Spuren intelligenten Lebens. Len Mette

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Название Spuren intelligenten Lebens
Автор произведения Len Mette
Жанр Юмористические стихи
Серия
Издательство Юмористические стихи
Год выпуска 0
isbn 9783967130072



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sonst irgendwelche übertriebenen Reizauslöser vorweisen können. Finanziell abgebrannt oder karrieregeil sind ebenfalls Attribute, die die Hürden zur Teilnahme senken, sind sie doch förderlich, für das, was kommen wird. Wem nackt nicht zusagt, dem sei auch die Variante 20 Notgeile bewerben sich auf Beischlaf mit nur einer Schönheit empfohlen. Nackt macht sich unterwegs schon irgendwer ganz von allein, setzen wir unsere Schönheit doch als höchstintelligent und nicht verarmt in Szene. Dass das Objekt der Begierde schlicht ein gut aussehender, wenn auch völlig beziehungsunfähiger Normalo ist, werden unsere Kandidaten erst nach der Sendung bemerken. Aber dann ist es ja auch egal, denn immerhin können wir mit diesen simplen Mitteln sowohl teure Kulissen, als auch ein Fernsehballett einsparen!

      Zurück zur Insel der Nackten: Dort angekommen beschäftigst du sie mit belanglosen Spielen, Hunger oder einfach Langeweile. Nicht nur Marsmissionsforscher der NASA, sondern auch TV-Formatsexperten wissen, was passieren wird: Ein Teil der Gruppe wird innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums beginnen, sich aufgrund von Nichtigkeiten gegenseitig die Augen auszukratzen. Natürlich mimst du jetzt die Model-Mama und sagst in theatralischem Ton:

      »Na, na, na! Das darf nicht sein! Letzte Verwaaaarnung!«, um schon einmal die Moralkritiker zu beruhigen, die dich und deine Sendung andernfalls in der Presse zerfleischen würden.

      Deine nackigen Teilnehmer auf der Insel wird das nicht interessieren, denn die befinden sich ja in einer psychologischen Ausnahmesituation. Schließlich sind sie nackt und hungrig auf einer Insel, zusammen mit anderen nackten und hungrigen Inselaffen und müssen dumme Spiele spielen. Alles freiwillig natürlich, für viel Geld. Jedenfalls aus deren Perspektive. Immerhin sind sie ja finanziell abgebrannt und karrieregeil. Passieren wird ihnen ob der Verwarnung natürlich nichts. Es sei denn, sie tun irgendetwas, bei dem man die Kritiker nicht mehr mit einer mütterlichen Verwarnung beruhigen könnte. Dann schmeißt man sie halt schweren Herzens aus der Sendung, ohne jedoch zu vergessen, auch das drei Wochen lang medial auszuschlachten.

      Der andere Teil der Gruppe von bildhübschen Höhlenmenschen besteht leider aus Charakteren, deren Ding es nicht ist, Konflikte auszutragen. Sie sind auf den ersten Blick also ein medialer Flop, wären da glücklicherweise nicht noch unsere Joker-Attribute nackt und karrieregeil:

      Was diese possierlichen Individuen tun, ist ebenfalls klar: Sie werden übereinander herfallen, als hätten sie den modernen Porno selbst erfunden. Das, liebe Kritiker, ist mitnichten verwerflich! Immerhin geht es hier um wahre Liebe unter volljährigen Freunden, nicht wahr? Okay, okay, das Eine oder Andere ist vielleicht zu verpixeln. Aus Gründen des Jugendschutzes. Wir pixeln aber nur haargenau das, was rein juristisch betrachtet gepixelt sein muss. Und nur zu exakt jenen Uhrzeiten, zu denen es gepixelt sein muss! Schließlich geht es um die Liebe! Und um Karrieren! Und um Geld! Diesen Genuss der intellektuell anspruchsvollen Unterhaltung sollen ja möglichst viele Menschen in Reinform sehen dürfen!

      Leider wird das Schauspiel unserem inzwischen sabbernden Publikum ebenfalls zu langweilig. Irgendwann weiß halt einfach jeder, wie nackte, mit Silikon und Botox vollgepumpte Neandertaler beim Pimpern und beim Schlammcatchen aussehen. Das kennt man alles schon. Bevor also wirklich niemand mehr einschalten möchte, ist es an der Zeit, die nächste Hürde der Ethik, des Intellekts, wie auch des guten Geschmacks zu nehmen und ein brandneues Format zu erfinden! Eben jenes muss sich jedoch als soziales Experiment bezeichnen lassen. Auch hier gilt es, die Kritiker möglichst lang in Schach zu halten:

      Eine völlig spontane, wie abwegige Idee wäre es beispielsweise, reifere Frauen gegen blutjunge Frauen in die Manege zu stellen, um sie um die Gunst sexuell ausgehungerter Herren buhlen zu lassen. Das Ganze nennen wir provokant Die Olle oder die Dolle? und schicken die hübschen, aber finanziell abgebrannten Neandertalerdamen ins Rennen. Das soziale Experiment besteht natürlich darin, herauszufinden, ob es bloß schnöde weibliche Reize oder die wahre Liebe sein wird, die das männliche, finanziell abgebrannte, aber bildhübsche Neandertalerindividuum anzulocken vermag.

      Wichtig an dieser Stelle ist eine Art Notfallplan, denn was, wenn unsere zugegebenermaßen minimal frauenverachtende Idee einer weiteren frauenverachtenden Fernsehsendung mit potenziell minderjähriger Zielgruppe gar als nicht okay eingestuft werden sollte? Was, wenn jemand herausfindet, dass wir die Werte der Zivilisation mit Füßen treten und dazu beitragen, weitere Neandertaler heranzuzüchten, nur um das Fernsehballett einzusparen? Was, wenn wir plötzlich feststellen, dass Jugendliche aufgrund ihres Medienkonsums ein völlig surreales Bild von Sexualität und ihrer Rolle in einer modernen Gesellschaft vermittelt bekämen?

      So unwahrscheinlich diese abenteuerlichen Thesen auch sein mögen, unser Notfallplan soll wie folgt lauten:

       »Wir wollten mit unserem umstrittenen TV-Format lediglich in provokanter Weise auf die Oberflächlichkeit von Teilen der heutigen Gesellschaft und der Medienlandschaft aufmerksam machen. Sollten wir das Werteempfinden und die Gefühle der Zuschauer verletzt haben, so entschuldigen wir uns in aller Form für diese Fehleinschätzung.«

      In Kombination mit den geltenden Gesetzen der Kunst- und Pressefreiheit, wird uns dieser Satz nahezu unangreifbar aussehen lassen. Und je mehr sich die Kritiker echauffieren, umso mehr Aufmerksamkeit und Werbeeinnahmen werden wir generieren. So lang die sabbernde Meute hinschaut! Und je länger wir senden können, umso größer können wir uns die sabbernde Zuschauermeute heranzüchten. Eine Gelddruckmaschine! Wer braucht schon Verschwörungstheorien, um die Weltherrschaft an sich zu reißen? Wer braucht Kulissenbauer und ein Fernsehballett? Neandertaler sind viel billiger!

      Ich frage mich: Hat Frank Elstner diese Entwicklung kommen sehen, als Thomas irgendwann in abgefahrenen Klamotten die Sendung übernommen hat? Ich meine ... Nicht, dass Thomas ein Neander ... Nein, das sicherlich nicht. Und vermutlich findet sich hier ebenfalls die Grenze, zwischen seichter Unterhaltung und menschenverachtendem Unsinn. Darin, ob die Protagonisten über Hirn und Verstand verfügen und wissen, was sie da eigentlich tun oder eben nicht. Ob sie aktiv gestalten, oder bloß ein hohler Spielball irgendeines Konzepts sind.

      Unterhaltung funktioniert mit Sensation. Wie im alten Rom. Daran ändert sich nichts. So sind wir Menschen. Niveau ist aber weder eine Hautcreme noch reine Glückssache. Das zumindest wird mir klar, wenn ich in Nostalgie an den blauen Bildschirm mit den gelben Sternen und der Eurovisionsmelodie zurückdenke. Ich ewig gestriger. War ich es, der sich damals gefragt hat, ob es wirklich interessant ist, einem Kerl beim Telefonbuchzerreißen im Rahmen einer Saalwette zuzusehen? Damals hat der TED entschieden. Heute sind wir umso mehr gefragt, zu entscheiden, indem wir einschalten oder eben nicht. Es ist, wie beim Verkehrsunfall, unsere ganz eigene Entscheidung, ob wir gaffen oder es lassen. Es ist unsere Entscheidung, was das Thema des Tages sein soll und was nicht.

      Für die jungen Neandertaler unter uns möchte ich diese Erkenntnis etwas einfacher formulieren:

      Liebe Influencerin, lieber Influencer,

       Eins habe ich gelernt im Leben. Die wesentliche Frage, die du dir immer wieder stellen solltest, ist:

       »Hä?!«

       Ich schwör!

      Kriegshelden

      Es ist Zeit, über ein Ereignis zu sprechen, das wir alle kennen. Prinzipiell ist es wie die Wanderung dieser besonderen Schmetterlinge, die sich Monarchfalter nennen und, die sich in Nordamerika tummeln. Sie schaffen es aus schier unerklärlichen Gründen, Jahr um Jahr eine Wanderung hinzulegen, die sich gewaschen hat: Sie fliegen oder falten, flattern – oder was auch immer sie tun – über einen ganzen Kontinent, um aus dessen nördlichen Regionen bis zu 3600km weit in die mexikanische Sierra Nevada zu reisen und dort zu überwintern. Oder so ähnlich. Ich bin nun kein Schmetterlingologe oder sowas, aber ja, das ist wirklich wahr. Hin und zurück. Und das Beste: Die Falter, die losfliegen, sind nicht einmal ausschließlich die, die zurückkommen. Die denken sich nicht: »Ach, komm, Urlaub in Mexiko, zu Weihnachten sind wir wieder hier.« Nein, manche von ihnen gehen kalkuliert in ihrem Urlaub drauf, nachdem sie sich fortgepflanzt haben und erreichen nie wieder den Ausgangspunkt. Genauso, wie das bei uns Menschen so mancher Thailand-Urlauber tut. Zurück kommen im Falle der Falter jedoch auf jeden Fall die Kinder und Enkel derer, die einst losgeflogen