit Hightech bedient wurden, und so garantiert wurde, dass auch nur beglaubigte Bedürftige einkauften, sich keine Gutverdiener einschleichen konnten, oder gar gelangweilte Schickerias AsOprodukte als hippen neuen Partytrend entdeckten und die Armenmärkte der Schicki-Micki-Szene einverleibten. Am Ende der Schlucht reckte sich links vor mir Heiligbrücks einziges Hochhaus. Damit ließ ich die geballte Armut hinter mir.

      Am Fluss angekommen musste ich ihn noch einen Kilometer begleiten, bis ich mit ihm in den alteingesessenen Wohlstand des Villenviertels einbog, wo man Hartz IV partiell noch für den Spross einer Dynastie in vierter Generation hielt. Geld fühlte sich traditionell zu Flussnähe hingezogen, während die Ärmeren und Ärmsten sich auf beiden Seiten stetig von seinen Ufern entfernten. Das war immer so. Doch der Tod schlich durch Heiligbrücks sich abschirmende heile Welt. >Zum Verkauf. For sale<. Ein halbes Dutzend Schilder zählte ich nur im Vorbeifahren. Das Flüchtlingscamp gegenüber in den Auen hatte nur ein Jahr als Sündenbock für die Wertminderung der Ladenhüter hergehalten. Der gewachsene Wohlstand lag schon vorher unter künstlicher Beatmung. Globale Finanzkrise, Eurokrise, und auch der Generationswechsel funktionierte nicht so, wie ihn sich die Alten vorstellten. Die Jungen wollten die klotzigen alten Villen und die immensen Unterhaltskosten nicht nachhaltig erben. Ich bog auf die Brücke zu den Flussauen rüber ab. Schon im frühen Mittelalter hatte eine über den Fluss geführt, wo es seit 1904 wieder eine gab. In den letzten Kriegstagen 1945 war sie gesprengt, bis 1949 originalgetreu wiederaufgebaut worden. Inzwischen stand sie unter Denkmalschutz. Drüben führte mich die Gabelung des befahrbaren Waldwegs links zur Lichtung vom Hotzenplotz. Er war nicht da. Lichtung und Bauwagen kamen mir seltsam verlassen vor, irgendwie endgültig. Ich machte mich zu Fuss auf die Suche Richtung Fluss runter, und zum ersten Mal an diesem Tag beschlich mich ein mulmiges Gefühl…

      Sie waren zur Leichenschau über die Brücke gekommen, zuerst die Polizeimeister Sarah Dillinger und Lorenz Diewald im Streifenwagen von der Polizeiinspektion 14, zehn Minuten danach im schwarzen Audi A 6 Hauptkommissarin Karola Honigmann, Leiterin vom K 11 in der Polizeidirektion, gefolgt von vier Spusis im kultigen blauen Bulli, dem ältesten Hobel der Heiligbrücker Tatort-Ermittler, zuletzt wie der Silberstreifen am Horizont Heiligbrücks forensischer Chefpathologe Dr. Mark Forster im metallic glänzenden Mercedes SUV. Er hieß tatsächlich wie der berühmtere deutsche Barde. Ob er seinen Leichen ein Aurevoir sang, war nicht bekannt. Aber, dass er in seinem Keller eine schräge Leidenschaft für tote Mägen entwickelt hatte, weswegen KHK Honigmann ihn schon mal gerne eine perverse Kellerassel schimpfte.

      Dillinger und Diewald als Vortrupp hatten zweimal aussteigen müssen, den sonst gut befahrbaren Waldweg von Geäst und einem umgestürzten Baum freiräumen. Am ehemaligen Campingplatz hatten sie alle nacheinander ihre Wagen geparkt, waren zu Fuß weiter. Das Ende des Waldwegs verengte sich zu einem schmalen Schluf und schnitt nach unten tief in die Böschung ein, mehr flach als steil abfallend bis runter zur Flutmulde, aber rutschig von nassem Laub. In der Nacht vorher hatte eine gewaltige schwarze Wolkenfront wie aus dem Nichts den Himmel überfallen, seine Sterne gefressen und sich über Heiligbrück und Umland ausgekotzt, als gäb´s kein morgen mehr. Einem der Spusis war ein lautes „Kreizkruzefix“ ausgekommen, als er sich mitten im Schluf mit seinem Utensilienkoffer an der Hand auf den Arsch gesetzt hatte.

      KHK Honigmann hatte die schwarze Bucketmütze über der schwarzen Schutzmaske abgenommen, wie sie es immer tat im Angesicht des Todes. Der lederne Anglerhut war ihr Markenzeichen geworden. Ihren pechschwarzen Pagenschnitt darunter trug sie frisiert wie Prinz Eisenherz aus dem Comic. Ihre Augen waren von einem so saftigen Wiesengrün, dass man gesunde Kühe drin weiden lassen wollte. Aber KHK Honigmann vermittelte weder Idylle, Harmonie, oder gar Liebreiz. Sie war nicht darum bemüht, als Darling wahrgenommen zu werden. Einige unterstellten ihr sie ließe ihren Männerfrust seit ihrer Scheidung vor vier Jahren an ihnen aus. Ihre Töchter sah sie nur selten. Die eine lebte in Paris, die andere in Dublin. Geblieben war ihr der irische Wolfshund. Mit dem war sie aus der Stadt raus in einen umgebauten Pferdestall gezogen. Der Hund hieß Hund. Das rauhaarige schwarze Riesenvieh begleitete Frauchen auch ins Büro, musste nur Tatorten fern und im Auto bleiben. Niemand in der PD hatte Hund je knurren oder gar bellen gehört. Einige Kollegen flüsterten grinsend Hund könnte nicht knurren und bellen, weil er ein Rabe war. Der Frauchen zuhause in ihrem Pferdestall auf der Schulter hockte, während die finster in einem großen befeuerten Kessel rührte und die Männerwelt fluchte. Und den Raben nur in Hund verwandelte, wenn sie in die Stadt und zur Arbeit fuhr. Ein Entenhausenfreak unter den Kollegen hängte ihr den seitdem hinter vorgehaltener Hand getuschelten Spitznamen Gundel Gaukeley an. Statur, Figur, Haarfarbe und weiter hergeholt sogar Outfit der Disneyhexe passten auf die Kommissarin. Wie Gundel war auch die gerne wie heute ganz in Schwarz unterwegs. Das Lederholster mit dem daraus ragenden Pistolengriff an ihrer rechten Hüfte wirkte an Honigmanns zierlicher Erscheinung auf martialische Art überdimensional. Jetzt frei sichtbar, weil sie ihre Jacke im Wagen gelassen hatte und im kurzärmeligen schwarzen Top über dem schwarzen Sport-BH dastand. Die P 7 am schwarzen Gürtel ihrer leichten schwarzen Stoffhose mit großen Taschen auf den Oberschenkeln schienen ihre Bewegungen nicht als Fremdkörper wahrzunehmen, und auch wer sie noch nicht beim Schießtraining gesehen hatte ahnte, dass sie damit so selbstverständlich umgehen konnte wie mit einem Essbesteck. Wie alle um sie herum trug auch Honigmann jetzt Latex-Handschuhe, die sie wie Schutzmaske zu anderen Zeiten an einem Fund- oder Tatort im Freien schon mal vernachlässigte, wo erstmal andere Ermittlungsarbeit machten. Die Mütze in der Rechten wischte sie sich mit dem Handrücken der Linken Schweiß von der Stirn. In ihren schwarzen Sneakers, auch im Außeneinsatz praktisch denkend wie immer hatte sie relativ festen Halt auf dem schwammigen Kies und senkte den Blick wieder auf die Leiche, auf die jetzt heitere Mittagssonne strahlte. Zynisch und pietätlos angesichts der mit Pappe, Blech- und Plastikzeug wie Müll angeschwemmten Toten. Das Spitzennegligé über hauchzarten Dessous hatte sich bis auf die Schenkel hochgeschoben. Die nackten Beine waren von den Hüften abwärts seltsam verdreht, als hätten sie weiter vom Fluss weglaufen wollen, nachdem sie das Ufer erreicht hatten.

      An der Leiche kniend hatte Forster seine Arbeit aufgenommen und anhand der Waschhaut seine erste Schätzung zur Zeitspanne der Toten im Wasser abgegeben.

      „Nun ja, vierundzwanzig Stunden plus minus…“

      Danach hatte er die Körpertemperatur gemessen, dazu eine Lebersonde genommen, auf rektales Instrument verzichtet, um keine wenn auch unwahrscheinlich noch vorhandene analen Eindringungsspuren endgültig zu zerstören. Noch hatte es keiner direkt ausgesprochen. Die augenscheinlichen Umstände schrien nach dem Verdacht auf eine ganz schräge Nummer mit dem Mädel.

      Die Totenstarre zeigte erste Anzeichen von Auflösung. Bei Zimmertemperatur setzte sie an Augenlidern und Kaumuskeln schon nach ein bis zwei Stunden zuerst ein, wanderte über Hals und Nacken abwärts und war nach sechs bis zwölf Stunden voll ausgeprägt. Nach 24 bis spätestens 48 Stunden löste sie sich auf, alles abhängig auch von Wärme, Kälte, vorheriger Belastung der Muskeln, und, und... Körpertemperatur und Totenflecke lieferten weitere Hinweise zum Todeszeitpunkt. Mit einer Standardformel ließ er sich zurück rechnen: normale Körpertemperatur minus gemessener geteilt durch eineinhalb. Totenflecke sagten dazu noch, ob die Leiche bewegt worden war. Wurde ihre Position innerhalb der ersten sechs Stunden verändert, verlagerten sich auch die Totenflecke noch nach den Regeln der Schwerkraft. Bis zu zwölf Stunden nach Todeseintritt waren sie noch teilweise wegdrückbar, da Blut innerhalb der Adern noch beweglich war. Drückte man auf den Totenfleck, wurde die Haut wieder hell. Später war bereits so viel Wasser aus dem Gefäßsystem entwichen, dass das Blut eingedickt war und die Totenflecke unveränderbar blieben.

      Plötzlicher